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Kultur - 14.05.2019

Farbe, gefaltet

Auf seinen Bildern wehen Striche wie Regenfäden. Linien verrenken sich. Die Galerie Inga Kondeyne feiert den Berliner Maler Hanns Schimansky mit einer Ausstellung zu seinem 70. Geburtstag.

Offenheit als künstlerische Haltung. Hanns Schimansky, geboren 1949 in Bitterfeld, in seinem Atelier.

„Is here anybody who wants a cup of tea?“ Bis heute kann Hanns Schimansky wörtlich aus dem Stück „1980“ von Pina Bausch zitieren. Wenn er dann geschmeidig die Bewegungen der Tänzer im Raum nachahmt, geht seine norddeutsche Zurückhaltung flöten. Das Gastspiel des Wuppertaler Tanztheaters 1987 in Ost- Berlin hat Schimanskys zeichnerisches Werk entscheidend geprägt. Von Pina Bausch lernte er, Erfahrungen „durch den Körper gehen zu lassen“.

Die federleichte Ausstellung in der Galerie Inga Kondeyne, die gestern zum 70. Geburtstag von Hanns Schimansky eröffnete, ist erfüllt vom Klang, vom Tanz, von der Bewegung des Körpers im Raum. Zu sehen sind Arbeiten aus diesem und vergangenem Jahr (Preise: 1500–9000 Euro). Die Zeichnungen ähneln musikalischen Variationen. Die Bewegungen der Feder reagieren auf die Beschaffenheit des handgeschöpften Papiers. Die Rhythmen der Linien nehmen die Befindlichkeit des Künstlers auf. Die Melodie entsteht aus der improvisierten Spannung zwischen Schwarz und Weiß. Da wehen Striche wie Regenfäden vorbei, verrenkt sich die Linie, wackelt grotesk, stürzt ab oder sucht die Sicherheit fester Flächen.

Landschaften werden zu inneren Weiten

Die Natur ist in diesen Abstraktionen als Wirbel der Elementarteilchen enthalten, die sich nach einem Kraftfeld ausrichten. Hanns Schimansky, 1949 in Bitterfeld geboren, wuchs an der Ostseeküste auf. Er studierte Landwirtschaft in Rostock. Das Studium fand überwiegend an der frischen Luft statt. Gleichzeitig besuchte er die Malzirkel des Rostocker Künstlers Johannes Müller, der Pantomimen einlud, damit seine Schüler deren Körpersprache beobachten konnten. Bei Gerhard Kettner lernte Schimansky später Porträtieren. In dieser Zeit, sagt er, habe er ein Reservoir an Formen gesammelt.

Das Wissen um das Wachstum in der Natur, die Erfahrung von Wind und Wetter, die Übung in Landschafts- und Menschendarstellungen fließen als Unterströmungen in die Blätter ein. Aber Schimansky wählt die feinstoffliche Ebene, um Atmosphären darzustellen. Die Landschaften sind zu inneren Weiten geworden. Sie entstehen im Atelier. „Aufgeräumt“ muss es sein, sagt der Künstler. Voraussetzung für Inspiration ist eine „gewisse Ordnung“.

Gut geerdete Schwerelosigkeit

Mit den Faltungen, die in einem zweiten Raum zu sehen sind, kommen Farbe und Zufall ins Spiel. Sie entwickelten sich aus dem Scheitern. Als eine Zeichnung fehlschlug, drehte Schimansky das Blatt um und arbeitete auf der Rückseite weiter. Als auch dieses Ergebnis unbefriedigend ausfiel, klappte er Ecken des Papiers um. Es entstand etwas Neues, Ungeplantes. Die Arbeiten springen aus der meditativen Versenkung der Zeichnung in die Überraschung der Faltung. Beim Betrachten reizt auch, dass man die verborgene Rückseite sehen will.

Durch Falzen und Verkleben ergeben sich feinste Reliefstrukturen. In höchster Reduktion mischt diese Technik Bildhauerei, Malerei und Zeichnung. Hanns Schimansky nennt den Bildhauer Franz Bernhard und den Maler Fritz Klemm als Geistesverwandte. Mit Franz Bernhard verbindet ihn die gut geerdete Schwerelosigkeit, mit Fritz Klemm der Blick aus dem Atelier in das eigene Innere. Diese Wahlverwandtschaften unterstreichen noch den Eindruck der beschwingten Geburtstagsausstellung. Sie vermittelt die künstlerische Haltung von Hanns Schimansky: Offenheit gegenüber sich selbst und der Welt.

Galerie Inga Kondeyne, Cramerstr. 10; bis 22. 6., Di–Fr 13–18 Uhr, Sa 12–17 Uhr

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