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Kultur - 09.06.2019

Was das Young Euro Classic zum großen Jubiläum bietet

Jeden Sommer verzaubert das Festival Young Euro Classic den Berliner Gendarmenmarkt. In diesem Jahr erscheint es so nötig wie nie.

Die musikalische JUgend der Welt trifft sich jeden Soomer zum Young Euro CLassic Festival im Konzerthaus am Gendarmenmarkt.

Es war einmal eine Gruppe von Freunden um die Unternehmensberaterin Gabriele Minz und die hatte eine Vision: Wie wäre es mit einer Feier Europas, voller junger Menschen, mit klassischer Musik, jeden Sommer und mitten im Herzen von Berlin? Was klingt, als hätte es sich jemand auf einer „Pulse of Europe“-Demo ausgedacht, stammt tatsächlich aus dem Jahr 2000. Damals wurde die Idee zum Festival Young Euro Classic geboren, und sie trägt ganz wunderbar bis heute. 2019 feiert das Festival seine 20. Ausgabe, und ebenso lange schon leitet Gabriele Minz die Veranstaltung, engagiert, umsichtig, eine allseits geschätzte Persönlichkeit.

Das Rezept ist im Grunde simpel: Jedes Jahr in den Sommermonaten, wenn die Berliner Opernhäuser geschlossen und die Symphonieorchester im Urlaub sind, nutzt Young Euro Classic diese Lücke und bietet, während dieses Zeitraums fast ohne Konkurrenz, klassische Musik im Konzerthaus am Gendarmenmarkt an.

Allerdings sitzen hier nicht gestandene Profis auf dem Podium, sondern Jugendorchester, die sich in der Regel aus Musikstudierenden zusammensetzen und aus der ganzen Welt anreisen. Was für das Team um Gabriele Minz jedes Jahr aufs Neue eine riesige logistische Herausforderung darstellt.

Anfangs waren es tatsächlich hauptsächlich Orchester aus europäischen Ländern, aber schon längst hat sich der Radius der Mitwirkenden so weit ausgedehnt, dass das „Euro“ im Titel des Festivals inzwischen anders interpretiert wird: Es steht jetzt für das Repertoire, also für die in Europa entstandene klassische Kunstmusik.

Was natürlich überhaupt nicht ausschließt, dass die Orchester immer auch ein oder mehrere Stücke aus ihren Heimatländern mitbringen, viele davon auch als Ur- oder deutsche Erstaufführungen.

Inspirierend. Der amerikanische Geiger Charles Young mit dem Schleswig-Holstein Festivalorchester.

2000 erschien die Idee eines vereinten Europas noch selbstverständlich. Lange her. Dass gerade junge Menschen Europa feiern, ist aus naheliegenden Gründen jetzt wieder so nötig wie nie. Rechtspopulisten überall auf dem Kontinent, auch in Deutschland, giften nicht nur in den „sozialen“ Netzwerken gegen das vermeintliche Monster EU.

Politiker, die sich geistig und real einmauern und einzäunen wollen, gewinnen Wahlen und übernehmen Regierungsverantwortung. Ein Festival wie Young Euro Classic hält solche Entwicklungen nicht wirklich auf, und doch ist es eines von vielen Signalen, die in der Summe bedeutsam werden können.

Kein Wunder also, dass 2019 der Komponist der Europahymne im Mittelpunkt des Festivals steht: Ludwig van Beethoven. Dessen 250. Geburtstag steht zwar erst 2020 an, aber Young Euro Classic legt dieses Jahr schon mal vor. Als zentrales Projekt werden alle neun Symphonien Beethovens, die die Musikgeschichte bekanntlich für immer verändert haben, aufgeführt, wenn auch nicht in der chronologischen Reihenfolge ihrer Entstehung.

Das Polnische Jugendorchester eröffnet am 19. Juli das Festival

Am 19. Juli eröffnet das Polska Orkiestra Sinfonia Iuventus das Festival mit der Sechsten und der Fünften. Die Neunte, deren „Ode an die Freude“ aus dem 4. Satz ja bekanntlich später zur Europahymne wurde, führt am 4. August – wer sonst? – das European Union Youth Orchestra (EUYO) auf. Das soll ein Mitsingkonzert werden, alle Besucher im Saal und die Menschen draußen auf dem Gendarmenmarkt sind aufgefordert, ihre Stimme für Europa zu erheben.

Noten gibt’s auf der Festival-Website young-euro-classic.de zum Download. Das 1976 gegründete EUYO, in dem Musikerinnen und Musiker aus allen EU-Mitgliedstaaten vertreten sind, hat übrigens die grassierende Europaverachtung selbst hautnah zu spüren bekommen: Wegen des Brexit musste es seinen Sitz 2018 von London nach Rom verlegen. Und ist damit hoffentlich nicht vom Regen in die Traufe gekommen, schließlich regieren in Italien inzwischen Rechtspopulisten.

Das nationale spanische Jugendorchester KONDE ist regelmäßiger Gast bei Young Euro Classic.

Dass die Atmosphäre bei Young Euro Classic so frisch und ungezwungen wirkt, liegt auch daran, dass immer wieder zahlreiche Orchester zum ersten Mal dabei sind. Dieses Jahr zum Beispiel gibt das Orquesta Sinfónica Nacional Juvenil aus der Dominikanischen Republik sein Debüt, außerdem das National Youth Orchestra of China oder das National Youth Orchestra of the USA – welches das finale Konzert am 6. August bestreitet, mit Antonio Pappano als Dirigent.

Erstmals dabei ist auch Notas de Contacto, ein Ensemble von Menschen mit Behinderung, das gemeinsam mit dem Jovem Orquestra Portuguesa auftritt (26. Juli) und unter anderem Beethovens Siebte spielt. Im Galilee Chamber Orchestra, das 2012 von dem in Berlin lebenden Dirigenten und Pianisten Saleem Ashkar gegründet wurde, musizieren über 30 junge Israelis und Palästinenser gemeinsam (31. Juli) – ein Projekt, das Hoffnung auf Verständigung im Kleinen macht und die Pfade vertieft, die bereits früher Daniel Barenboim und Edward Said mit ihrem West Eastern Divan Orchestra geschlagen haben.

Zum Jubiläum ein Festivalorchester mit Deutschen und Griechen

Eine weitere Spezialität von Young Euro Classic sind die jedes Jahr eigens gegründeten Festivalorchester. Sie ermöglichen es, dass sich junge Musikerinnen und Musiker aus zwei verschiedenen Ländern während der Probephasen kennenlernen können, und das intensiver, als es während des Festivalbetriebs möglich ist.

Dieses Jahr stammen die Teilnehmer aus Deutschland, nämlich von der Berliner UdK, und Griechenland. Dessen Finanzprobleme sind angesichts des Brexit in den Hintergrund getreten, trotzdem darf gerade Griechenland natürlich bei einer Feier Europas keinesfalls fehlen (27. Juli).

Auch 2019 wird wieder die von Iván Fischer komponierte Festivalhymne erklingen, werden Paten die Abende eröffnen und Sonnenblumen überreicht werden. Schöner Nebeneffekt des Festivals: Inzwischen haben die Berliner Opernhäuser und Orchester ihre sommerlichen Schließzeiten verkürzt. Auch die urbane Aura des Gendarmenmarktes ist in diesen Wochen eine andere. Weil die Besucher das Konzerthaus nämlich nicht durchs Erdgeschoss, sondern über die repräsentative große Treppe betreten. Selbstverständlich ist die mit blauem Teppich ausgeschlagen. Blau wie Europa.

Was die Festivalmacher vom Brexit halten, der wahrscheinlich größten politischen Dummheit der vergangenen 50 Jahre, machen sie übrigens auch deutlich: Für den 1. August haben sie das National Youth Orchestra of Great Britain eingeladen.

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