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Politik - 09.03.2019

Jetzt hilft May nur noch ein Brexit-Wunder

Warum die Wahrscheinlichkeit für ein zweites Referendum wächst – und was daran gefährlich ist

Die Woche der Wahrheit naht – jedenfalls, was Theresa Mays ursprüngliches Versprechen betrifft, Großbritannien am 29. März auf Basis eines Abkommens aus der EU zu führen. Dafür bräuchte sie nach Stand der Dinge am Wochenende ein Brexit-Wunder.

Seit Tagen versuchen Unterhändler in Brüssel, Zugeständnisse beim sogenannten Backstop zu verhandeln, jener Notfallklausel, die die neue EU-Außengrenze zwischen Irland und Nordirland offen hält, falls Briten und EU sich auf kein neues Handelsabkommen einigen können. Brüssel ist bereit, Zusicherungen zu geben, dass der Backstop nicht als Dauerlösung gedacht ist, erst recht nicht als Falle, um die Briten dauerhaft in die Zollunion zu zwingen.

Ein Ablaufdatum oder ein einseitiges Kündigungsrecht lehnt die EU aber kategorisch ab. Und genau das haben die Brexit-Hardliner im britischen Unterhaus zur Bedingung gemacht, um Mays im ersten Anlauf krachend gescheitertes Abkommen (202 zu 432 Stimmen) am Dienstag doch noch durch ihre Unterstützung zu retten.

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    Im Streit um den Brexit fürchten britische Politiker um ihr Leben. Die Polizei nimmt Drohungen seit dem Mord an Jo Cox 2016 überaus ernst.

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    Brexit-Briten schießen sich auf Juncker ein

    21 Tage vor dem geplanten EU-Austritt attackiert die Regierung von Theresa May Brüssel, erhöht den Druck auf die EU-Seite.

Fliegt May am Sonntag noch einmal nach Brüssel?

Die Fronten in der Geheim-Verhandlung hatten sich zuletzt verhärtet, Einigkeit bestand nur in dem Punkt, dass sich die Gespräche in Brüssel „robust“ und „schwierig“ gestalten. Weil das „Brextremisten“-Lager May auch noch ein Limit für mögliche Zusatzdokumente auf Montag gesetzt hat, mehren sich in Brüssel die Spekulationen, es könnte bis dahin noch zu einem Treffen von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Theresa May kommen.

Und wenn das Wunder von Brüssel ausbleibt? Das Magazin „Politico“ zitierte einen Regierungsvertreter anonym mit der Prognose, dass May bei der Abstimmung „60 bis 90 Stimmen fehlen“. Auch die politischen Talkshows kommen zu dem Schluss, dass May nur verlieren kann.

Und dann? Es gilt als wahrscheinlich, dass May am nächsten Tag von einer Mehrheit gezwungen wird, in Brüssel eine Verschiebung des Austrittsdatums zu erbitten. Damit wäre der von einer Mehrheit gefürchtete Chaos-Brexit mit schwersten wirtschaftlichen und sozialen Turbulenzen zumindest vorläufig abgewendet. Als mögliche Verschiebungsfrist werden drei Monate gehandelt.

Allerdings gab es am Freitag erste Anzeichen dafür, dass die Regierung in London Brüssel für ein Scheitern verantwortlich machen würde. In diesem Fall könnte das Lager der Hardliner Aufwind bekommen, die notfalls ohne Abkommen austreten und sämtliche Zusagen an Brüssel (z.B. Abschlusszahlung in Milliardenhöhe) wieder kassieren wollen.

Das passiert, wenn der May-Deal erneut durchfällt

Bedeutet eine Verschiebung das Begräbnis von Mays Brexit-Abkommen mit der EU? Waren die monatelangen Verhandlungen für das 585-Seiten-Papier dann ein für alle Mal für die Katz?

An dieser Frage scheiden sich die Experten-Geister. Denn wenn das britische Unterhaus – wie von vielen erwartet – das Heft des Handelns übernimmt, könnte es die Weichen ganz neu stellen.

► Entweder für einen Verbleib im Binnenmarkt („Norwegen-Modell“), was manche auch als „Brino“ bezeichnen („Brexit in name only“ – ein EU-Austritt nur dem Namen nach). Hinter diesem Vorschlag versammeln sich immer mehr Abgeordnete der Labour-Opposition, die vor allem Mays Versprechen, die Arbeitnehmer-Rechte auf EU-Niveau zu halten, nicht trauen.

► Oder für ein zweites Referendum, das vor allem für „Remainer“ (Befürworter eines Verbleibs in der EU) reizvoll und naheliegend scheint. Das aber nach Worten von Brexit-Experte Prof. Iain Begg (65) von der London School of Economics das Risiko einer „horrenden Spaltung“ der britischen Gesellschaft birgt.

Kurz: Der Brexit-Wind würde in Richtung einer der beiden Alternativen drehen, die May bislang kategorisch ausgeschlossen hat.

Kann May in der „Verlängerung“ noch siegen?

Hat May noch eine Chance, ihren Deal in der „Verlängerung“ zu retten?

Ja, meinen Analysten. Dazu müsste sie die Abstimmung über ihr Abkommen mit dem Versprechen verknüpfen, das Volk darüber abstimmen zu lassen – mit der einzigen Alternative: EU-Verbleib.

Für den „Guardian“ wäre ein solches Votum keine Wiederholung des Brexit-Referendums, weil sich inzwischen gravierende neue Argumente des Für und Wider ergeben hätten, von denen die Briten 2016 keine Ahnung haben konnten. Damals habe man geglaubt, man könne „einfach aufstehen und gehen“.

Inzwischen sei den meisten Briten jedoch klar geworden, dass das Karfreitagsabkommen von 1998, das den Nordirlandkonflikt befrieden konnte, Großbritannien dauerhaft an die Standards der EU sowohl nach innen als auch nach außen bindet.

Mit anderen Worten: Das Brexit-Referendum hätte in dieser Form gar nicht stattfinden dürfen.

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