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Politik - 04.07.2019

Knutsch-Attacke aufvon der Leyen

Designierte neue EU-Chefin trifft Noch-Amtsinhaber in Brüssel – Ratspräsident Tusk stellt sich frustrierten EU-Abgeordneten – Zeichen in der GroKo stehen auf Sturm

Quelle: Reuters
0:48 Min.

Neuer Tag im EU-Posten-Poker!

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (60, CDU) kommt in Brüssel mit Noch-EU-Chef Jean-Claude Juncker zusammen. Der scheidende Kommissionspräsident empfing seine mögliche Nachfolgerin kurz nach halb elf.

Juncker zeigte sich bei der Begrüßung mal wieder überschwänglich zärtlich. Und von der Leyen spielte mit, lachte, ließ sich herzen und knutschen. Arm in Arm posierten sie für die Fotografen, zeigten sich fröhlich, wirkten glücklich – völlig im Kontrast zum Posten-Krimi hinter den EU-Kulissen. Er drückte seine Hand fest auf ihre Schulter. Sie klopfte auf seinen erdrückenden Handrücken, möglicherweise als Zeichen dafür, er möge damit aufhören. Doch sie hörte dabei nicht auf zu lächeln, umarmte ihn weiter um die Taille. Fragen von Journalisten wurden nicht beantwortet: Das Politiker-Pärchen zog sich nach dieser euphorisch-herzlichen Show für Beratungen zurück.

Zur Stunde läuft eine Plenarsitzung im Parlament in Straßburg, die Ratspräsident Donald Tusk eröffnete. Er versprach, die Grünen im EU-Parlament in der Entscheidungsfindung für die neuen EU-Ämter einzubinden und rief diese zur Kooperation auf.

„Grün symbolisiert in vielen Ländern die Hoffnung und die Freiheit“, sagte er. Er habe den Glauben daran, dass am Ende eine zufriedenstellende Lösung gefunden werde.

Am Nachmittag (14.30 Uhr) wird auch Donald Tusk Ursula von der Leyen treffen.

Tusk spürt: Der Frust vieler EU-Abgeordneter ist groß!

Denn: Die Personalie von der Leyen ist heftig umstritten. Vor allem die EU-Parlamentarier sind sauer über ihre spontane Ernennung zur Kandidatin für den Chef-Posten. Eine Mehrheit bei der Abstimmung im Parlament am 16. Juli ist ihr alles andere als sicher.

Der Grund: Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten bei ihrem erst am Dienstag beendeten Sondergipfel den Wunsch einer Mehrheit des Parlaments übergangen, nur einen der Spitzenkandidaten zur Europawahl zum Kommissionschef zu machen. Weder der Bewerber der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, noch der Sozialdemokrat Frans Timmermans fanden im Rat eine Mehrheit. Stattdessen wurde völlig überraschend von der Leyen nominiert. Sie braucht für ihre Wahl eine Mehrheit im EU-Parlament, wo es viel Widerspruch gegen die Nominierung gibt.

Am Mittwoch startete von der Leyen deshalb schon mal eine Werbetour im EU-Parlament in Straßburg, diskutierte mit den Fraktionsmitgliedern der christdemokratischen EVP, deren Vorsitzender Manfred Weber (CSU) sie eingeladen hatte. Außerdem traf sie den neu gewählten Präsidenten des Europaparlaments, den italienischen Sozialdemokraten David Sassoli.

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In den nächsten zwei Wochen wolle sie einen „intensiven Dialog“ mit den unterschiedlichen Fraktionen und Gruppen im Europaparlament führen, sagte von der Leyen nach dem Treffen mit Sassoli. Sie wolle „viel zuhören“ und dem Parlament dann in zwei Wochen ihre Vision von der EU darlegen. Europa müsse „in der Welt hörbar und sichtbar sein“, betonte von der Leyen. Dies sei eine der wichtigen Aufgaben für die nächsten Jahre.

Am Dienstag hatten die EU-Staats- und Regierungschefs von der Leyen vorgeschlagen. Doch Fakt ist: Von der Leyens Mehrheit im EU-Parlament wackelt! Sie muss jetzt um jede Stimme kämpfen – und tut das nun auch per Twitter.

Mit einen neuen Europa-Account geht die deutsche Kandidatin jetzt schon mal in die Offensive – HIER der erste Tweet:

Hallo Europa! Hello Europe! Salut l’Europe! 🇪🇺

— Ursula von der Leyen (@UvdLeyen) July 3, 2019

Auf ihrem Account @vonderLeyen beschreibt sich die CDU-Politikerin als Verteidigungsministerin, Kandidatin für das Amt der Präsidentin der Europäischen Kommission, siebenfache Mutter, geboren in Brüssel und „Europäerin von ganzem Herzen“.

SPD macht gegen Personalie mobil

Um die Abgeordneten zu überzeugen, will von der Leyen nun binnen 14 Tagen eine Vision für Europa präsentieren.

Ob das die kritischen Stimmen aber besänftigen wird – unklar! Etliche Abgeordnete kritisieren, dass nicht einer der Spitzenkandidaten der Europawahl Kommissionschef wird, sondern von der Leyen völlig unerwartet als Kandidatin von außen geholt wurde.

Vor allem die SPD macht gegen die Verteidigungsministerin mobil:

▶︎Die deutsche SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley hatte bereits angekündigt, bei der Abstimmung des Parlaments von der Leyen ihre Stimme zu verweigern.

▶︎Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann wertete es als Belastung für von der Leyen, dass sie davon profitieren könnte, dass rechtsregierte EU-Staaten wie Ungarn den bisherigen Vizepräsidenten der EU-Kommission, Franz Timmermans, als Chef verhindert hatten. „Das ist eine schwere Hypothek“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

▶︎Juso-Chef Kevin Kühnert sieht durch die Personalie von der Leyen sogar die GroKo gefährdet! Dass die Verteidigungsministerin gegen den Willen der SPD vom EU-Rat nominiert worden sei, werde Ende des Jahres bei der geplanten SPD-Halbzeitbilanz der Koalitionsarbeit eine Rolle spielen, sagte Kühnert am Donnerstag dem SWR. „Ereignisse wie in dieser Woche mit Ursula von der Leyen tragen nicht unbedingt zur Wahrscheinlichkeit bei, dass es die große Koalition am Ende des Jahres noch gibt“, sagte Kühnert. Allerdings hält er einen sofortigen Ausstieg der SPD aus der Regierungskoalition nach eigenen Worten nicht für sinnvoll.

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Selbst CSU-Politiker Weber sprach von einem „traurigen Tag für die europäische Demokratie“ und meinte: „Dieses Paket ist nicht mein Paket. Aber ich trage es loyal mit.“

ABER: Trotzdem signalisierte er für die EVP die Zustimmung zu von der Leyen. Auch die Liberalen könnten mitziehen, denn Macron selbst hatte die Verteidigungsministerin ins Spiel gebracht. Zusammen haben die beiden Fraktionen aber nur 290 der 751 Sitze.

Und die Grünen? Die Zustimmung ihrer 74 Abgeordneten scheint ebenfalls nicht ganz ausgeschlossen, doch würden sie wohl weitgehende Zugeständnisse fordern, vor allem beim Klimaschutz. Wie kategorisch die Lage bei den 154 Sozialdemokraten ist, war noch unklar. „Das ist wieder so einer von den alten Deals“, grummelte zunächst Grünen-Fraktionschefin Ska Keller zur von-der-Leyen-Nominierung.

Erste Posten werden besetzt

Während von der Leyen am Mittwoch aus Berlin direkt vom Kabinettstisch in die ersten Schritte in ihr neues Amt startete und nach Straßburg flog, wurden im Parlament bereits wichtige Entscheidungen getroffen.

Der italienische Sozialdemokrat David-Maria Sassoli (63) erhielt den Zuschlag für das Amt des Parlamentspräsidenten – zumindest für die ersten zweieinhalb Jahre! SPD-Spitzenpolitikerin Katarina Barley wurde als Vizepräsidentin gewählt, genauso wie Rainer Wieland von der CDU und FDP-Europapolitikerin Nicola Beer.

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