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Kultur - 06.07.2019

Meister der Beats

DJ wollte er werden, als Maler machte er Karriere: Eberhard Havekost ist überraschend gestorben.

Entgrenzungsgefühle. Eberhard Havekost 2013 im Duisburger Museum Küppersmühle vor seinem Bild „We are Ocean“.

Vor allem an die Besuche in seinem riesigen Atelier am Berliner Flutgraben werde ich mich erinnern. Musik waberte durch den Raum und diktierte ihm den Rhythmus seines Pinsels. Zwischen den Bildern auf dem Boden lagen Berge von Büchern: Bacon, van Gogh, Palermo, Brandl. Die Beats von Eberhard Havekosts selbstgemixter elektronischer Musik verbinden sich für mich mit unseren Gesprächen in dem hallenartigen Raum. Der Maler in seinem Sessel. Um ihn herum eine Armada von unzähligen leeren Club-Mate-Flaschen. Stille Zeugen von leidenschaftlichen Diskussionen über den Sinn von Kunst.

Mit seiner Professur in Düsseldorf – einst hatte man ihn dort als Studenten abgelehnt – setzte er ab 2010 Maßstäbe. Mit dem Neuen Wilden Herbert Brandl verband ihn durch seine Professur in Düsseldorf eine tiefe Freundschaft. Er wurde zur prägenden Figur für digitale Welten auf der Leinwand. Denn er sah das Internet-Zeitalter kommen und thematisierte dessen Herausforderungen, als er in seinem zuletzt gemalten Bilderzyklus mit einem Blick in den Urwald auch schon ein Post-Internetzeitalter beschwor.

„Benutzeroberflächen“ nannte Havekost seine Gemälde. Sie zeigten immer auch die medialisierte Welt, unterkühlt und ausschnitthaft. Baumstämme, Mondsteine, Computerbildschirme und Werbefotos: Havekost hinterlässt einen Kosmos von Interpretationsspielräumen. Diese oft in eine andere Realität gezoomten Sujets ließen ihn zu einem der wichtigsten Vertreter einer weltweit neuen figurativen Malerei werden.

Enges Verhältnis zu Österreich

Wie kaum einem anderen Künstler gelang dem 52-Jährigen ein spektakulär anderer Blick auf die Realität. Dabei bewegte er sich immer auch im Spannungsverhältnis zwischen figürlicher und gegenständlicher Malerei, die in jüngerer Zeit auch in informelle Abstraktionen mündete und bis zur Konzeptkunst reichte. Dabei scheute Eberhard Havekost auch nicht die Auseinandersetzung mit österreichischen Künstlerkollegen der analogen Welt wie Hermann Nitsch, Arnulf Rainer, Rudolf Polanszky und Helmo Zobernig in „Havekost meets Austria“. Aktuell ist er in der Ausstellung „Now is the Time“ im Kunstmuseum Wolfsburg zu sehen.

Heute verteilen sich seine schwer zu entschlüsselnden Bilder auf zahlreiche internationale Sammlungen rund um den Erdball. Sie gehören zur kalifornischen Rubell Family Collection, aber auch deutsche und österreichische Großsammler haben sie erworben: Heiner Bastian, Frieder Burda, Karlheinz Essl, Ingvild Goetz und viele andere.

An so viel Aufmerksamkeit war lange nicht zu denken. Der 1967 in Dresden-Hosterwitz geborene und in einem Künstlerhaushalt aufgewachsene Havekost absolvierte zunächst eine Lehre zum Steinmetz, bevor er sich dem Kunststudium zuwandte. 1989 floh er über Budapest in den Westen, kehrte Anfang der neunziger Jahre aber zum Studium an die Hochschule für Bildende Künste in Dresden zurück.

Angehörige, Freunde und die Schüler seiner Düsseldorfer Meisterklasse sind erschüttert über seinen plötzlichen Tod am vergangenen Freitagmittag. „Es ist einer der ganz Großen von uns gegangen“, sagt sein Galerist Frank Lehmann aus Dresden, „ein enger Freund und inspirierender Geist. Wie kaum ein Anderer schuf er Kompositionen, die vom Wissen und der Skepsis unserer heutigen digitalen Welt geprägt waren.“ Zuletzt ging seine Ausstellung bei CFA Berlin zu Ende. Die Einzelpräsentationen bei Robert Project in Los Angeles, Anton Kern in New York und in Dresden entfallen. Doch schon ist eine große Retrospektive geplant. Man wird ihnen also hoffentlich bald wieder begegnen, seinen unvergleichlichen Beats und den Rhythmen seines Pinselstrichs.

Der Autor kuratierte 2018 Havekosts letzte institutionelle Einzelausstellung im Österreichischen Kulturforum.

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