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Kultur - 10.07.2019

Tahiti an der Elbe

Vorbild für Alexander von Humboldt: Eine neue Dauerausstellung in Wörlitz feiert den weltreisenden Naturforscher Georg Forster.

Johann Reinhold Forster und Georg Forster auf Tahiti. Gemälde von John Francis Rigaud (um 1780).

„Ein Morgen war’s, schöner hat ihn schwerlich je ein Dichter beschrieben, an welchem wir die Insel O-Tahiti 2 Meilen vor uns sahen“: So beginnt der junge Georg Forster das „Achte Hauptstück“ seines europäischen Bestsellers „Reise um die Welt“, in dem er die Ankunft der zweiten Expedition des James Cook im August des Jahres 1773 in Tahiti beschreibt. Sein Vater Johann Reinhold Forster, reformierter Pfarrer und Naturforscher, war von der Royal Society of London for the Improving of Natural Knowledge eingeladen worden, die Forschungsreise wissenschaftlich zu begleiten.

Der 18-jährige Georg darf als Zeichner für Flora und Fauna mit auf die große Reise. 1777 erscheint der Reisebericht der Forsters zuerst in London. Georg schrieb ihn, weil der Vater, der im Streit mit dem Auftraggeber liegt, das nicht darf. Im Herbst des Jahres reist Georg Forster nach Paris, wo er mit Benjamin Franklin und dem berühmten Naturforscher Buffon zusammentrifft. Mit 24 Jahren wird er zum Professor in Kassel berufen. Die Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin hatte ihn schon 1776 aufgenommen, wie in dieser Zeit ein Dutzend weitere gelehrte Gesellschaften. Das gebildete Deutschland huldigt Forster: Goethe, Nicolai, Lichtenberg, Herder, Wieland.

1778 erscheint auf Deutsch der erste Band der „Reise“. Im Jahr darauf verbringt er fünf Wochen in Berlin, absolviert fast 60 Einladungen. Nach einer Professur in Wilna wird Forster im Jahre 1788 nach Mainz berufen, um die Bibliothek des Kurfürsten zu modernisieren. Mehrfach besuchen ihn dort die jungen Humboldts. In Alexander von Humboldts „Kosmos“ heißt es viele Jahre später: „Der Schriftsteller, welcher in unserer vaterländischen Literatur nach meinem Gefühl am kräftigsten und am gelungensten den Weg in dieser Richtung eröffnet hat, ist mein berühmter Lehrer und Freund Georg Forster.“

Forster und Wörlitz, das ist eine besondere Geschichte

Erstmals in der Bundesrepublik Deutschland ist nun eine Dauerausstellung über Georg Forster eingerichtet worden, im Schloss von Wörlitz, um den großen Aufklärer und Gelehrten zu würdigen. Über 40 Jahre baute einst der Fürst von Anhalt-Dessau an seinem 1764 begonnenen Gartenparadies. „Hierbei ging es nicht nur um die ästhetische Gestaltung einer Landschaft. Vielmehr ging es um die Umsetzung philosophischer Prinzipien und politischer Ziele“: So formulierte es die Unesco, als im Jahre 2000 das Gartenreich Dessau-Wörlitz in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde.

Forster und Wörlitz, das ist eine besondere Geschichte. Im Oktober 1776, auf einer Reise nach England, besuchen der wissbegierige und der Aufklärung zugeneigte Leopold III. Friedrich Franz, Fürst und Herzog von Anhalt-Dessau und seine Frau Louise, die Forsters in London. Sie sind, als der Fürst sie besucht, bereits berühmt. Großzügig, vielleicht auch auf der Suche nach einer neuen Aufgabe, schenken sie dem Fürstenpaar über 40 Objekte aus ihrer wohl 2000 Ethnografica umfassenden Südseesammlung.

Auf ihrer Reise mit Cook haben die Forsters mehrere Tausend Tier- und Pflanzenpräparate, Fossilien, mineralogische Proben gesammelt. Georg bringt über 500 Zeichnungen mit. Heute sind die Forsteriana auf über 200 Sammlungen weltweit verteilt.

Ein tahitisch anmutender Palmensaal im Belvedere

Fürst Franz war eher den Freuden des Lebens als dem Militär zugetan. Gemeinsam mit dem nur wenig älteren Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff reist Franz mehrfach nach England, um dort die berühmten Gartenlandschaften, aber auch landwirtschaftliches Handeln zu erkunden. So ein kleines England, für jeden Bürger zugänglich, will Franz auch. Die Idee kam seinem aufgeklärten Absolutismus entgegen. „Schöner als Sanssouci“, werden Zeitgenossen über des Fürsten Garten sagen.

Nach Italien reist der Fürst, begleitet von Erdmannsdorff, mehrfach, lässt sich in Rom von Winckelmann beraten, besichtigt die Villa Tivoli des Hadrian. Die „Kulturenfolge“ Ägypten, Griechenland, Rom wird sich im Pantheon seines Gartens spiegeln. Eine Isis-Arsinoe stellt dort eine symbolkräftige Verbindung zwischen Nil und Elbe her. Nicht zuletzt die Geschichte des Wohnens wird im Garten von Dessau skizziert: Höhle, Hütte, Haus, Schloss.

Georg Forsters SüdseesammlungWeitere Bilder anzeigen
1 von 18Foto: Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, Aufnahme: Heinz Fräßdorf16.05.2019 11:23″Pursuit of the Venus“, Installation von Lisa Reihana aus Neuseeland in der neuen Dauerausstellung „Rückkehr ins Licht“ auf…Zurück

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Sein Schloss in Wörlitz bezeichnete Franz immer nur als Landhaus, es ist bereits 1773 fertiggestellt, ein Meisterwerk von Erdmannsdorff im englisch-palladianischen Stil. Es ist das erste neoklassizistische Schloss auf dem Kontinent mit gleich zwei chinesischen Zimmern und Einflüssen von Palmyra und Baalbeck. Im Belvedere ein tahitisch anmutender Palmensaal. Wörlitz ist ein wunderbarer Ausflug, zumal im Sommer.

Im März 1779 hält sich Georg Forster, eingeladen vom Fürsten, zwei Wochen auf Schloss Wörlitz auf. Er sitzt am Familientisch, erläutert die Südseegeschenke, zeigt Kupferstiche von der Reise. Beeindruckt beschließt Franz, für seine kleine Südsee-Sammlung ein „Otahitisches Cabinet“ einzurichten. Tahiti war unter allen damals in Europa bekannten polynesischen Inseln die berühmteste, seit der Botaniker Philibert Commerson, einer der Begleiter des französischen Seefahrers Bougainville, der Tahiti schon 1768 erreicht hatte, berichtete: „Diese Insel schien mir so, dass ich bereits den Namen Utopia oder Fortunate darauf angewendet hatte. Der Name, den ich ihr gab, passte zu einem Land, das vielleicht das einzige der Erde ist, in dem Menschen ohne Laster wohnen, ohne Vorurteile, ohne Bedürfnisse, ohne Zwietracht. Geboren unter dem schönsten Himmel, genährt von den Früchten eines Bodens, der ohne Kultur fruchtbar ist und eher von Familienvätern als von Königen regiert wird, kennen sie keinen anderen Gott als die Liebe; ihm ist jeder Tag gewidmet.“ Kurz: Es ist das Paradies auf Erden.

1784 öffnet das erste ethnologische Museum

Hatte man in Tahiti den Naturzustand der Menschheit gesehen? Die Aufklärer in Europa wird diese Frage noch lange beschäftigen. Doch bald werden die europäischen Gelehrten erfahren, schon Forster berichtet davon, wie grausam sich auch die Bewohner der tahitischen Inseln zu bekriegen wussten.

1784 wird der Pavillon, von Erdmannsdorff entworfen, mit dem „Otahitischen Cabinet“ eröffnet, das erste ethnologische Museum. Der Architekt hat den Pavillon auf eine seltsame Plattform aus Raseneisenstein gestellt. Angelegt ist die Plattform doppelstufig. Nachgeformt sei sie, so vermutet Frank Vorpahl, Kurator der neuen Dauerausstellung in Wörlitz und Forster-Biograf, jenem zweistufigen Marae Manun, den die Forsters auf Huahine, einer der tahitischen Inseln, besichtigen.

„Berlin und die Mark Brandenburg wiesen im 18. Jahrhundert die höchste Dichte an Südseearchitektur außerhalb des polynesischen Raumes auf“, schreibt Joachim Meissner im ausgezeichneten Katalog der Ausstellung. Zahlreiche Kabinette, Bade- und Angelhäuser oder Palmhütten im tahitischen Stil entstanden. Doch nur ein Marae wurde errichtet, der in Wörlitz. Etwa 30 der originalen Forsterschen Objekte, aus Tonga, Neuseeland, Tahiti, zeigt man nun im Schloss. Alle wurden sorgfältig mithilfe von Experten aus Tonga und Neuseeland restauriert. Im Südsee-Pavillon sind aus konservatorischen Gründen nur Kopien zu sehen.

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