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Kultur - 03.12.2018

Wir hatten euch gewarnt

Röchelwürgen, umgedrehte Kreuze, Tötungsfantasien: Slayer in der ausverkauften Columbiahalle

In diesen Bärten kann man wohnen. Slayer mit Sänger Tom Araya, Gary Holt, Drummer Paul Bostaph und Kerry King.

„Repentless! Repentless!“ Ein heiseres Röchelwürgen schwappt aus Tom Araya. Jetzt gilt’s für den Kehlkopf des Slayer-Sängers, und auch auf die 24 500 Hals- und Nackenwirbel in der ausverkauften Columbiahalle kommen schwierige Zeiten zu.
Araya, 54, hat aus den knackenden Knochen der Vergangenheit gelernt: Sein Haupt hält er aufrecht wie ein Tänzer, die gepflegten Strähnen fallen wie in der Great-Lenghts-Werbung über seine lockeren Schultern. Das Headbangen hat er vor einigen Jahren eingestellt.
Dafür erfindet Araya jetzt Worte: „Repentless“ – was heißt das? „Bereuen“, „unbarmherzig“, äh…? Drei umgedrehte Kreuze über der Bühne deuten an, dass es um nichts Gutes geht. Der gebürtige Chilene lächelt. Der Teufel hat nur Quatsch gemacht, oder?
Nach „Hate Worldwide“ von dem 2009er Album „World Painted Blood“ (Grammy!) steht Araya da wie ein zufriedener Papa am rasenden Kinderkarussell. Die Kurzen freuen sich und winken ihm zu. Wollt ihr nochmal? Bitte sehr! Ich freue mich, wenn ihr euch freut! Er strahlt die Souveränität eines Mannes aus, der blutspritzend in der Reagan-Ära groß wurde und im Obama-Zeitalter Eingeweide regnen lässt.
Mag sein, dass die Pentagramme und die Tötungsfantasien nur Folklore sind – ein polizeiliches Führungszeugnis würde man ihm trotzdem nicht ausstellen. Tom Araya versäumt, seine Band vorzustellen. Eigentlich schade, denn jedes Mitglied hätte sein eigenes brüllendes Pommesgabelmeer verdient.

Kerry King leistet Unglaubliches, ein menschlicher Mähdrescher

Mittel- und Zeigefinger runterklemmen für Kerry King! Der begeisterte Schlangensammler, 51, ist nicht so kommunikativ gestimmt. Und wer kann schon sagen, wo der gezackte Bass des Gründungsmitglieds aufhört und seine Arme anfangen? Er leistet Unglaubliches, ein menschlicher Mähdrescher. Die Saat geht auf: Nach einer halben Stunde Aufwärmen wiegt sich der Innenraum der Halle wie ein Weizenfeld im Sturm. „Die By The Sword“, der unsterblichen Schüttelkracher aus dem Jahr 1983, ist ein vorläufiger Höhepunkt. Schlagzeuger Paul Bostaph, 51, will seine Zimbeln am liebsten zerhacken.
Manche behaupten, ihm fehle die Tightness seines Vorgängers Dave Lombardo, der Slayer vor zwei Jahren verlassen musste. Mal kurz das Silikon aus den Ohren friemeln und genau hinhören: Bostaph ist eine Maschine. Er sitzt von Teufels Gnaden auf dem Thron des Thrash Metals. Und er möchte auch andere an seinem Talent teilhaben lassen. Der Mann gibt Schlagzeugunterricht via Skype. Ein jeder, der im Besitz einer gültigen Kreditkarte ist, kann sich auf seiner Website dafür anmelden.
Dann ist da noch Gary Holt, 51, an der E-Gitarre. Er sprang erst vor kurzem für den offiziellen Angaben zufolge an einer Leberzirrhose verstorbenen Jeff Hanneman ein. Holts Riffs jaulen quälend lang, kaum stoppen sie in den kurzen Spielpausen, geht es weiter – unerbittlich, ein in sehr guten Momenten beinahe spielerischer Wettlauf mit Bostaphs Trommeln.

Ein Schaulauf des Maskulinen das alles, die Toilettenfrau auf dem Damenklo hat kaum etwas zu tun. Ein Paar, er in traditioneller Metal-Kutte, streitet sich im Außenbereich: „Aber ich hab’ dich doch gewarnt.“ Auf der Treppe zur Empore sitzt ein Mädchen im einzigen hellen Shirt des Abends und hält sich die Ohren zu.
Sie verpasst wahrscheinlich, wie Araya sich vor den Zugaben formvollendet fürs Kommen bedankt. „Thank you for sharing your time with us“, krächzt er ins Mikro und bewegt sich nach links und rechts, als trüge er eine unsichtbare Halskrause.
Zuletzt spielen Slayer – sie haben anscheinend wirklich auf dem Schirm, in welcher Stadt sie gerade sind – ihren fürchterlichsten Song: „Angel of Death“, starring Josef Mengele. Provokation muss sein. Auch ein Weg aus der Teddybärenfalle.

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