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Politik - 11.05.2019

Yücel erhebt Foltervorwürfe gegen Erdogan

Der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel ist während seiner Haftzeit in der Türkei eigenen Angaben zufolge gefoltert worden!

Yücel machte dafür am Freitag in einer Aussage vor dem Amtsgericht in Berlin den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verantwortlich. In der schriftlichen Fassung der Aussage, über die zunächst die „Welt“ berichtete, erwähnt Yücel Schläge, Tritte, Erniedrigungen und Drohungen durch Vollzugsbeamte in seinen ersten Tagen im Hochsicherheitsgefängnis Silivri bei Istanbul.

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Gegen Yücel läuft in der Türkei ein Prozess, ihm wird unter anderem „Propaganda für eine Terrororganisation“ vorgeworfen. Das Gericht in der Türkei hatte zugestimmt, dass Yücel im Rahmen der Rechtshilfe vor einem Richter in Deutschland aussagen kann. Der Prozess gegen Yücel in Istanbul wird am 16. Juli fortgesetzt. Dem deutsch-türkischen Journalisten drohen bis zu 18 Jahre Haft.

„Ich wurde im Gefängnis Silivri Nr. 9 drei Tage lang gefoltert“, hieß es in Yücels erster Aussage in dem Strafverfahren. „Womöglich auf direkte Veranlassung des türkischen Staatspräsidenten oder dessen engster Umgebung, auf jeden Fall aber infolge der Hetzkampagne, die er begonnen hatte und unter seiner Verantwortung. So oder so, der Hauptverantwortliche für die Folter, der ich ausgesetzt war, heißt Recep Tayyip Erdogan.“

Yücel war bis Februar 2018 ein Jahr lang ohne Anklageschrift in der Türkei im Gefängnis – lange Zeit davon in Einzelhaft. Der Fall hatte eine schwere Krise zwischen Berlin und Ankara ausgelöst.

Yücel nannte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe „unsinnig“ und sprach dem Prozess jede rechtsstaatliche Grundlage ab. „Ich weiß, das, was ich hier zu sagen habe, hat für Ihr Gericht keinerlei Bedeutung und wird in der Türkei der Gegenwart keine rechtliche Entsprechung finden“, hieß es in seiner Aussage an die Adresse der türkischen Richter. Das Urteil der Richter sei „wertlos“. Seine Inhaftierung sei eine „Geiselnahme“ gewesen.

In der Aussage vor dem Amtsgericht Tiergarten sagte der 45-Jährige, er habe auch in seiner Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte „von der erlebten Folter berichtet“. Er habe es ansonsten vorgezogen, darüber nicht öffentlich zu sprechen. „Denn der richtige Ort hierfür war die Gerichtsverhandlung. Darum sage ich es an dieser Stelle zum ersten Mal öffentlich“, erklärte Yücel.

Erst Beschimpfungen, dann Gewalt

Yücel berichtete, nachdem Erdogan Anfang März 2017 eine „Hetzkampagne“ gegen ihn begonnen habe, habe eine sechsköpfige Gruppe aus Vollzugsbeamten damit begonnen, ihn zu schikanieren.

Sie hätten ihn als „Vaterlandsverräter“ und „deutschen Agenten“ beschimpft – „Wiederholungen dessen, was der Staatspräsident über mich gesagt hatte“. Später sei diese Gruppe in seine Zelle eingedrungen.

„Weil in den Zellen im Gegensatz zu den Korridoren keine Kameras installiert sind, wurde ich erstmals auch körperlich mit Tritten gegen meine Füße und Schlägen auf Brust und Rücken angegangen“, hieß es in Yücels Aussage. „Das Maß der Gewalttätigkeit war nicht allzu hoch, weniger darauf ausgerichtet, mir körperliche Schmerzen zuzufügen, als darauf, mich zu erniedrigen und einzuschüchtern. Doch auch so war dies ein Fall von Folter.“

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Yücel berichtete, am folgenden Tag habe die Gewalt zugenommen. „Ein Aufseher aus der Gruppe schlug mir zweimal hart ins Gesicht, dann streichelte er über meine Wange, während ein anderer fragte: ‚Was zahlen dir die Deutschen dafür, dass du dein Vaterland verrätst? Sprich, oder ich reiße dir die Zunge raus.‘“

Dieser Vollzugsbeamte habe dann gedroht: „Warte nur, diesen Finger, mit dem du auf mich gezeigt hast, werde ich dir erst in den Mund stecken und dann … ich weiß schon, wohin.“ In Yücels schriftlicher Aussage hieß es weiter: „‚Wir haben dich nicht geschlagen‘, fuhr derselbe Aufseher fort. ‚Wir haben dich gestreichelt. Du weißt nicht, was Gewalt ist. Aber wenn du willst, zeige ich es dir.‘“

Yücel betonte, dass er den Folter-Vorwurf nicht leichtfertig erhebe. „Folter wird nicht allein durch das Maß der körperlichen Gewalt oder der Grausamkeiten bestimmt.“ Zur Folter gehöre auch, „dass die körperliche und seelische Unversehrtheit, letztlich die Sicherheit des Gefangenen allein in der Gewalt seiner Peiniger liegt“.

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Yücel sagte aus, seines Erachtens nach „hätte niemand außer dem Staatspräsidenten selbst (oder dessen engster Umgebung) gewagt, die Initiative zu einer solchen Sonderbehandlung zu ergreifen“.

Yücel berichtete, er habe damals mit seinen Anwälten beschlossen, die Vorfälle nicht öffentlich zu machen. „Wir schalteten sowohl hochrangige Vertreter der Bundesregierung als auch einen inländischen Politiker als Vermittler ein. Auch wenn ich nicht im Einzelnen weiß, welche Prozesse auf unsere Initiative folgten, zeigten unsere Bemühungen Erfolg.“

Die sechs Aufseher seien am nächsten Tag verschwunden gewesen. Danach sei er keinen Misshandlungen mehr ausgesetzt gewesen. Yücel sagte aus, er habe damals Strafanzeige in der Türkei erstattet – jedoch seien die Ermittlungen ohne Anhörung eingestellt worden.

Yücel hatte während seiner Haftzeit erklärt, er wolle von der Bundesregierung nicht ausgetauscht werden und stehe „für schmutzige Deals nicht zur Verfügung“.

In seiner Aussage hieß es nun: „Allerdings hat es nach allem, was bekannt ist, keinen solchen Deal gegeben – weder einen Austausch mit Personen, deren Auslieferung die Türkei verlangt, noch Waffengeschäfte, noch andere Gegenleistungen.“ Die türkische Regierung sei aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen gewesen, die Spannungen mit Berlin abzubauen. „Und der Weg dahin führte allein über meine Freilassung.“

Yücel bedankte sich bei allen, die sich für ihn eingesetzt hatten. „Für diese großartige Unterstützung bin ich unendlich dankbar.“

▶︎ Der Sprecher für Menschenrechte der CDU/CSU, Michael Brand, fordert eine „umgehende und systematische Untersuchung der oft menschenunwürdigen Situation und der offenkundig systemischen Folter in türkischen Gefängnissen“.

Die Untersuchung müsse geführt werden durch die UN- Menschenrechtskommissarin und ehemalige chilenische Präsidentin Michelle Bachelet, die selbst während der Militärdiktatur in Chile Opfer von Folter wurde.

„Bei Folter und brutalen Menschenrechtsverletzungen hört die Freundschaft auf. Da kann es nicht um Nachsicht gehen, es muss jetzt um intensive Untersuchung und Aufklärung gehen, und das schnell“, fordert Brand.

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