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Wirtschaft - 22.05.2019

Wohnkonzern Vonovia will Imagewandel

Mieterhöhungen sind in Deutschland politisch, weil mehr als die Hälfte der Menschen zur Miete wohnt. Rolf Buch, Chef des Immobilienkonzerns Vonovia, will Mieter künftig so behandeln, als ob sie jederzeit gehen könnten.

DW: Es gibt die Sorge, dass bei der Europawahl die Populisten Zulauf bekommen – jene also, die für jedes noch so komplexe Problem einfache Lösungen versprechen. Die explodierenden Mieten in Deutschlands Großstädten sind ein viel diskutiertes Problem, und Vonovia steht als größter Anbieter besonders in der Kritik. Trägt Ihre Firma zum Erstarken der Populisten bei?

Beim Thema Wohnen gibt es ebenso wenig einfache Lösungen wie bei europäischen Themen. Es ist ein Tatsache, das viele Menschen in Städte wie Berlin, Frankfurt oder München ziehen wollen. Aber das Wohnproblem wird nicht gelöst, wenn kein neuer Wohnraum entsteht. Das ist unsozial, denn die zuziehenden Menschen werden wahrscheinlich diejenigen verdrängen, die sich Wohnen am wenigsten leisten können. Deswegen plädieren wir dafür, mehr Wohnraum zu schaffen.

Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender des Immobilienkonzerns Vonovia

Die Stimmung ist derzeit aufgeheizt. Es gibt sogar die Forderung, private Wohnungsgesellschaften wie Ihre zu enteignen. Und Kevin Kühnert, der Chef der SPD Jugendorganisation Jusos sagte: „Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.“ Empfinden Sie das als Angriff?

Nein, ich empfinde das nicht als Angriff. Enteignung schafft keinen neuen Wohnraum. Wir sollten uns aber ernsthaft damit auseinandersetzen, warum solche Forderungen kommen. Diese Forderung zeigen, dass irgendwas in unserem Land nicht stimmt, dass die Bürger unzufrieden sind mit der Art und Weise, wie sie leben. Und das müssen wir als Anbieter von Wohnraum sehr ernst nehmen, aber auch die Kommunen und die Politik.

Im aktuellen Geschäftsbericht von Vonovia wird das öffentliche Image der Firma als eines der größten Risiken für das Geschäft aufgeführt. Daraus schließe ich, Sie sind sich bewusst, dass Sie ein Akzeptanz- und auch ein Imageproblem haben. Wie gehen Sie damit um?

Wir sind uns bewusst, dass wir als großer Anbieter von Wohnraum eine ganz wesentliche gesellschaftliche Verantwortung haben. Bei uns kann es nie nur um Wirtschaftlichkeit gehen, sondern auch um unseren Einfluss auf die Gesellschaft. Wenn die Gesellschaft findet, wir würden keinen Mehrwert mehr liefern, dann verlieren wir quasi unsere „Betriebserlaubnis“.

In Deutschland protestieren die Menschen in den vergangenen Monaten gegen zu hohe Mieten

Sie haben in der vergangenen Woche auf der Hauptversammlung in Bochum eine Wohngarantie für Senioren verkündet. Wie sieht das genau aus?

Gerade ältere Menschen sorgen sich davor, ihren Wohnraum zu verlassen. Für Menschen über 70 ist das eine Bedrohung. Im Zweifel wird ein älterer Mensch dann im Altersheim enden und ich glaube, keiner der einigermaßen fit ist, möchte im Altersheim leben. Wir nehmen die Sorge auch bei unseren Mietern war und möchten ihnen deswegen die Angst nehmen. Wenn nun die Miete nach Mietspiegel steigt und der Mieter sich das nicht leisten kann, dann werden wir dafür sorgen, dass er trotzdem in der Wohnung weiterleben kann.

Wie?

Indem wir die Miete dann entweder gar nicht oder nur in dem Maße erhöhen, wie der Mieter es sich leisten kann.

Das heißt, es würde von Fall zu Fall geklärt werden?

Es muss von Fall zu Fall geklärt werden. Aber wichtig ist: Bei uns wird niemand über 70 ausziehen, weil er sich die Miete nicht leisten kann.

In Ihrem Geschäftsbericht steht ganz am Anfang ein ganz bemerkenswertes Zitat von Ihnen: „Ob wir auf dem richtigen Weg sind? Die sicherste Antwort darauf bekommen wir, wenn wir diejenigen fragen, die es am besten wissen, unsere Mitarbeiter, unsere Kunden, die Politik, aber auch soziale Einrichtungen.“ Ich war überrascht, dass Sie Ihre Aktionäre gar nicht erwähnen – darunter Ihren größten Anteilseigner, die US-Investmentgesellschaft Blackrock. Die Aktionäre haben doch sicher auch eine klare Vorstellung vom richtigen Weg.

Wir sind davon überzeugt, dass Wohnungen vermieten nur langfristig erfolgreich sein kann. Diese Überzeugung ist gereift durch unsere Erfahrung in der Private Equity-Zeit, in der kurzfristiges Gewinnstreben das Ziel des Unternehmens war. Wir wissen, dass Wohnungen, die für mehr als 100 Jahre gebaut sind, nur dann erfolgreich vermietet werden können, wenn man auch ein Geschäftsmodell hat, das 100 Jahre hält. Das haben unsere Aktionäre sehr gut verstanden, unterstützen das und kaufen deswegen unsere Aktie. Nachhaltigkeit ist eines der wesentlichen Themen, nach denen uns unsere Aktionäre laufend fragen. Insofern gibt es keinen Widerspruch.

Ihr Unternehmen hat kürzlich die Zahlen für die ersten drei Monate des Jahres vorgelegt. Mieteinnahmen und Gewinn sind jeweils um rund 20 Prozent gestiegen. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?

Ja, wir sind sehr zufrieden und es zeigt auch, dass wir sehr gesund sind. Bei den großen Herausforderungen, die wir in Deutschland haben, ist es wichtig, dass wir gesunde Unternehmen haben. Übrigens nicht nur private Unternehmen, auch kommunale Unternehmen und Genossenschaften sind wichtig. Der private Sektor allein wird die Probleme nicht lösen können. Aber wir glauben, wir können dazu beitragen. Wenn es Vonovia jetzt wirtschaftlich nicht so gut gehen würde, wäre unsere Möglichkeit zu helfen deutlich kleiner.

Ihre Aktionäre freuen sich über hohe Dividenden. Mietervertreter beklagen dagegen, dass rund ein Drittel der Mieteinnahmen als Gewinnausschüttung an die Aktionäre fließt. Wem sind Sie im Zweifel mehr verpflichtet, Ihren Anteilseignern oder Ihren Kunden, also den Mietern?

Ich sehe den Widerspruch nicht. Meine Aktionäre wissen, dass ich ohne Mieter keine Dividenden ausschütten kann und die Mieter wissen, dass ich ohne Aktionäre nicht investieren kann. Meine Rolle ist, einen Ausgleich zwischen den Interessen der verschiedenen Gruppen zu schaffen, also zwischen den Mietern, zwischen den Mitarbeitern, zwischen der Gesellschaft und zwischen den Aktionären.

Es gibt einen wesentlichen Unterschied zwischen „normalen“ Unternehmen und Wohnungsfirmen: Wenn Ihre Kunden, also die Mieter, unzufrieden sind mit Vonovia, können sie nicht einfach umziehen, weil oft das Wohnungsangebot gar nicht da ist. Wie kann da der Ausgleich gelingen zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und Profitstreben?

Unsere Mieter können nicht so einfach das Produkt wechseln. Daraus ergibt sich eine besondere Verantwortung: Wir müssten unsere Kunden die ganze Zeit so behandeln, als ob sie jederzeit gehen können.

In Ihrem Zitat aus dem Geschäftsbericht sagen Sie, dass Sie auch auf die Politik hören. Die Politik macht Ihnen Auflagen: Die Mietpreisbremse soll den Anstieg der Mieten begrenzen, außerdem dürfen sie inzwischen weniger Renovierungskosten auf die Miete umlegen als früher. In Ihrem Unternehmensbericht nennen sie Änderungen der „regulatorischen Rahmenbedingungen“ als größtes Risiko für Ihr Geschäft. Empfinden Sie solche Auflagen als Gängelung?

Nein, ich bin der Überzeugung, dass Politik demokratisch dazu legitimiert ist, Regeln zu setzen, nach denen eine Gesellschaft dann arbeiten muss. Insofern akzeptieren wir die Mietpreisbremse, akzeptieren wir den Mietspiegel und akzeptieren wir auch die Neuregelung der Modernisierung. Dass wir uns im Vorfeld solcher Regelungen dafür einsetzen, dass alle Belange berücksichtigt und alle Argumente gehört werden, ist gute demokratische Kultur.

Politiker wollen sich oft als Kämpfer für die Sache der Mieter präsentieren – gerade in Wahlkampfzeiten. Gleichzeitig war es aber auch die Politik, die kommunale Wohnungen an Unternehmen wie Ihres verkauft und den sozialen Wohnungsbau weitgehend eingestellt hat. Nervt Sie diese Widersprüchlichkeit der Politik? 

Der Verkauf von Wohnungen der öffentlichen Hand ist sehr viele Jahre her und ging damals an Private-Equity-Firmen. Städte, die heute noch ein gutes Zusammenarbeiten von privaten, kommunalen und genossenschaftlichen Unternehmen haben, sollten das beibehalten, denn jeder dieser Akteure hat im Markt eine andere Rolle. In manchen Städten funktioniert das sehr gut.

Bei bestimmten Themen muss die Politik aber die gesellschaftliche Diskussion moderieren. Wir können nicht sagen, es sollen immer mehr Menschen in die Städte ziehen dürfen – gleichzeitig aber nicht bauen. Wir können nicht sagen, wir wollen mehr Klimaschutz – gleichzeitig aber die Kosten für Modernisierung ablehnen. Wir können auch nicht sagen, Menschen sollten möglichst lange in altersgerechten Wohnungen bleiben – gleichzeitig aber nicht investieren. All das sind Widersprüche, mit denen wir umgehen müssen. Es kann nicht sein, dass ein nicht-demokratisch legitimiertes Unternehmen wie wir die Entscheidung fällt. Die Politik muss hier Diskussionen moderieren, um dann zu Entscheidungen zu kommen.

Es müsste mehr Wohnraum geschaffen werden, um den Markt zu entlasten, meint Rolf Buch

In anderen europäischen Großstädten, wie London oder Paris, können sich Menschen mit geringeren Einkommen schon lange nicht mehr leisten, in der Stadt zur Miete zu wohnen. Wird das auch in Deutschland Normalität?

Wir sollten dringend aufpassen, dass uns das nicht passiert. Und deswegen müssen wir auch zukünftig in den großen Städten bezahlbaren Wohnraum, auch Sozialwohnungen, schaffen. Ich halte die Regelung, dass ein Anteil der Neubauten in einem bestimmten Gebäude und in einem bestimmten Quartier sozial gebunden sein muss, für eine gute Lösung. Wir brauchen eine Sozialbindung in den großen Städten. Im Gegensatz zu London ist es Konsens in der deutschen Gesellschaft, dass wir keine Innenstädte wollen, wo nur noch die Reichen leben.

Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hat errechnen lassen, dass Vorstandsmitglieder von Dax-Konzernen mehr als 70 Mal so viel verdienen wie der Durchschnitt ihrer Beschäftigten. Im Jahr 2005, als diese Berechnung erstmals gemacht wurde, war es „nur“ 42 mal mehr. Ist das eine gesunde Entwicklung?

Ich habe großes Verständnis dafür, dass diese Entwicklung auch zu Fragen in der Gesellschaft führt. Das ist eine Gerechtigkeitsdiskussion, die wir nicht nur bei Vorstandsgehältern haben, sondern auch bei Fußballern, bei Künstlern und bei anderen Gruppierungen. Auch mit dieser Frage müssen wir uns konstruktiv auseinandersetzen.

Laut der erwähnten Untersuchung verdienen Sie 117 Mal mehr als ein durchschnittlicher Vonovia-Angestellter. Grund für ein schlechtes Gewissen oder für Stolz?

Nein, sicher nicht für Stolz. Sie wissen, dass der Aufsichtsrat für die Vergütung in einer Aktiengesellschaft zuständig ist. Es ist also eine Entscheidung, die dort gefällt wird.

Rolf Buch ist Vorstandsvorsitzender der Vonovia AG, Deutschlands größter Immobilienfirma. Mit knapp 400.000 vermieteten Wohnungen ist der Konzern das größte Wohnungsunternehmen und der größte private Vermieter in Deutschland. Der Konzern mit Sitz in Bochum hat einen Börsenwert von rund 20 Milliarden Euro (Stand Dez. 2018) und gehört zu den 30 Firmen im Deutschen Aktienindex DAX. Vorläufer von Vonovia war die Deutsche Annington, die 2015 den Konkurrenten Gagfah für 3,9 Milliarden Euro übernommen hatte. 2018 übernahm Vonovia Buwog aus Österreich und Victoria Park aus Schweden.

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