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Politik - 08.06.2019

Werden jetzt mehrAsylbewerber abgeschoben?

Gleich sieben Mal stimmt der Bundestag am Freitag über Gesetze zu Migration und Asyl ab.

Schon vor der Abstimmung im Bundestag war das sogenannte Migrationspaket umstritten. Kurz vor den Beratungen über die Gesetze versuchten die Grünen und die Linke das Paket von der Tagesordnung zu nehmen. Ihr Antrag an die Geschäftsordnung des Bundestages scheiterte allerdings. Sie hatten das Verfahren und den hohen Zeitdruck für die Abgeordneten kritisiert. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte für die Abstimmungen.

Die erste der insgesamt acht Reformen – das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ ist bereits beschlossen. Für den Entwurf der Regierung stimmten 372 Abgeordnete, dagegen 159. Es gab 111 Enthaltungen. Sechs weitere Gesetzesentwürfe aus dem Paket sollen heute noch beschlossen werden.

Aber worum geht es in dem Migrationspaket? Was soll sich ändern? Warum steht kurz vor den Abstimmungen darüber vor allem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU, 69) in der Kritik?

BILD beantwortet sechs Fragen rund um das Migrationspaket:

Was ändert sich für Asylbewerber in Deutschland?

Einige von ihnen erhalten etwas mehr Geld, weil die Lebenshaltungskosten seit der letzten Anpassung gestiegen sind. Alleinstehende oder Alleinerziehende sollen künftig statt 135 Euro pro Monat 150 Euro erhalten. Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften bekommen dagegen weniger Geld – so als lebten sie in einer Partnerschaft. Für sie gilt demnächst ein Regelsatz von 136 Euro pro Monat.

Außerdem sollen Bewohner von Erstaufnahmeeinrichtungen dort länger bleiben – anstatt sechs bis zu 18 Monate. Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern und „Identitätstäuscher“ sollen noch länger in den großen Einrichtungen bleiben.

  • Wirbel um Seehofer-Satz

    „Man muss Gesetze kompliziert machen …“

    War das nun Ironie – oder, wie seine Kritiker vermuten, ein schräges Demokratie-Verständnis, an der Grenze zur Wähler-Verachtung?

Werden demnächst mehr Asylbewerber abgeschoben?

Das ist zumindest die Hoffnung der Bundesregierung. Vor allem die Union sieht hier großen Handlungsbedarf, nachdem 2018 mehr als jede zweite Abschiebung gescheitert war. Deshalb gilt bald laut „Migrationspaket“:

▶︎ Abschiebekandidaten können in regulären Haftanstalten – allerdings getrennt von Strafgefangenen – untergebracht werden. Das gilt allerdings nur, wenn die vorgesehenen speziellen Einrichtungen fehlen.

▶︎ Abschiebekandidaten kommen außerdem schneller in Ausreisegewahrsam – und zwar schon, wenn das festgelegte Ausreisedatum um 30 Tage überschritten ist. Außerdem bekommen Behörden erstmals ein bundesweites Recht, um auf der Suche nach Abzuschiebenden Wohnungen zu betreten.

▶ ︎Behördenmitarbeiter, die Asylbewerber vor einer Abschiebung warnen, machen sich künftig strafbar. Mitarbeiter von Flüchtlingsgruppen und Journalisten können sich unter Umständen wegen Anstiftung oder Beihilfe strafbar machen.

▶ ︎Für sogenannte „Identitätstäuscher“, die ihre Abschiebung durch falsche Angaben verhindern wollen, gibt es künftig den neuen Status einer „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ vor. Damit verbunden sind Wohnsitzauflagen, Arbeitsverbot und sogar Bußgelder.

  • Nach monatelangem Streit

    Bund und Länder einig bei Flüchtlingskosten

    Nach vielen Diskussionen und einem Vorstoß von Finanzminister Olaf Scholz konnten sich Bund und Länder auf die Kostenverteilung einigen.

▶ ︎Das Datenaustauschgesetz soll außerdem verhindern, dass Zuwanderer wegen unklarer Schreibweise unter verschiedenen Namen registriert werden. Hier geht es vor allem darum, dass die Nummer, mit der ein Ausländer in dem Register gespeichert ist, zwischen verschiedenen Behörden übermittelt werden darf.

Dass deutlich mehr abgelehnte Asylbewerber ohne Duldung abgeschoben werden, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Denn die mangelnde Unterstützung der Herkunftsländer bei der Identifizierung und Rücknahme ihrer Staatsbürger erschwert viele Abschiebungen weiterhin – und daran ändern auch die Reformen nichts.

Für wen wird der Zugang nach Deutschland leichter?

In vielen Branchen herrscht Personalmangel – vor allem bei ausgebildeten Fachkräften. Die Einreise von qualifizierten Arbeitnehmern aus Ländern außerhalb der EU soll deshalb erleichtert werden:

Die bisher geltende Beschränkung auf Mangelberufe entfällt. Außerdem muss der Arbeitgeber nicht mehr nachweisen, dass er keinen Deutschen und auch keinen EU-Bürger gefunden hat, der den Job machen könnte. Qualifizierte Migranten können außerdem für eine kurze Zeit nach Deutschland kommen, um sich einen Job zu suchen. Sie brauchen keinen Arbeitsvertrag mehr wie bisher.

Und weil IT-Spezialisten heiß begehrt sind, gibt es für sie eine Sonderregelung. Sie dürfen auch ohne Ausbildung einreisen – vorausgesetzt sie können nachweisen, dass sie im Ausland schon mehrere Jahre in der Branche gearbeitet haben.

Was ist mit abgelehnten Asylbewerbern, die Arbeit haben?

Wenn Asylbewerber einen festen Job haben, über einen längeren Zeitraum selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen und Deutsch sprechen, bekommen sie eine „Beschäftigungsduldung“. Bisher gilt das aber nur, wenn die Bewerber vor dem 1. August 2018 eingereist sind. Darüber hinaus wird auch die „Ausbildungsduldung“ für Menschen, die eine Ausbildung angefangen haben, auf bestimmte Helferberufe ausgeweitet.

Warum steht Seehofer für das Migrationspaket in der Kritik?

Schon vor dem Abstimmungstag hatten Mitglieder der Grünen und Linken und auch zivilgesellschaftliche Organisationen das Gesetzespaket kritisiert. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) bezeichnete das Paket am Donnerstag als „mangelhaft und praxisfern“. Es fehlten in den Gesetzen bessere Chancen für gut integrierte geduldete Asylbewerber. „Das ist nicht nur humanitär unverantwortlich, sondern auch volkswirtschaftlich dämlich.“

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl kritisierte dagegen vor allem die Pläne für eine leichtere Abschiebung. Das dazugehörige „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ öffne „den Weg für schrankenlose Inhaftierungen und Abschiebungen nach vorheriger Entrechtung und Isolation“ in Erstaufnahmeeinrichtungen, kritisierte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte warf dem Gesetz „weitreichende Einschnitte in die Grund- und Menschenrechte von Geflüchteten und Migranten“ vor.

Bundesinnenminister Horst Seehofer erklärte sich am Donnerstagabend zum Migrationspaket – verschärfte die Situation damit aber zusätzlich: Zum Datenaustausch-Gesetz zu Ausländern sagte er, er habe das Gesetz „ganz stillschweigend“ eingebracht. Er habe in den vergangenen 15 Monaten gelernt: „Man muss Gesetze kompliziert machen, dann fällt das nicht so auf.“ Daraufhin erklärte Seehofer gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, er habe seine Bemerkung „leicht ironisch“ gemeint. In den sozialen Medien und bei der Opposition löste der Kommentar dennoch Empörung aus.

"Man muss Gesetze kompliziert machen." Bundesinnenminister @der_Seehofer erklärt, wie man bei Gesetzen Widerspruch umgeht. Im Bundestag wird morgen mit dem #Migrationspaket auch über sein Datenaustauschgesetz abgestimmt. #KongressWehrhafteDemokratie pic.twitter.com/GKbQCaW5wc

— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) June 6, 2019

Ist damit das ganze Paket beschlossen?

Am Freitag werden nur sieben der acht Reformen beschlossen. Über Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht soll am Monatsende abgestimmt werden. Hier geht es darum, Doppelstaatlern, die sich einer Terrormiliz anschließen, den deutschen Pass wegzunehmen. Wer in einer Mehrehe lebt, darf nicht eingebürgert werden. Identitätstäuscher können in den ersten zehn Jahren nach der Einbürgerung die Staatsbürgerschaft verlieren, wenn die falschen Angaben bemerkt werden. Diese Regelung geht bisher fünf Jahre lang.

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