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Politik - 16.12.2018

Wie reagierten die „Gelbwesten“ auf den Terror?

Nach den verheerenden Ausschreitungen am vergangenen Wochenende wollte die Protestbewegung der „Gelbwesten“ heute weiter demonstrieren. Eigentlich.

Doch dazwischen kam eine bewegte Woche:

▶︎ Am Montag machte Präsident Emmanuel Macron den „Gelbwesten“ weitreichende Zugeständnisse, versprach u.a. eine Erhöhung des Mindestlohn – vom Staat finanziert. Würde das die „Gelbwesten“ beruhigen?

▶︎ Am Dienstag dann das Attentat von Chérif Chekatt im Umkreis des Weihnachtsmarkts in Straßburg (vier Tote, 13 teilweise schwer Verletzte) und die anschließende Jagd nach dem Verbrecher, die bis Donnerstag das Land in Atem hielt. Ist danach auch bei den „Gelbwesten“ Trauer angesagt oder sollte der Elan der Proteste beibehalten werden?

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Die Regierung hatte schon fast flehentlicher an die protestierenden „Gelbwesten“ appelliert, auf neuerliche Demonstrationen zu verzichten: Das Land brauche „Ruhe“, sagte Präsident Macron.

Vertreter der „Gelbwesten“ hatten die Teilnehmer aufgerufen, angesichts des Attentats „angemessen“ zu agieren. Die Proteste werde man aber nicht einstellen.

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Durfte man überhaupt demonstrieren?

Die Sicherheitsbehörden hatten nach dem Straßburg-Anschlag die Terror-Warnstufe erhöht: Unter dieser Maßnahme war es in Straßburg verboten, zu demonstrieren. Dies veranlasste Jean-Luc Mélenchon, dem Frontmann der linken Wutbürgerpartei „La France Insoumise“, der Regierung vorzuwerfen, das Attentat in seinem Interesse zu nutzen, indem es Demos verbiete.

Auch Marine Le Pen von der rechten Wutbürgerpartei „Rassemblement National“ (ehemals „Front National“) sprach fälschlicherweise von einem landesweiten Demonstrationsverbot, als Chérif Chekatt noch auf der Flucht war. Sie zeigte allerdings Verständnis dafür und rief darum nicht zu einer Fortsetzung der Proteste auf.

Am Ende waren die Proteste geradezu harmlos

Paris hatte sich wieder „angeschnallt für den Einschlag“. Schaufenster wurden mit Spannplatten geschützt, Museen und andere kulturelle Einrichtungen so auch Schwimmbäder und Gymnasien blieben aus Vorsicht geschlossen, ebenso 40 Metro-Stationen und manche Parks. Das Sicherheitsaufgebot war enorm: 8000 Polizisten und 14 gepanzerte Fahrzeuge sollten für Ruhe sorgen. Landesweit sollten 69 000 Polizisten Ausschreitungen vorbeugen.

Tatsächlich blieb es am Ende den ganzen Tag ruhig – im Vergleich zu den bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen vor einer Woche waren sie geradezu harmlos: Die Polizei sprach am Mittag von 85 Verhafteten.

Medien dort vor Ort berichten von „vereinzelten Scharmützeln“, Bilder zeigen Rauchgranaten an der zentrumnahen Avenue d’Iéna. Vor der Pariser Oper versammelten sich einige hundert zu einem schweigsamen „Sit-in“, drei „Gelbwesten“ bildeten auf den Schultern stehend eine menschliche Pyramide.

Ja, Macron hat den Protesten Wind aus den Segeln genommen

Aus Sicht von Politikprofessor Hans Stark von der Pariser Universität Sorbonne lässt sich die vergleichsweise ruhige Situation nicht nur auf den Terror zurückführen. „Tatsache ist, dass Macron Ankündigungen gemacht hat und auf die Demonstranten zugegangen ist, wenn auch vielleicht etwas verspätet“, erklärt er BILD.

„Es gibt unter den Gelbwesten Unversöhnliche, auch solche, die Marine Le Pen wählen. Aber die Gemäßigten, darunter die Initiatoren, wollen nun erst mal schauen, wie sich seine Zusagen entwickeln,“ so Stark weiter.

Stark sieht auch eine Art Solidarisierung mit den gepeinigten Ladenbesitzern in der Hauptstadt: „Geschäftsinhaber haben enorm gelitten, obwohl sie doch auch Teil der selben Klasse sind“.

Gerade jetzt vor Weihnachten wollten viele von den Gelbwesten „aus Sympathie“ mit ihnen nicht auch noch deren wichtigstes Geschäft verderben.Ja, auch der Anschlag trug zur Beruhigung bei

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Mit dem Terroranschlag würden sich jetzt zwei verschiedene Dinge überlagern, sagt Jörn Leonhard von der Universität Freiburg:

„Durch Macrons Konzessionen ist einerseits der Eindruck entstanden, dass noch mehr Gruppen noch mehr erreichen können aufgrund steigender Erwartungen. Das war bereits bei der Revolution so“, erklärte der Historiker.

„Andererseits mag die Fortsetzung des Protests nach dem Anschlag die Zustimmung der Bevölkerung zu den Gelbwesten mindern und dem Präsidenten die Gelegenheit geben, mit dem Thema der nationalen Sicherheit die soziale und politische Legitimationskrise einzudämmen.“

Die Unzufriedenheit bleibt aber

Die Ursachen für die Revolte liege tiefer als in der Frage der Ökosteuer, erklärt der Geschichtsprofessor. Macron habe eine Revolution von unten versprochen gegen die abgehobenen Eliten (zu denen er selbst gehört).

„Doch kaum im Elysée angekommen hat er, vielleicht stärker als irgendein Präsident vor ihm, einen quasi-monarchischen Stil entwickelt,“ so Leonhard. „Das erklärt die in wenigen Monaten entstandene, dramatische Kluft zwischen den Erwartungen der Franzosen und der wahrgenommenen Abgehobenheit der präsidentiellen Führung“.

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