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Wirtschaft - 24.01.2019

Neue Landwirtschaft: Hat die Zukunft in den Niederlanden schon begonnen?

Im Jahr 2050 sollen knapp zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Wie wird man sie ernähren können? Die Niederlande zeigen heute schon, wie die Landwirtschaft der Zukunft aussehen könnte.

Die Niederlande sind ein kleines Land mit einer hohen Bevölkerungsdichte. Rund ein Viertel der Fläche des Landes liegt unterhalb des Meeresspiegels. Man braucht  Tausende Kilometer Deiche, um die Gebiete vor Fluten zu schützen. Und gerade hier soll die Lösung für eine der größten Aufgaben der Menschheit zu finden sein?

Einige Landwirte und Agrarwissenschaftler im Land sind jedenfalls davon überzeugt. Von der Art und Weise, wie hier Anbau betrieben wird, sagen sie, kann die Welt lernen, die voraussichtlich 9,6 Milliarden Menschen, die im Jahr 2050 die Erde bevölkern werden, zu ernähren.

Dieses Selbstbewusstsein kommt nicht von ungefähr. Denn die Niederlande sind nicht nur für farbenfrohe Tulpen oder klackernde Holzschuhe bekannt, sondern vor allem auch für ihren Export von Gemüse. Tatsächlich ist das kleine Land nach den USA der zweitgrößte Exporteur der Welt. Rund sechs Milliarden Euro setzen die Obst- und Gemüsebauern im Jahr mit ihren Produkten um. Zwiebeln und Kartoffeln, aber auch einige Gemüsearten, die sonst eher im Süden Europas gedeihen, wachsen hier: Tomaten, Paprika und Chilis gehören zu den meistverkauften Produkten.

Der Anbau findet vor allem in Gewächshäusern statt und ist eine Wissenschaft für sich. Die Technologie dahinter wird als Precision Farming bezeichnet – sie ist die fortschrittlichste Technologie der Welt, sagt die niederländische Agrarindustrie.

Im niederländischen Westland bauen Landwirte ihre Tomaten nicht in der Erde, sondern in solchen Säcken an

Alte Technologie neu gedacht

Am Anfang der modernen Gemüsezucht im Gewächshaus standen gediegene Herren, die Ananas essen wollten. Und tatsächlich entstand das erste Gewächshaus, in dem es möglich gewesen sein muss, diese tropischen Früchte zu kultivieren, bereits im Jahr 1682 in Amsterdam.

Die Gewächshäuser wurden für die Niederlande erst später überlebenswichtig. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten die Niederländer verstärkt auf den Anbau hinter Glas, um nie wieder einen Hungerwinter erleben zu müssen. In den letzten Monaten der deutschen Besatzung starben bis zu 20.000 Menschen.

Heute werden rund 80 Prozent der Produkte im südlichen Teil Westlands in Gewächshäusern angebaut, in denen jede Menge Technik steckt – wie etwa beim Anbauunternehmen Duijvestijn Tomatoes. Dort biegen sich die Ranken der Pflanzen unter dem Gewicht ihrer roten, gelben, grünen und dunkelvioletten Früchte. Wer in die Gewächshäuser rein will, muss als Besucher aus Hygienegründen einen Schutzanzug tragen.

„Insgesamt hat die Anlage eine Länge von 13 bis 14 Metern und produziert etwa 33 Tomatenstauden“, sagt der Chef des Unternehmens, Ad van Adrichem.

Damit erreichen die Gewächshäuser in Westland Erträge von 70 Kilogramm Tomaten pro Quadratmeter Anbaufläche. Das ist knapp das Zehnfache des durchschnittlichen Ertrags in anderen Ländern – Spanien oder Marokko zum Beispiel, wo die Gemüse auf offenen Feldern angebaut werden. Dazu kommt die niederländische Methode praktisch ohne Pestizide aus, und sie braucht im Vergleich zum Anbau draußen auch achtmal weniger Wasser. 

Statt Pestiziden werden natürliche Fressfeinde ins Rennen geschickt, um Schädlinge zu bekämpfen

Alternative Ansätze

Ein Erfolgsgeheimnis der niederländischen Tomaten ist dort versteckt, wo sie Wurzeln schlagen. Anders als sonst üblich stecken sie nicht im Erdboden, sondern in kleinen Tüten mit Steinwolle, also genau dem Material, das auch zur Isolierung und Schalldämmung verwendet werden kann.

„Damit hat man viel mehr Kontrolle“, so van Adrichem. „Wir können die Menge der Nährstoffe, die die Pflanze braucht, besser steuern, genauso die Wassermenge.“

Die Gewächshäuser selbst sind mit allen technischen Schikanen ausgestattet. So hat Duijvestijn Tomatoes in ein Doppelglasdach investiert, das mehr Wärme speichert und gleichzeitig so viel Licht durchlässt, dass auch die unteren Blätter der Pflanzen genug Sonne abbekommen.

Geothermische Quellen sorgen dafür, dass die Temperatur in den Gebäuden nicht zu hoch und nicht zu niedrig ist.

Um den CO2-Bedarf der Pflanzen zu decken, werden die Gase aus einer Erdölraffinerie umgeleitet – damit wird der CO2-Gehalt in der Luft verdoppelt. Sollte die Sonne einmal nicht scheinen, sorgen LED-Leuchten für künstliches Tageslicht, das auch bis in die Nacht hinein strahlt.

Die Bewässerung besteht aus purem höllandischen Regen, der für trockene Zeiten in einer unterirdischen Sandschicht gespeichert wird. Sollten Schädlinge auftauchen, setzt das Unternehmen nicht auf Pestizide, sondern Insekten. Sogar Bienenstöcke gibt es hier, deren Bewohner die Bestäubung der Pflanzen übernehmen.

Leo Marcelis steht in einem seiner experimentellen Gewächshäuser – hier wachsen Pflanzen auch ohne Sonnenlicht

Durch all diese technischen Hilfsmittel und aufeinander abgestimmten Systeme wirkt es so, also würde nichts dem Zufall überlassen. Man könnte auch von Legebatterien für Pflanzen sprechen, in denen die Natur keine allzu große Rolle mehr spielt oder spielen muss. Und es gibt diese Stimmen. Herman van Bekkem zum Beispiel sieht nicht nur Gutes an den Methoden. Er kümmert sich für Greenpeace im Land um die Themen Ernährung und Landwirtschaft.

„Natürlich sehen wir hier vielversprechende Beispiele dafür, wie Landwirte den Einsatz von Pestiziden verringern“, sagt er gegenüber der DW. „Aber wenn man sich die nackten Zahlen ansieht, zum Thema Wasserverschmutzung in den Niederlanden zum Beispiel, dann gibt es in keiner Region größere Verschmutzungen als da, wo die Gewächshäuser stehen.“ Seit vielen Jahren schon beklagten Wassermanager in Westland die großen Mengen an Pestiziden in Gewässern.

„Das kommt aber nicht von uns!“, verteidigt sich van Adrichem. „Wir haben hier einen geschlossenen Wasserkreislauf. Wir geben den Pflanzen genau so viel Wasser wie sie brauchen. Weil die Tomaten nicht in der Erde wachsen, kann auch nichts entweichen.“

Die Zukunft ist hochkant

Auch Leo Marcelis, Professor für Gartenbau an der Universität Wageningen (WUR), sieht in Anbaumethoden innerhalb von Gebäuden die Zukunft. Seine Universität ist so etwas wie der Forschungsstandort der niederländischen Lebensmittelindustrie. Für ihn sind vertikale Farmen der nächste Schritt, sagt er.

„Wir werden in der Zukunft solche Farmen haben. Sie werden so hoch sein wie die höchsten Gebäude und auch mit künstlichem Licht funktionieren“, sagt Marcelis. Das wären Einheiten, die so aufeinander gestapelt würden, wie man sie braucht. Sie würden völlig losgelöst vom Klima draußen funktionieren und zuverlässig Erträge liefern, so Marcelis.

Studenten aus der ganzen Welt forschen an der Universität Wageningen an der Zukunft der Landwirtschaft

Die Hälfte der WUR-Studenten kommen aus anderen Ländern als den Niederlanden. Viele werden ihre Erfahrungen mitnehmen, nach Afrika, nach Asien. Dort gäbe es viele Einsatzmöglichkeiten für die Techniken, sagt Ernst van den Ende, der die Abteilung für Pflanzenwissenschaften an der WUR leitet. Als Beispiel führt er ein Projekt an, an dem er und sein Team in Afrika arbeiten. Dabei geht es um die Optimierung des Zusammenwirkens von Bohnen mit einem bestimmten Bakterium, das in der Lage ist, Stickstoff aus der Luft zu ziehen. Stickstoff ist ein entscheidender Nährstoff für Pflanzen.

„Wenn wir diese Symbiose optimieren, dann werden wir in der Lage sein, die Ernte zu erhöhen, ohne Dünger einsetzen zu müssen“, sagt der Forscher.

Das Hauptziel seiner Arbeit sei, dem Hunger der Menschen ein Ende zu setzen, sagt er. Wie es seine Großeltern auch nach dem Zweiten Weltkrieg in den Niederlanden geschafft haben. „Meine Großmutter musste für einen Sack Rosenkohl noch 80 Kilometer weit fahren“,  erzählt der Forscher. Mit technischen Entwicklungen aus den Niederlanden werde so etwas nie mehr nötig sein, da ist er sicher.


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    Autorin/Autor: Marco Müller


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