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Wirtschaft - 11.03.2019

Gender Pay Gap: Wie schlecht ist Deutschland wirklich?

Zum Internationalen Frauentag schauen wir auf die Gehaltslücke zwischen Männer und Frauen in Deutschland. Dabei sieht man: Auch hier kommt es auf den Standpunkt an.

Stellen Sie sich das folgende Szenario an Ihrem Arbeitsplatz vor: Ein Mann und eine Frau sitzen sich im Büro gegenüber und machen die gleiche Arbeit. Der Mann aber bekommt mehr Geld dafür als seine Kollegin – und zwar gleich ein Fünftel! Das wäre ungefähr so, als wenn die Frau die ersten Monate unentgeltlich arbeitete und erst ab Mitte März auch dafür bezahlt würde.

Dieses Szenario ist natürlich fiktiv. Die „freien“ Arbeitstage zu Beginn eines Jahres stellen die Lohnlücke in Deutschland dar. Mit 21 Prozent ist sie die zweitgrößte Gender Pay Gap in der Europäischen Union.

Vom Zweitschlimmsten zum Zweitbesten

 Allerdings unterscheidet sich die Lücke stark, je nachdem, wie es gemessen wird. Berücksichtigt man nämlich Faktoren wie Bildung, Berufserfahrung, Unternehmensgröße und Branche, so beträgt die Lohnlücke in Deutschland nur noch sechs Prozent. Das nennt sich „bereinigte Lohnlücke.“ Mit dieser Kennzahl liegt Deutschland fast an der Tabellenspitze, an zweiter Stelle.

Diese Ergebnisse wurden in einem Bericht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) vorgestellt. Der Bericht basiert sich auf Daten der EU-Kommission und von Eurostat, die die bereinigte und unbereinigte Entgeltlücke in den Jahren 2010 und 2014 vergleichen.  

Die gute Nachricht ist: die Daten zeigen auch, dass sowohl das unbereinigte als auch die bereinigte Entgeltlücke in der EU mit 1,1 Prozent bzw. 1,4 Prozent abnimmt.

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Wird die Ungleichheit erklärt oder versteckt?

Die Summe aller Faktoren, die die Lohnlücke beeinflussen und deren Gründe angegeben werden können, nennt sich „erklärte Differenz.“ Deutschland hat die größte erklärte Differenz in der EU. Dem Bericht zufolge lassen sich 72 Prozent der Entgeltlücke in Deutschland durch die verschiedenen oben genannten Kriterien rechtfertigen und erklären.

Die bereinigte Lohnlücke sei nicht nur eine Zahl, die Deutschland besser aussehen lässt, sagt Jörg Schmidt, Ökonom vom Institut der deutschen Wirtschaft und Autor des Berichts. Ein genauerer Blick auf die Faktoren hinter den Berechnungen kann einen Einblick in die Situation geben und helfen, politische Ansatzpunkte zu finden.

„Für mich sind das Hinweise, wo man ansetzen könnte, wenn jetzt die Politik über Handlungsoptionen nachdenken würde“, sagte Schmidt. „Wenn man etwa berücksichtigt, dass Frauen und Männer sich unterschiedlich über die Branchen verteilen, erklärt dies zu einem gewissen Teil auch den durchschnittlichen Lohnunterschied von Frauen und Männern .“

Für Yvonne Lott von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ist die bereinigte Lohnlücke ein eher irreführender Indikator. „Das Problem mit diesem Indikator ist, dass man die Dimensionen der Geschlechterungleichheit auf dem Arbeitsmarkt in gewisser Weise ignoriert“, meint sie.

„Sie können eine Studie durchführen, um die Gründe zu unterstreichen, aber zu dem Schluss kommen, dass der Gender Pay Gap nur sechs Prozent beträgt, weil alles andere erklären sein könnte? Das ist für mich kein richtiges Ergebnis.“

Sechs Prozent Diskriminierung?

„Wenn man wirklich darüber nachdenkt, was es bedeutet, ist es immer noch eine Menge“, sagt Lott. „Diese sechs Prozent sind wirklich nur darauf zurückzuführen, dass die Arbeitgeber bei der Betrachtung der Arbeitnehmer sagen, dass Frauen weniger bekommen, weil sie Frauen sind, und Männer mehr bekommen, weil sie Männer sind“.

Die Autoren der Studie der EU-Kommission, aus der die Originaldaten über die bereinigte Lohnlücke stammen, sagen jedoch, dass „die bereinigte Lücke nicht mit Diskriminierung gleichgesetzt werden darf, da die Studie auch ungemessene lohnrelevante geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigt, wie etwa tatsächliche Berufserfahrung, Berufspräferenzen oder Verhandlungskompetenz“.


  • Gender Pay Gap: Wo Frauen mehr verdienen als Männer

    Auf dem Bau

    Überraschung Nummer Eins: Frauen verdienen gut in Berufen, die als männerdominiert gelten. So liegt das Gehalt der Frauen im Tiefbau knapp über dem von Männern – nämlich im Schnitt bei 3730 Euro brutto im Monat. Männer kommen auf 3728 Euro.


  • Gender Pay Gap: Wo Frauen mehr verdienen als Männer

    In der Schule

    In Bereich, der sich mit „Erziehung und Unterricht“ beschreiben lässt, verdient ein Mann im Schnitt 13 Prozent mehr und kommt auf 4669 Euro im Monat. Frauen verdienen 4131 Euro.


  • Gender Pay Gap: Wo Frauen mehr verdienen als Männer

    Im Verkehrsbereich

    Was Statistiker so alles für Branchen erfinden: Zum Beispiel: „Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen“. Hier liegen die Gehälter der Frauen am deutlichsten über denen der männlichen Kollegen: Plus fünf Prozent. Mehr für Frauen gibt’s auch im „Hochbau“. (plus zwei Prozent) und bei den „Post-,Kurier- und Expressdiensten“ mit 0,2 Prozent.


  • Gender Pay Gap: Wo Frauen mehr verdienen als Männer

    Im Reich von Justitia

    Im Bereich „Rechts- und Steuerberatung sowie Wirtschaftsprüfer“ ist die Gender Pay Gap sehr groß – zum Nachteil der Frauen. Männer kommen auf 6434 Euro im Monat, die Arbeitnehmerinnen bekommen 3478 Euro. Das heißt: Männer erhalten hier ungefähr das Doppelte.


  • Gender Pay Gap: Wo Frauen mehr verdienen als Männer

    Sport, Unterhaltung und Erholung

    In Bereich „Dienstleistungen in Sport, Unterhaltung und Erholung“ ist der Unterschied am größten. Hier kommen Männer auf 5701 Euro im Monat, Frauen auf 2772 Euro. Das heißt Männer verdienen ganze 106 Prozent mehr als Frauen.


  • Gender Pay Gap: Wo Frauen mehr verdienen als Männer

    Forschung und Entwicklung

    Wo geforscht und entwickelt wird, kommen Frauen auf 4334 Euro im Monat, während ihre männlichen Kollegen im Schnitt 5577 Euro verdienen. Das Gleichgewicht verschiebt sich somit zugunsten der Männer um 29 Prozent.


  • Gender Pay Gap: Wo Frauen mehr verdienen als Männer

    Im Cockpit

    Man kann gut verdienen, wenn man einen Job in der Luftfahrt hat. Allerdings nur als Mann: Da liegt das monatliche Durchschnittseinkommen bei 7694 Euro brutto im Monat. Frauen kommen im Schnitt nur auf 3883 Euro – macht 98 Prozent mehr für die Männer.


  • Gender Pay Gap: Wo Frauen mehr verdienen als Männer

    In Küche und Gasthaus

    Rund um die Gastronomie verdienen Männer 14 Prozent mehr als Frauen. Konkret heißt das: Frau am Herd (oder anderswo in der Branche) hat 2155 Euro im Monat, die männlichen Kollegen bekommen 2456 Euro.

    Autorin/Autor: Adonis Alkhaled


Auf die EU-Ebene

Während in Deutschland die Lohnunterschiede bei „bereinigter“ Betrachtung geringer werden, ist die Situation in anderen EU-Ländern ganz anders. In Rumänien, Polen und Litauen ist die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern noch drastischer. In diesen Ländern können Frauen die Lohnungleichheit nicht dadurch ausgleichen, dass sie zum Beispiel eine gute Ausbildung ins Feld führen. Im Gegenteil: Auch wenn eine Frau sogar mehrere Universitätsabschlüsse hat, wird sie immer noch weniger verdienen als ein Mann.

Nicht nur die Größe der erklärten Lücke ist wichtig, sondern auch die Faktoren, die dazu beitragen, argumentiert Schmidt. Dem Bericht zufolge, tragen drei Hauptaspekte zu ungleicher Bezahlung in Deutschland bei. Das sind die ungleiche Verteilung von Männern und Frauen in verschiedenen Industriebranchen, die Frage der Teilzeitbeschäftigung und schließlich die Berufserfahrung.

Wie die Studien zeigen, ist ungleiche Verteilung von Männern und Frauen in verschiedenen Industriebranchen in allen EU-Ländern ein Problem. In Rumänien, Ungarn und Polen spielen die Aspekte wie Bildung und Beruf eine große Rolle. In Estland, Lettland und Litauen hat die Größe des Unternehmens auch Auswirkungen auf die Lohnlücke. 

„Da die Voraussetzungen in den Ländern sehr unterschiedlich sind, kann man nicht allen Staaten eine pauschale Empfehlung geben“, sagt Schmidt. Der Bericht kritisierte auch die Pläne der EU-Kommission, konkrete Maßnahmen zur Lohntransparenz auf EU-Ebene einzuführen.


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    Frauen fordern gleiche Gehälter

    Obwohl Frauen in den vergangenen Jahrzehnten viel für Gleichberechtigung erreicht haben, verdienen sie in Deutschland bis heute durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer. Am 18. März, dem „Equal Pay Day“, soll auf diese Ungleichheit aufmerksam gemacht werden. Denn die Lohnungleichheit betrifft viele Sektoren und Altersgruppen…


  • Warum wir den Equal Pay Day brauchen

    Sammelklage gegen Birkenstock

    Der Schuhhersteller Birkenstock zahlte Frauen bis 2013 stündlich einen Euro weniger als Männern. Das kann bis zu 240 Euro weniger Gehalt im Monat bedeuten. Rund einhundert Mitarbeiterinnen klagten gegen die Ungleichbehandlung – und bekamen Recht. Inzwischen zahlt Birkenstock gleiche Löhne.


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    Die Schreinermeisterin

    Durch einen Zufall erfuhr die Werkstattleiterin Edeltraud Walla, dass ein Kollege bei gleicher Arbeit und geringerer Qualifizierung 1.200 Euro brutto mehr verdient als sie. Wallas Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wurde 2016 jedoch abgewiesen. Die Schreinermeisterin zog daraufhin vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – doch auch dort hatte ihre Klage keinen Erfolg.


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    Die ZDF-Reporterin Birte Meier fand heraus, dass ihre männlichen Kollegen für gleiche Arbeit mehr Gehalt bekamen und verklagte den Sender im Dezember 2016. Der vorsitzende Richter wies die Klage zurück. „Die Männer haben vielleicht besser verhandelt“, sagte er. Meier wird in Berufung gehen.


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    Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) machte sich auf dem Equal Pay Day 2015 für gerechtere Löhne stark. Anfang 2017 setzte sie ein Gesetz für mehr Transparenz durch. Demnach haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Recht darauf, das Gehalt ihrer Kollegen zu erfahren. Damit gibt es aber immer noch kein Gesetz, das gleichen Lohn für gleiche Arbeit vorschreibt, sagen Kritikerinnen.


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    Frauen verdienen auch deshalb oft weniger Geld als Männer, weil sie häufig in schlechter bezahlten Sektoren arbeiten: Kinderbetreuung, Pflege und andere soziale Berufe. Fürsprecherinnen der Entgeltgleichheit fordern deshalb, dass diese Berufe besser bezahlt werden. Außerdem sollen typisch „weibliche“ Berufe für Männer geöffnet werden und umgekehrt.


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    Männer in Elternzeit?

    Eine grundlegende Ursache für die Lohnungleichheit ist außerdem die Elternzeit. Nur wenige Väter unterbrechen ihre Karriere, um für den Nachwuchs zu sorgen, während Frauen genau deshalb im Beruf kürzertreten müssen. Eine ausgeglichenere Aufteilung der Kinderbetreuung könnte zu mehr Lohngleichheit führen.


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    Deutschland liegt ganz schön weit hinten

    EU-weit bildet Deutschland in Sachen Lohngleichheit zwischen Geschlechtern immer noch eines der Schlusslichter. Aber das zeigt auch: Man kann etwas verbessern.

    Autorin/Autor: Lea Fauth


 

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