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Kultur - 15.01.2019

Wie europäische Museen mit ihrem kolonialen Erbe ringen

Das Afrika-Museum bei Brüssel wurde umgestaltet. Der Fall zeigt, wie schwer Umgang mit dem Kolonialerbe ist. Auch im Hinblick auf das Berliner Humboldt Forum.

Rassistische Figuren aus der alten Ausstellung, jetzt versammelt in einem Extraraum.

Ein Elefantenbulle überragt die Menagerie der ausgestopften Wildtiere. Für das Schaustück, präsentiert 1958 bei der Weltausstellung in Brüssel unter dem futuristischen Wahrzeichen des Atomiums, wurden in Afrika tatsächlich zwei Elefanten getötet. Aus den Kadavern setzten Präparatoren den tristen Koloss zusammen. Er hat auch im renovierten und überarbeiteten Afrika-Museum Tervuren, das am vergangenen Wochenende seine Wiedereröffnung feierte, seinen prominenten Platz.

Leopold II. dagegen ist aus dem Mittelpunkt des kolonialen Museumsbaus, der großen Rotunde, in eine Vitrine am Rand verbannt worden. Die Büste ist aus afrikanischem Elfenbein gefertigt, und daneben liegen Stoßzähne und ein paar Schriftstücke, die sich mit dem Elfenbeinhandel befassen. König Leopold II. gehört zu den Monstern der westlichen Welt. Bis 1908 konnte er den Kongo-Freistaat als sein persönliches Eigentum ausbeuten, die riesige Landmasse war ihm 1885 auf der Berliner Konferenz von den europäischen Mächten zugesprochen worden. Reichskanzler Bismarck hatte zur Aufteilung Afrikas geladen.

Aus dem Kongo wurde Elfenbein und vor allem Kautschuk herausgeholt, ohne Rücksicht auf die Menschen. Millionen Afrikaner sollen durch Leopolds Freistaatpolitik gestorben sein, man weiß es nicht genau, es waren ja nur Sklavenmenschen. Dagegen: 1508 Belgier ließen im Kongo in jenen Jahren ihr Leben. Ihre Namen finden sich im Museum von Tervuren, auf dem Gelände von Leopolds Landsitz nahe der belgischen Hauptstadt, fein säuberlich auf einer Wand dokumentiert.

Keine Frage, dieser Ort ist kontaminiert

Die rassistische Praxis hatte in Tervuren ein geistiges Zentrum. Und immer auch dabei das Element des Sensationellen, Exotischen: 1897 lebten einige hundert Menschen aus dem Kongo hier in einem jener zoos humains, wie sie damals in Europa noch bis weit ins 20. Jahrhundert üblich waren. Es war der Ausgangspunkt des Kolonialmuseums. Keine Frage, der Ort ist kontaminiert. Fünf Jahre dauerten die Umbauarbeiten, 70 Millionen Euro hat der belgische Staat ausgegeben, um eine Form zu finden, wie mit dem kolonialen Erbe im 21. Jahrhundert umgegangen werden kann. Der Kongo war noch bis 1958 belgische Kolonie.

Über einen eleganten gläsernen Pavillon betritt man jetzt das Museum, geht unter der Erde durch eine Art historischer Schleuse und liest die Schrift an der Wand – dass alles vergeht, nur nicht die Vergangenheit. In ein Gruselkabinett wurden die rassistischen Propagandastatuen gesteckt; Bilder von mörderischen Wilden, übelste Klischees. Im strahlend hellen Eingangsbereich wird neben dieser Asservatenkammer die Geschichte des Museums aufgezeigt, sehr knapp allerdings.

Dabei geht es um europäische Fragen. Um Grundsätzliches in der Museumspolitik. Um Raubkunst: Rückgabeforderungen aus Afrika liegen in Tervuren im Moment nicht vor. Das hat seinen Grund auch darin, dass dieses Museum – kaum sichtbar für das Publikum – eine Forschungseinrichtung ist und seit Jahren schon mit afrikanischen Museen und Universitäten assoziiert ist. 85 Wissenschaftler arbeiten hier, Historiker, Ethnologen, Biologen, Linguisten, ein kleiner Teil aber nur mit afrikanischem Hintergrund.

Die Archive von Tervuren besitzen enorme Ausmaße, sie sind ein Teil der Geschichte Zentralafrikas. In den Sammlungen befinden sich über 12 0000 Artefakte, und nur ein Prozent ist in der neu präsentierten Ausstellung zu sehen, Masken vor allem und Statuen von außergewöhnlicher Qualität. Restitution sollte also kein Problem sein. In Kinshasa steht ein neues Nationalmuseum vor der Fertigstellung. Über 80 Prozent des afrikanischen Kulturguts liegt in Museen und Sammlungen außerhalb des Kontinents. Das ist die Richtgröße in dieser Jahrhundertdiskussion.

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