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Politik - 02.02.2019

Wie die Frauen im Iran ihre Freiheit verloren

Sie wollten die Freiheit. Sie bekamen: Erniedrigung, Gewalt und Kopftuchzwang unter einem islamischen Regime.

Irans Frauen kämpften vor 40 Jahren an der Seite der Männer für den Sturz des Schahs. Doch kaum jemand zahlte einen höheren Preis für den Erfolg der Islamischen Revolution im Februar 1979.

Unter dem brutalen Schah-Regime konnten sie noch arbeiten, sich schminken, sich kleiden, im Bikini baden wie Frauen in Paris, Mailand, Berlin. Doch damit war sehr bald Schluss.

Am 7. März 1979 verkündet Ayatollah Chomeini, dass Frauen von nun an Kopftuch zu tragen haben und „nicht nackt“ zur Arbeit gehen sollen. Mit dieser Ankündigung entfacht er einen Sturm der Empörung unter iranischen Frauen. Zehntausende aus allen politischen Lagern gehen am nächsten Tag auf die Straße. Mütter und Töchter, Religiöse und Säkulare. Es ist der erste Protest gegen die neue Regierung der Islamisten um Chomeini.

▶︎ Auch die Hochschulprofessorin Haideh Daraghi (heute 69) ist an diesem 8. März 1979 dabei. „Wir wollten am 8. März den internationalen Frauentag auf der Straße feiern, aber nach Chomeinis Ansage wurde aus der Feier erbitterter Protest“, schildert sie BILD.

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Von Teherans Uni aus will sie sich mit anderen Frauen den Protesten anschließen, doch Islamisten haben das Gebäude abgeriegelt. „Wir kletterten auf die Tore und schrien sie an: ‚Ist das die Freiheit, die ihr uns versprochen habt? Haben wir dafür gekämpft?‘ Dann öffneten sie die Tore und wir strömten auf die Straßen.“

Islamistische Anhänger des Ayatollahs attackieren die Demonstrantinnen, schubsen sie in Rinnsteine, schießen in die Luft und entblößen vor den Frauen ihre Penisse.

„Wir hatten trotzdem keine Angst, die Revolution hatte uns große Hoffnung gegeben“, sagt Daraghi. „Aber wir fühlten, dass dies der Beginn von etwas sehr Hässlichem ist. Dass wir uns jetzt wehren müssen, sonst werden wir immer weiter entrechtet.“

Sechs Tage lang demonstrieren die Frauen in Teheran. Sie rufen: „Freiheit oder Tod!“, „Die Revolution ist bedeutungslos ohne die Freiheit der Frauen!“ und, zum ersten Mal seit der Revolution, „Nieder mit Chomeini!“. Auch religiöse Frauen mit Kopftuch solidarisieren sich und drohen damit, dem Islam abzuschwören, wenn Chomeini so weitermacht.

„Das Kopftuch steht für die Kontrolle der weiblichen Sexualität. Der Zwang zum Kopftuch war ein zentrales politisches Symbol des Regimes der Islamisten, wie eine Uniform. Es geht ihnen nicht um Glauben oder Unglauben, sondern darum zu zeigen, dass es keine Opposition mehr gibt“, sagt Daraghi.

▶︎ Auch in anderen Städten gehen die Frauen zu Tausenden auf die Straße. Täbris, im Nordwesten des Iran, ist eines der Zentren der Revolution gegen den Schah. Mina Ahadi (62), damals Medizinstudentin, organisiert die Proteste und besetzt ihre Universität. Der Geheimdienst des Shahs verfolgt und bedroht sie. Doch Chomeini ist 1979 keine Alternative. „Wir wollten nicht mit Islamisten zusammenarbeiten. Als Chomeini in Teheran ankam und Millionen Menschen ihm zujubelten, war das ein herber Schlag für mich.“

Wenige Tage später verkündete Chomeini die Kopftuchpflicht – Ahadi und ihre Freunde schreiben schnell per Hand einige Aufrufe zu einer Demonstration am nächsten Tag und verteilen sie in der Stadt. „2000 Menschen folgten unserem Aufruf, wir waren völlig überwältigt.“

Spontan hält sie ihre erste politische Rede. „Das Regime ist reaktionär! Wir akzeptieren das Kopftuch nicht!“, ruft sie unter dem Jubel der Teilnehmer. Doch die Demonstration wird von Islamisten angegriffen. „Ich stieg auf ein Autodach und rief ihnen zu: ‚Ihr habt keine Chance! Wir sind auch Menschen und haben Rechte, unsere Bewegung geht weiter!‘“

Ahadi ist von der Revolution berauscht: „Wir hatten gerade einen Diktator gestürzt und hatten das Gefühl, Macht zu haben und alles schaffen zu können. Wir dachten: Wer sind schon diese Islamisten?“

▶︎ Fathiyeh Naghibzadeh (56) ist erst 16 Jahre alt, als die Revolution ausbricht und eine „glühende Revolutionärin“, sie ist mit Leib und Seele dabei. „Ich war so jung und bewegt von dem Gefühl der Freiheit in diesen Tagen“, sagt sie zu BILD.

Ihre Familie traut Chomeini nicht über den Weg und warnt die Jugendliche, dass sie ein Kopftuch tragen muss und nicht arbeiten darf, wenn er an die Macht kommt. „Ich glaubte ihnen kein Wort. Er hatte im Exil versprochen, dass alle ihre politische Arbeit fortsetzen dürften, selbst die Marxisten, und dass Kopftuch kein Zwang sein werde. Ich war fest überzeugt, dass er die Wahrheit sagt.“

Dann ordnet Chomeini das Kopftuch an. „Es war wie eine kalte Dusche für mich“, sagt Naghibzadeh heute. „Ich war entsetzt. Seit diesem Tag habe ich gegen Chomeini demonstriert.“

▶︎ Farideh Arman (62) arbeitete 1979 als Lehrerin in einem Dorf nahe der Hauptstadt Teheran. „Ich interessierte mich für Mode, habe nie ein Kopftuch getragen, ging in Diskotheken und hörte Bob Dylan und die Beatles“, erinnert sie sich.

Als die Revolution begann, schloss sie sich den Protesten in Teheran an und unterstützte linke Gruppen. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass sie uns Frauen schon so schnell attackieren“, sagt Arman zu BILD. „Aber Frauen waren ihre erste Angriffslinie – Chomeini und seine Anhänger wollten damit zeigen, dass die Revolution jetzt zu Ende ist und dass sie gewonnen haben.“

▶︎ Parviz Dastmalchi (heute 70) ist 1979 einer der wenigen Männer bei der ersten großen Frauendemonstration in Teheran. „Die Demo zog von der Teheraner Uni zum Amt des Ministerpräsidenten, dort wurden wir von Chomeinis Anhängern und anderen Islamisten zusammengeprügelt“, erinnert sich Dastmalchi.

Nur wenige Männer schließen sich den Protesten an, viele der männlichen Teilnehmer hatten vorher wie Dastmalchi im Ausland gelebt, berichtet er.

„Linke Männer und Anhänger anderer Parteien haben die Demonstration boykottiert, weil sie darin einen Akt der ‚Konterrevolution‘ sahen.“ Schließlich war es der erste offene Protest gegen das neue revolutionäre Regime.

„Keiner hat das Ausmaß damals verstanden“, resümiert Dastmalchi. „Die Mullahs standen gegen die Moderne, gegen Aufklärung und Humanismus. Es war die erste reaktionäre Revolution der Geschichte.“

Leere Versprechen und Gewalt beenden die Proteste

Unter dem massiven Druck der Frauenproteste gibt das Regime nach einigen Tagen zunächst nach. Ein Sprecher Chomeinis erklärt, dass es doch keinen Zwang zum Kopftuch am Arbeitsplatz gebe. Die Demonstrationen in Teheran enden.

In Täbris dauern die Demonstrationen noch zwei Wochen länger an, aber die Angriffe von Chomeinis Prügeltrupps werden immer brutaler. „Sie kamen mit Messern und Metallketten, sie schlugen auf uns ein. Am Ende waren nur noch 20, 30 Frauen bei den Protesten, weil die Gefahr zu groß war“, erinnert sich Ahadi.

Die Lage der Frauen verschlechtert sich weiter. Das Regime führt Geschlechtertrennung in Bussen, Schulen, Parks ein und drängt die Frauen mit Gewalt in die islamische Kleiderordnung. 1983 wird der Kopftuchzwang gesetzlich festgelegt.

Sittenkommandos ziehen durch die Straßen und kratzen Frauen mit Glasscherben den Lippenstift von den Mündern, tackern ihnen die locker sitzenden Kopftücher in die Stirn und verhaften sie wegen unislamischer Kleidung.

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„Eine Strategie waren Straßensperrungen – alle Frauen, die dann auf der Straße gefangen waren, wurden dann kontrolliert und verprügelt, wenn sie nicht den Sittenvorstellungen entsprachen“, so Ahadi.

Die Zivilgesellschaft liegt da mittlerweile am Boden. Tausende Regimegegner sind verhaftet, ermordet oder ins Ausland vertrieben worden. Die Medien sind in den Händen des Regimes. Niemand kann mehr demonstrieren.

Doch den Mut und Freiheitswillen der iranischen Frauen haben die Islamisten bis heute nicht gebrochen: 40 Jahre nach den Aufständen bleiben junge Iranerinnen die treibende Kraft der Opposition.

Mina Ahadi verspricht: „Wenn Iran frei ist, laden wir die Europäerinnen in den Iran ein. Von diesen Feministinnen können sie noch lernen.“

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