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Politik - 11.12.2018

Erdogan lässt Oppositionelle in Geheimknästen foltern

Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 wirft der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seinem Erzfeind Fethullah Gülen vor, ihn stürzen zu wollen – und bezeichnet die Anhänger des Predigers als Terroristen.

Wie weit geht Erdogan bei der Jagd auf seine Gegner?

Gemeinsame Recherchen von internationalen Journalisten legen nahe, dass Erdogans Geheimdienst MIT Oppositionelle entführt – und sie in geheimen Folterzentren zu Geständnissen zwingt. Das ZDF-Magazin „Frontal 21“ berichtet von zwei Männern, die ihre Erfahrungen schildern – Menschenrechtler halten die Darstellung für glaubhaft.

Mit dem Programm werde weltweit nach politischen Gegnern gesucht, um diese dann zu verschleppen. Die türkische Regierung hat auf Nachfragen des Recherche-Verbundes zu den Vorwürfen bisher nicht reagiert.

Die Quellen

Nach Angaben des ZDFs wurden bei den Recherchen Überwachungsvideos und interne Dokumente gesichtet. Zudem wurden Augenzeugen und Opfer befragt. In der Sendung kommen zwei Männer zu Wort, die unabhängig voneinander von ihrer Entführung und Zeit im Folterknast berichten.

Beide sagen, sie seien auf offener Straße in der Türkei in dunkle Transporter gezerrt und mit einem Sack über dem Kopf in ein geheimes Folterzentrum gebracht worden sein.

Unter Androhung von Gewalt sei ihnen vorgeworfen worden, Anhänger des Predigers Gülen und Terroristen zu sein. Ihnen seien Fotos gezeigt worden von anderen Gülen-Anhängern, um sie in Prozessen zu Aussagen gegen sie zu bewegen.

▶︎ Einer der Männer berichtet von Schlägen, Drohungen mit sexueller Gewalt. „Sie haben mich unterhalb der Gürtellinie ausgezogen und auf den Boden in eine Stressposition gelegt.“ Dann hätten sie gedroht: „Was wir mit dir machen, werden wir auch mit deiner Frau tun, mit deiner Mutter, mit deinem Vater.“

▶︎ Der zweite Zeuge will Elektroschläge und stundenlanges Stehen in einem engen Schrank erlebt haben. „Aus dem Lautsprecher kamen Anweisungen. Wenn man nicht mehr kann, fällt man auf den Boden und dann gab es Faustschläge und Tritte.“

Erst nach Wochen und der Erklärung als Zeugen auszusagen, seien sie freigekommen. Beide konnten ins Ausland fliehen.

Zuletzt drohte Erdogan im Juli 2018: „Die Gülenisten, die geflohen sind und sich jetzt in Sicherheit wähnen, bringen wir einzeln zurück ins Land und übergeben sie der Justiz. Wir werden den Kampf gegen die Gülenisten (…) so lange fortsetzen, bis wir sie komplett ausgemerzt haben.“

„Müssen davon ausgehen, dass das systematisch ist“

▶︎ Mehrere Menschenrechtsorganisationen, darunter Human Rights Watch (HRW), halten die Schilderungen für glaubwürdig. HRW hat über ein Dutzend Fälle von Entführungen und Folter in der Türkei anhand von Zeugenaussagen dokumentiert. „Wir müssen davon ausgehen, dass das systematisch ist“, sagte Wenzel Michalski, Direktor von HRW Deutschland.

▶︎ Der türkische Menschenrechtsverein IHD ist überzeugt, dass der türkische Geheimdienst MIT für die Entführungen in der Türkei verantwortlich ist. Angehörige hätten berichtet, wie Opfer auf offener Straße verschleppt worden seien, „mit einem schwarzen Kleintransporter mit dunklen Scheiben“, sagte Öztürk Türkdogan, Vorsitzender des IHD.

Seit dem Sommer 2016 wurden mehrere türkische Staatsangehörige auch außerhalb der Türkei verschleppt. Belegbar sind Fälle in Malaysia, Aserbaidschan, Gabun, der Ukraine, der Republik Moldau und im Kosovo. Aus Deutschland sind keine Fälle bekannt.

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Auch die Bundesregierung bestätigt: Oppositionelle Türken werden aus dem Ausland in die Türkei gebracht.

Allerdings: „In den allermeisten Fällen dürfte es sich bei den zwangsweisen Rückführungen nach Kenntnis der Bundesregierung jedoch um offizielle Maßnahmen der jeweiligen Gastländer handeln, die von türkischer Seite zwar initiiert, von dieser aber nicht eigenständig auf fremdem Staatsgebiet durchgeführt wurden“, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der Linken im November 2018. In einer Antwort auf Anfrage der FDP schreibt das Bundesinnenministerium, „Kernaktivität des türkischen Nachrichtendienstes MIT in Deutschland ist die Aufklärung Oppositioneller“.

Immer mehr türkische Staatsbürger bitten in Deutschland um Asyl: 2016 waren es nur 150 Menschen, 2017 bereits 3543!

Unter dem Namen #BlackSitesTurkey koordiniert der Rechercheverbund Correctiv gemeinsame Recherchen von „Frontal 21“, „Le Monde“, „El Pais“, „Il fatto quotidiano“, „Addendum“, „Haaretz“, „TT“ und „Mandag morgen“. Das ZDF sendet den Bericht in der Sendung am Dienstag, 11. Dezember 2018, 21 Uhr.

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