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Kultur - 22.03.2019

Besessen

Vintage-Horror aus Deutschland: In seinem Debütfilm „Luz“ huldigt der junge Regisseur Tilman Singer dem Grusel der 80er.

Verstörte Taxifahrerin. Luana Velis spielt Luz.

Bilder, die jeden Anflug von Hochglanzästhetik im groben Korn ersticken; Musik, die wie ein Mix aus Atari-Computerspiel und John-Carpenter-Soundtrack klingt – wer zu „Luz“ ins Kino geht, könnte schnell das Gefühl bekommen, vor einem alten Röhrenfernseher zu sitzen. Vieles daran mutet an wie die abgenudelte Kopie eines 80er-Horrorfilms, direkt aus der Videothek. Regisseur Tilman Singer, Jahrgang 1988, hat sein Debüt auf 16mm gedreht, einem vormals im Low-Budget-Bereich gern genutzten Filmformat.

Dabei kommt jungen Filmemachern mit begrenztem Budget der Trend zum Vintage-Horror entgegen. Aktuelle Vorbilder gibt es reichlich: Kinofilme wie „Summer of ’84“, aber auch die Netflix-Serie „Stranger Things“. Singer konnte sein Diplomprojekt an der Kunsthochschule für Medien Köln nur dank der 18 500 Euro Abschlussfilmförderung von der Film- und Medienstiftung NRW realisieren.

Retro-Look für die große Leinwand

Aller VHS-Herrlichkeit zum Trotz hat sich der Regisseur gleichzeitig fürs Cinemascope-Verfahren entschieden, mit dem in den 50ern vor allem Monumentalschinken in Superbreitwand ins Kino kamen. Singer will mit seinem gestrigen Look also unbedingt auf die große Leinwand. Wobei ihm für „Luz“ erst eine Laufzeit von lediglich 30 Minuten vorgeschwebt habe, wie er sagt. Letzten Endes sind es 70 Minuten geworden, kein Höllenritt, sondern ein unguter Traum, der sich langsam in kaum bewegten Einstellungen entfaltet.

Statisch geht es auch los: mit einer Polizeistation, die öde vor sich hindämmert. Da schleppt sich eine zierliche Frau hinein, ein Basecap verkehrt herum auf dem Kopf. Aus einem Snackautomaten zieht sie eine Dose, trinkt sie auf ex, alles ohne Schwenk oder Schnitt inszeniert. Dann endlich wendet sie sich dem Herrn am Empfangstresen zu – und stößt spanische Verwünschungen aus. Ein sicheres Zeichen für Besessenheit, wie das genregeschulte Publikum weiß.

Manchmal wird die Grenze zur Karikatur überschritten

In der nächsten Szene werden zwei Figuren eingeführt: der Psychiater Dr. Rossini (Jan Bluthardt) und Nora (Julia Riedler), die ihn in einer Bar auf irritierend direkte Weise anmacht. Schon bald landen beide auf der Wache, wo der Film zum Dunkel-Kammerspiel mutiert. Das Verhör der verstörten Taxifahrerin Luz (Luana Velis) wird zur Dämonenbeschwörung, die in die Vergangenheit einer chilenischen Mädchenschule führt.

Dabei kippt das Geschehen schon mal ins unfreiwillig Komische, gerade wenn die Darsteller wie die burschikos aufspielende Julia Riedler hemmungslos die Grenze zur Karikatur überschreiten. Auch der Subtext von „Luz“ bleibt überschaubar. Singer benutzt die Versatzstücke des Gruselfilms nicht, um einen politisch oder sozial relevanten Kommentar abzugeben. Doch sein Debüt macht klar, dass hier ein junger Regisseur auf der Bildfläche erscheint, der seine Vision mit bescheidenen Mitteln umzusetzen weiß. Digital will er aber selbst dann nicht drehen, wenn ihm ein größeres Budget zur Verfügung stünde.

Kino in der Brotfarbik, Sputnik, Wolf, Z-inema, Zukunft

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