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Wirtschaft - 16.01.2019

Wachstumsdelle, Rezession, was denn nun?

Die Konjunkturindikatoren für Deutschland geben nach, Prognosen müssen nach unten korrigiert werden. Ist das der Auftakt eines Abschwungs oder nur eine vorübergehende Schwächephase?

Deutschland boomt, der Arbeitsmarkt brummt und die Steuereinnahmen steigen seit Jahren – das ist das Bild der deutschen Wirtschaft, an das wir uns gewöhnt haben. Doch in letzter Zeit mehren sich die Zeichen, dass die Wirtschaft an Schwung verliert.

Immer wieder wurden in den vergangenen Monaten Konjunkturprognosen nach unten korrigiert, wichtige Frühindikatoren zeigen abwärts – und zwar zum Teil ziemlich deutlich.

Im Dezember war der Ifo-Index, der als eines der wichtigsten deutschen Konjunkturbarometer gilt, zum vierten Mal in Folge gefallen. Das Münchner Ifo-Institut war bei den rund 9000 Managern, die dafür jeden Monat zu ihrer Geschäftslage und ihren Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt werden, auf zunehmende Sorgen gestoßen.

„Wir haben einen Haufen politischer Risiken vor uns, angefangen vom Handelsstreit zwischen den USA und China über den Brexit und Italiens Defizit sowie neuerdings Frankreichs Abkehr von den Reformen“, fasste LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert die Risiken zusammen.

„Gleichzeitig finden öffentlichkeitswirksame Abwärtsrevisionen von Konjunkturprognosen statt, und der Brexit-Prozess nimmt immer chaotischere Züge an“, sagt DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle. „Zudem könnte der Dezember noch durch die Proteste in Frankreich – immerhin Deutschlands zweitwichtigster Handelspartner – verhagelt worden sein.“

Furcht vor einem Handelskrieg 

Ganz gleich, wie die Handelsstreitigkeiten der USA mit China und der EU auch ausgehen, es wird Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft haben. Donald Trumps Handelspolitik des „America first“ stellt das exportorientierte deutsche Wirtschaftsmodell grundsätzlich in Frage, das auf Freihandel angewiesen ist und internationale Lieferketten rund um den Globus so dringend braucht wie Öl und andere Rohstoffe.

Kein Wunder, dass in der aktuellen Umfrage des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) nur noch sieben von 48 deutschen Branchenverbänden optimistischer in die Zukunft schauen als noch vor zwölf Monaten. Ende 2017 waren mit 26 Branchen noch mehr als die Hälfte aller Branchenverbände optimistisch.

Droht also nach einer der längsten Aufschwungphasen der deutschen Wirtschaft jetzt eine Rezession? Nachdem im dritten Quartal die deutsche Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent geschrumpft war, schielen jetzt alle auf die Zahlen für das vierte Quartal, die das Statistische Bundesamt am 14. Februar veröffentlichten wird. Denn wenn zwei Quartale in Folge das Bruttinlandsprodukt (BIP) zurückgeht, spricht man offiziell von einer Rezession.

IW-Chef Michael Hüther warnt im Gespräch mit der DW jedoch vor Panik: „Es geht der ganzen Veranstaltung etwas die Luft aus. Es ist mehr Sand im Getriebe, aber es ist kein Absturz.“

Drückt ziemlich deutlich auf die Euphoriebremse: BDI-Chef Dieter Kempf

„Die guten Zeiten sind vorbei“

Trotzdem – die Skepsis wächst. Zuletzt hatte sich der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf, ins Lager der Konjunkturpessimisten eingereiht.

„Die guten Zeiten sind vorbei“, meinte Kempf vor wenigen Tagen auf einer Wirtschaftskonferenz der Tageszeitung „Die Welt“ in Berlin. Denn die globalen Risiken und ihre Folgen, die schon in den vergangenen Monaten spürbar waren, bestehen fort. Der Handelskonflikt mit den USA und ein ungeordnetes Ausscheiden Großbritanniens aus der EU drücken zunehmend auf die Stimmung der deutschen Unternehmen.

Der BDI hatte im Dezember seine Erwartungen für das deutsche BIP für 2018 von zwei auf 1,5 Prozent reduziert, ebenso wie das Ifo-Institut. Die Münchner Konjunkturforscher rechnen zudem für 2019 nur noch mit einem Plus beim deutschen BIP von 1,1 Prozent, statt wie vorher von 1,9 Prozent.

Auch wenn es noch nicht ausgemacht ist, ob die deutsche Wirtschaft wirklich weiter ins Minus rutscht, sind sich die Experten darin einig, dass die Konjunktur ihren Höhepunkt hinter sich hat. Die zuletzt enttäuschenden Daten bei Industrieaufträgen, Produktion und Export lassen sich auf Dauer nicht ignorieren.

Exporte schwächeln

Die Exporteure hatten im November 0,4 Prozent weniger im Ausland als im Vormonat verkauft. Die Importe verringerten sich sogar um 1,6 Prozent. Beide Kennzahlen fielen schlechter aus als erwartet.

Der Außenhandel und die grenzüberschreitenden Investitionen werden immer mehr ausgebremst, konstatierte unlängst DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Die Unternehmen sind wegen der schwelenden Handelsstreitigkeiten, des nahenden Brexits oder durch die Probleme der hoch verschuldeten Handelspartner Frankreich und Italien zunehmend besorgt.

Zusätzlich wird die deutsche Wirtschaftsbilanz durch die schwächelnde Autoindustrie belastet, die mit Problemen bei der Umstellung auf das neue Abgastestverfahren WLTP und die Folgen der Dieselkrise zu kämpfen hat. Die Unternehmen hatten ihre Produktion im November zum dritten Mal in Folge drosseln müssen, weil sie unter Auftragsschwund leiden.

Auch die deutsche Vorzeigebranche der Maschinenbauer bekommt gerade zu spüren, dass die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen: Während sie zuletzt im Auslandsgeschäft leicht zulegen konnten, gingen die Bestellungen im Inland etwas stärker zurück.

„Es fällt den Unternehmen offenbar zunehmend schwer, die bereits recht hohen Vorjahreswerte im Auftragseingang noch zu toppen“, sagte Ralph Wiechers, Chefvolkswirt beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

„Darkening Skies“

Die Konfrontation zwischen den USA und China hinterlässt auch global ihre Spuren. „Die Weltwirtschaft steckt in einer schwierigen Phase“, sagte Weltbank-Ökonom Ayhan Kose. „Der Himmel verdunkelt sich und wir sehen eine weltweite Abschwächung, die Risiken steigen.“ Noch sei das globale Wachstum robust, „doch ob ein Sturm aufzieht oder es sich aufklärt, hängt im hohen Maße davon ab, wie die Politik reagiert“.

Dass die Handelsspannungen zwischen den USA und China große Folgen für alle anderen Industrie- und Handelsnationen haben wird, liegt auf der Hand. Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt stehen für 40 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und rund 20 Prozent des Welthandels.

In ihrem kürzlich in Washington vorgestellten aktuellen Ausblick mit dem düsteren Titel „Darkening Skies“ gehen die Ökonomen der Weltbank jetzt noch von einem globalen Wachstum von 2,9 Prozent in diesem Jahr aus – 0,1 Prozentpunkte weniger als zuletzt. Für 2020 erwarten sie 2,8 Prozent.

Dabei wurde die Prognose für beinahe alle Regionen abgesenkt. Für die USA erwartet die Weltbank eine Abschwächung des Wachstums von 2,9 Prozent im Jahr 2018 auf 2,5 Prozent in diesem Jahr und von 1,7 Prozent für 2020.

Für China werden in diesem und im kommenden Jahr jeweils 6,2 Prozent erwartet. Deutlich abgesenkt wurden die Vorhersagen auch für mehrere Schwellenländer wie Mexiko, Südafrika und Russland, sowie für die Türkei und Argentinien.

Keine Panik, meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer

Keine Panik trotz weniger Wachstums

Trotz allem plädiert Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, für einen kühlen Kopf, wenn es um die Frage geht, ob eine Rezession droht: „Ich glaube nicht daran, aber ich verstehe die Sorgen. Schließlich sind die Konjunkturindikatoren gerade in den letzten Wochen schlecht ausgefallen.“

Auch in den USA seien die letzten Indikatoren gefallen und die Finanzmärkte hätten auf viele Risiken bereits mit deutlichen Kursrückgängen reagiert, so Krämer. Aber gegen eine Rezession spreche, dass etwa die Inflation niedrig ist und die US-Notenbank daher nicht zu scharfen Zinserhöhungen gezwungen werde. Außerdem seien die US-Unternehmen, gemessen an ihrer Ertragskraft, nicht hoch verschuldet.

„Anders als die USA ist China bereits vom Handelskrieg getroffen, das Wachstum hat sich merklich abgekühlt. Aber gegen einen wirtschaftlichen Einbruch spricht, dass die kommunistische Regierung entschieden gegensteuert. So hat sie die Steuern gesenkt und den Unternehmen erlaubt, sich wieder höher zu verschulden. Im Zweifel wird sie das Konjunkturpaket kräftig aufstocken, um die Wirtschaft zu stabilisieren“, argumentiert Krämer.

Davon würden auch die Handelspartner Chinas in der EU profitieren und das Wachstum im Euroraum moderat anziehen. Das Fazit des Commerzbank-Chefvolkswirts fällt daher kurz, knapp und beruhigend aus: „Die Sorgen vor einer Rezession sind übertrieben.“

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