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Wirtschaft - 16.06.2019

Fahren mit Wasserstoff – in Deutschland

Kaum Fahrzeuge, kaum Tankstellen. Noch sind Autos mit Wasserstoff-Antrieb eine Rarität in Deutschland und Tanken manchmal kompliziert. Oliver Ristau hat es trotzdem gewagt.

Leise ist er ja. Der Brennstoffzellenstapel unter der Motorhaube des Hyundai Nexo lässt nur ein feines Sirren hören. Ansonsten ist von dem Mini-SUV, der mit Wasserstoff fährt, nur das Abrollgeräusch der Reifen zu hören.

Dafür hat das Tanken Tücken, wie an jenem Tag im Mai, als der Nexo während einer Testtour durch Deutschland in Flensburg die nördlichste Wasserstoffzapfsäule Deutschland ansteuert. Zwar zeigt die Shell-Station für den Kraftstoff grünes Licht – sichtbar an einer Leuchte am Container gegenüber, in dem der Wasserstoff zur Betankung auf 700 bar verdichtet wird.

Doch obwohl die Zapfpistole korrekt mit dem 156 Liter-Tank des Fahrzeugs verbunden ist, strömt kein Gas. Auch die Anzeige an der Säule reagiert nicht. Dass ist mehr als misslich.

Bei einer Reichweite von laut Bordcomputer noch 120 Kilometern würde der Wasserstoff im Tank nicht mehr reichen, damit der Testwagen die nächste deutsche Station in Hamburg 150 Kilometer weiter südlich erreichen kann.

Leerer Tank

Erreichbar ist dafür die Service-Rufnummer, die auf der Tankkarte steht, die alle Wasserstofffahrer von H2-Mobility erhalten, der Betreibergesellschaft des Tankstellennetzes in Deutschland. Ein technischer Mitarbeiter der Firma erklärt, dass die Wasserstofftanks fast leer seien.

Zu wenig Druck: In Flensburg musste der Wagen per Fernsteuerung betankt werden

Der Druck reiche nicht mehr für die automatische Befüllung per Zapfsäule aus. Doch der Mitarbeiter kann weiterhelfen. Per Computer aus Berlin verbindet er sich mit der Anlage in Flensburg. Er habe nun Zugriff auf die Wasserstofftanks, erklärt er und könne aus der Ferne den Rest mobilisieren und in den Fahrzeugtank einfüllen. Dafür muss nur der Zapfhahn am Auto eingeklinkt sein.

Das ist nicht das einzige Problem, mit dem Fahrer von Brennstoffzellenfahrzeugen zu kämpfen haben. Ein Update der Software an den Säulen legte im Mai dieses Jahres ein Reihe von Tankstellen lahm, die nur noch händisch per Fernsteuerung von H2 Mobility Wasserstoff hergaben.

Dazu kommt: das System ist empfindlich. So wird vor der Betankung immer ein Teststoß durchgeführt, um Druck und Wasserstoffmenge im Autotank zu messen. Dafür muss die Zapfpistole korrekt auf dem Tankstutzen stecken, damit eine sichere Verbindung zwischen Station und Tank besteht. Ist das nicht der Fall, kann der Rückstoß an der Pistole zum Ausfall der gesamten Anlage führen.

H2-Mobility verspricht, 24 Stunden am Tag für die Autofahrer da zu sein und Probleme zu lösen. Fast täglich würden Kunden anrufen, erzählt Mitarbeiter Pierre Heidepriem. Oft gehe es einfach darum, beim Tanken zu assistieren.

Absatz steigt

Im Prinzip ist das Tanken von Wasserstoff unkompliziert und dauert nur wenige Minuten. Und die Nachfrage steigt. Der Absatz hat sich innerhalb von zwei Jahren verdreifacht und soll weiter steigen. „Im Gesamtjahr 2018 haben wir fast 70 Tonnen H2 vertankt“, sagt H2-Mobility-Sprecherin Sybille Riepe. „Wir gehen von einer Verdoppelung in den nächsten beiden Jahren aus, 2019 also rund 140 Tonnen und 2020 rund 280 Tonnen.“

Blick unter die Motorhaube: der Brennstoffzellenstapel dominiert

Insgesamt 70 Tankstellen gibt es in Deutschland, doppelt so viele wie vor zwei Jahren. Bis 2020 sollen es 100, 2021 dann 140 sein. Der Nexo ist eines von aktuell drei in Deutschland erhältlichen Brennstoffzellen-Modellen, neben dem Mirai von Toyota und dem GLC von Mercedes-Benz. Die Reichweite beträgt bei vollem Tank – abhängig vom Fahrverhalten – etwa 500 bis 650 Kilometer und damit rund doppelt so viel wie beim Vorgänger ix35.

Noch sind erst einige hundert Brennstoffzellenfahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs. Das Gros sind Firmenflotten oder Fahrdienste wie CleverShuttle, der in Hamburg 20 Mirai fahren lässt. Dazu kommt der öffentliche Nahverkehr. So wie bei den Stadtwerken Mainz, die ab Herbst neben vier Elektro- auch vier Wasserstoffbusse im Linienbetrieb testen wollen.

Wasserstoff für das Gasnetz

Den Kraftstoff dafür liefert eine der größten Wasserelektrolyse-Produktionsstätten Europas, die am Stadtrand im Energiepark Mainz von den Stadtwerken und dem Gasespezialisten Linde betrieben wird. Die drei Elektrolyseure brauchen im Dauerbetrieb eine Leistung von zusammen 4,2 Megawatt (MW). Hinter dem Betriebsgelände unterhalten die Stadtwerke vier Windräder mit je 2,0 MW Leistung, die den Strom rechnerisch liefern.

Linde-Techniker Martin Neuberger vor einem Elektrolyseur

„Aktuell gehen zehn Prozent der Produktion an die Tankstellen“, erläutert der verantwortliche Linde-Betriebsingenieur Martin Neuberger. „20 Prozent wird in das regionale Erdgasnetz eingespeist und der Rest von der Industrie abgenommen.“

Gerade die Einspeisung in das Gasnetz bietet großes Potenzial. In vielen Regionen Deutschlands ist es erlaubt, bis zu zehn Prozent Wasserstoff im Netz vorzuhalten. Wasserstoff kann wie Erdgas für die Heizung eingesetzt werden. So wird grüner Strom in den Wärmesektor überführt.

Hohe Abgaben

Noch ist der Mainzer Elektrolyseur eine Rarität. „Bislang sind Speichertechnologien wie Wasserstoff mit erheblichen Abgaben und Entgelten belastet“, kritisiert Sprecherin Riepe. „Deshalb kann die H2 Mobility grünen Wasserstoff nur an wenigen Standorten anbieten. An anderen Standorten nutzen wir ‚Abfall-H2‘ aus der chemischen Industrie, z.B. in Hamburg aus Stade.“

Das ist Wasserstoff, der etwa bei der Produktion von Chlor anfällt und sonst verbrannt wird. Klar ist: klassischer Industriewasserstoff, der über Dampfreformierung aus Erdgas hergestellt wird, ist aus Klimaschutzgründen nicht nachhaltig. In Leuna setzt Linde deshalb für die Kraftstoffproduktion in diesem Prozess Biomethan statt Erdgas ein.

Grüne Zertifikate

Um den Bedarf an sauberem Wasserstoff zu decken, reicht das aber nicht. Die Betreiber setzen deshalb auch Zertifikate ein. Für grüne Wasserstoff-Zertifikate hat die EU im Frühjahr das Pilotsystem „CertifHY GO“ gestartet. Mit dabei sind die Gasehersteller Air Liquide, Air Products und Stromproduzent Uniper.

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Das Prinzip: Die Produzenten erzeugen den Wasserstoff mit grünem Strom und lassen sich das mit einem Zertifikat belegen. Das geschieht etwa in den Niederlanden, wo Unternehmen Wasserstoff mit Windstrom herstellen. Das grün erzeugte Gas wird dann als ‚grauer‘, normaler Wasserstoff vor Ort verkauft.

In der gleichen Größenordnung erwirbt die Tankstelle normalen Wasserstoff, der durch das Zertifikat quasi grün wird. So kann der Klimaeffekt des Wasserstoffs von einem zum anderen Ort transferiert werden. Und Wasserstoff-Autofahrer können beruhigt Gas geben, denn sie wissen, dass genauso viel Kraftstoff, wie sie verfahren, irgendwo in Europa klimafreundlich produziert wurde.

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