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Politik - 17.11.2018

Misstrauensvotum gegen May wackelt wieder

Nötige Zahl von 48 Partei-Rebellen noch nicht erreicht ++ May warnt vor Chaos-Brexit ++ Briten-Blätter staunen über ihren Kampfgeist und Humor++ May ernennt neuen Brexit-Minister

Das Misstrauensvotum gegen Theresa May wackelt wieder!

Die für ein innerparteiliches Misstrauensvotum gegen May nötigen 48 Anträge aus dem Lager der konservativen Torys seien entgegen der Einschätzung am Vormittag (und der vollmundigen Behauptungen der May-Gegner) doch noch nicht eingegangen, berichtete die BBC.

Dem Lager der parteiinternen Gegner Mays werden 80 Abgeordnete zugerechnet, am Protest gegen Mays Brexit-Weißbuch („Chequers-Plan“) beteiligten sich 52 Konservative. Bislang sind 22 Rebellen, die das Misstrauensvotum stützen, namentlich bekannt, darunter Mays schärfster Kritiker Jacob Rees-Mogg.

Laut „Telegraph“ sollte das Votum nach Vorstellung von Mays Gegnern eigentlich bereits am Dienstag stattfinden. Steve Baker, einer der treibenden Kräfte des Referendums, sagte nun aber, viele Verfechter eines harten Brexits wollten das Wochenende nutzen, ihre Entscheidung reifen zu lassen.

Bedeutet: Das Misstrauensvotum könnte platzen.

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Die beste Nachricht des Tages für May: Der einflussreiche Umweltminister Michael Gove (51) schloss am Freitag einen Rücktritt im Zusammenhang mit dem Brexit-Deal aus – und stärkte May damit den Rücken. Der EU-skeptische Politiker kündigte an, sich für ein „gutes Abkommen“ einzusetzen.

Neuer Brexit-Minister ernannt

Am Freitagabend ernannte May dann einen neuen Brexit-Minister. Der bisherige Gesundheits-Staatssekretär Stephen Barclay soll den Posten übernehmen. Er soll sich darum kümmern, den Ausstiegsvertrag durchs Londoner Parlament zu bringen. Die letzten Tage der Verhandlunen mit der EU werde May selbst leiten.

So läuft die Vertrauensfrage

Kommt es tatsächlich zum Misstrauensvotum, müsste eine Mehrheit der 315 Abgeordneten gegen May stimmen, um sie aus dem Amt zu drängen. Das gilt für viele Beobachter trotz aller Kritik an ihrem Brexit-Kurs als unwahrscheinlich. Setzt May sich durch, könnte sie ihren Brexit-Plan weiter vorantreiben. Ein Jahr lang darf es dann kein weiteres Misstrauensvotum gegen sie geben.

Wird May geschasst, müssen die Parteimitglieder einen neuen Tory-Chef bestimmen – die Abgeordneten nominieren dafür zwei Kandidaten. Dieser Prozess dauert normalerweise Wochen und könnte den derzeitigen Brexit-Zeitplan sprengen. Ein neuer Premierminister könnte außerdem eine neue Verhandlungsphase mit Brüssel fordern.

Am Vormittag hatte die britische Premierministerin noch um Unterstützung im Parlament für den umstrittenen Entwurf des EU-Ausstiegsvertrags geworben. Wenn das entscheidende Votum (nach bisherigen Plänen im Dezember) anstehe, stimme jeder Abgeordnete unabhängig ab, sagte sie. Hintergrund: May hofft, eine größere Zahl von oppositionellen Labour-Abgeordneten umstimmen zu können.

Kein Bruch der Koalition

Sie arbeite auch weiter mit der nordirischen Protestantenpartei DUP zusammen, betonte May. Die DUP kritisiert die Regierungschefin derzeit scharf. Mays Regierung ist im Parlament auf die Unterstützung der DUP angewiesen.

Mays Kabinett stimmte am Mittwoch dem EU-Ausstiegsvertrag zu, obwohl ein Drittel der Anwesenden rebellierte. Sechs Regierungsmitglieder und ein Partei-Vize traten zurück, im Parlament musste May sich am Donnerstag drei Stunden lang Vorhaltungen machen lassen.

Am Ende schien eine Mehrheit für ihren Plan für einen geordneten, „weichen“ Brexit fast aussichtslos: „Premierministerin, das ganze Haus akzeptiert, dass Sie Ihr Bestes gegeben haben. Aber es ist mathematisch unmöglich, dieses Abkommen durch das Unterhaus zu bekommen“, sagte der einflussreiche Tory-Abgeordnete Marc Francois, der zu den Initiatoren des Misstrauensvotums zählt.

Neuwahlen oder zweites Brexit-Referendum?

Sollte May über das Misstrauensvotum stürzen, könnte der von EU-Ratspräsident Donald Tusk einberufene EU-Sondergipfel am 25. November noch platzen. Dort soll der Deal politisch festgezurrt werden.

Unter den Szenarien, die nach einem vorzeitigen Sturz der May-Regierung oder einer Schlappe beim entscheidenden Brexit-Votum im Dezember einsetzen könnten, kursieren auch Neuwahlen und/oder ein zweites Brexit-Referendum.

Die von vielen gefürchtete Alternative wäre ein Brexit ohne Abkommen, der die britische Wirtschaft hart treffen und sogar wegen der ungelösten Grenzfrage den Nordirland-Konflikt (3000 Tote bis zum Jahr 1998) neu entfachen könnte.

„Jeder Deal ist besser als kein Deal“, sagte Rolls-Royce-Chef Warren East am Freitag. Handelsminister Liam Fox sagte der BBC, die Regierung sei „nicht dafür gewählt worden, das zu tun, was sie machen wolle, sondern das, was im Interesse des Landes ist“.

Briten beeindruckt von Mays Kampfgeist

Am Donnerstag waren die britischen Zeitungen voll Respekt wegen des Kampfgeistes, den Theresa May bewiesen hatte: Obwohl sie es mit ihrem Brexit-Plan offenbar keinem einzigen ihrer 66 Millionen Landsleuten recht machen konnte, die parteiinterne Auseinandersetzung längst zum Psycho-Drama geworden ist, zeigte sie Selbstbewusstsein, Stolz und sogar Humor.

Im Parlament antwortete sie auf die verschwurbelte Frage eines Abgeordneten, ob es nicht an der Zeit sei, zum Wohl eines geeinten Landes „zur Seite zu treten“, nach einer Kunstpause mit einem trockenen „No“.

"Isn't it time you stood aside?" @theresa_may answers bluntly "no".

Follow the prime minister's address here: https://t.co/YxaioGtQKn pic.twitter.com/LDbBVuROxr

— Sky News Politics (@SkyNewsPolitics) November 15, 2018

Und bei der Pressekonferenz am Abend lachte sie mehrfach herzlich, verglich sich mit der Kricket-Legende Geoffrey Boycott, der für sein Durchhaltevermögen bekannt war: Auf die Frage, wie viele Schlagmänner sie noch verlieren müsse, bevor sie als „Kapitänin“ zurücktrete, sagte sie: „Geoffrey Boycott ist dabei geblieben. Und er hat die Runs am Ende gewonnen.“

Sie werde die Sache durchstehen und den besten Deal für Großbritannien herausholen.

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Das beeindruckte sogar das Brexit-Kampfblatt „The Sun“, nachdem sie über Monate selbst jedes Zugeständnis Mays an die EU-Seite torpediert hatte: „Lassen Sie uns sagen, dass wir die außerordentliche Widerstandsfähigkeit und sogar die gute Laune bewundern müssen, die sie gestern stundenlang gezeigt hat, als ihre Regierung, ihre Partei und ihr Plan auseinanderfielen“, schrieb die Zeitung.

„Einsame May taumelt weiter“

„Die einsame May taumelt weiter“, titelte hingegen die „Times“.

Und gab die Richtung für einen möglichen Neuanfang vor, falls Mays tatsächlich stürzt: „Es ist klar, dass es viele Tories gibt, die nicht bereit sind, den wirtschaftlichen und geopolitischen Schock eines Brexit ohne Abkommen mit der EU zu riskieren. Sollten die Brexit-Verfechter es schaffen, Großbritannien (…) in Richtung der No-Deal-Klippen zu steuern, sind sie entschlossen, diesen Kurs zu stoppen. Eine Option wäre es für diese Tories, die Kräfte mit Labour und anderen Parteien zu vereinen und dann Mays EU-Deal unter einem neuen Label vorzulegen. (…) Die andere Option wäre die Unterstützung eines zweiten Referendums.“

„Die eiserne Lady“

Auch die Kompaktausgabe der Zeitung „Die Welt“ würdigte Mays Kampfgeist, bemühte gar einen Vergleich mit Margaret Thatcher (†2013), der im Amt als Premierministerin ein knallharter Ruf vorauseilte:

„Schluss mit dem Horrorfilm“

Vernichtende Worte für das inzwischen zweijährige Gezerre um den richtigen Brexit-Kurs fand die Nachrichten-Agentur Bloomberg: Sie verglich das „actionreiche“ Spektakel im politischen London mit einem „Horrorfilm“, den man besser durch ein zweites Referendum und das Abblasen des Brexit beenden sollte.

„Das Brexit-Debakel zu sehen ist wie ein Horrorfilm, bei dem es offensichtlicher ein kluger Zug wäre, nicht in den Keller zu gehen, weil es einem jede Menge Probleme/den Tod ersparen würde. Aber die Filmfiguren machen immer wieder das Falsche“, heißt es in dem Bloomberg-Kommentar.

Umfragen zufolge ist inzwischen eine dünne Mehrheit der Briten gegen den EU-Austritt.

#Brexit has collided with reality and now the cowardly bastards who plotted its course scramble for the lifeboats squealing ‘it’s all her fault! We could have magicked the icebergs away!’

This is a crisis. The country has the right to speak again. We need a #PeoplesVote.

— J.K. Rowling (@jk_rowling) November 15, 2018

Zu den prominentesten Stimmen, die ein neues Brexit-Referendum fordern, zählt Harry-Potter Erfinderin J.K. Rowling (53). In einem Tweet attackierte die Autorin die Brexit-Initiatoren, die nun alle Schuld auf sie (gemeint ist offenbar Theresa May) schieben würden, als „feige“: „Dies ist eine Krise. Das Land hat das Recht, neu zu sprechen“.

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