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Politik - 14.07.2019

Was läuft da verkehrt, Herr Verkehrsminister?

Quelle: BILD
4:02 Min.

Tempelhofer Feld vor dem alten Flughafen in Berlin, 25 Grad, Sonne satt. BILD hat acht Bürger zum großen Gipfel mit Andreas Scheuer (44, CSU) eingeladen. Sie können den Verkehrsminister persönlich fragen, was er tut gegen das Chaos bei Bahn- und Flugreisen. Für umweltfreundliche Innenstädte. Und gegen Dauerstaus auf deutschen Straßen.

Doch der Minister kommt selbst zu spät – er steckte im Stau. Nach zehn Minuten ist er da. Und es geht los mit dem großen BILD-Verkehrsgipfel!

Stau

Hermann Trautwein (47), Abschleppunternehmer aus Lorch bei Stuttgart: „Herr Minister, die Stau-Belastung in unserer Region ist katastrophal. Wann wird es endlich besser?“

Scheuer: „Es soll keine Ausrede sein, aber: Der Bundesverkehrsminister ist nicht für jeden Stau in einer Stadt zuständig. Die Kommunalpolitiker sind hier schon in der Verantwortung. Der Bund ertüchtigt aber zum Beispiel rund um Stuttgart die Bundesfernstraßen mit Mega-Investitionen.

Leider kann man sich in Baden-Württemberg seit Jahren nicht auf eine Umfahrung einigen. Grundsätzlich gilt für ganz Deutschland: Der Verkehrsraum ist begrenzt, gerade zu Spitzenzeiten wie jetzt im Urlaubsverkehr. Es ist aber ein Fehler, dass wir zur Staubekämpfung nur die Hardware – also die Menge an verfügbarem Asphalt – betrachten. Es gibt digital ganz neue Möglichkeiten der Verkehrslenkung mit in Echtzeit erhobenen Mobilitätsdaten.

Datenverantwortung ist dabei natürlich sehr wichtig. Doch da sind Kritiker ganz schnell mit dem Begriff der Totalüberwachung zur Stelle. In anderen Ländern vernetzen sich Infrastruktur und Fahrzeuge oder Fahrzeuge untereinander schon viel besser, es gibt auch viel mehr Angebote für Pendler auf Datenplattformen.

Die Pendler können sich darauf dann vernetzen und gemeinsam an ihr Ziel fahren. Wenn ein Pendler aus Böblingen kommt, nach Stuttgart reinfahren will und sein Nachbar in 300 Metern Entfernung dasselbe Ziel hat, beide aber nichts voneinander wissen, dann werden wir den Pendlerverkehr eben nicht um 40 Prozent reduzieren. Hier müssen die Bürger umdenken und – zum Sparen von Zeit, Geld und CO2 – endlich auch mehr Vertrauen in die Freigabe digitaler Daten an den Staat entwickeln.“

Unfälle

Sabrina Trautwein (47), Hausfrau aus Lorch bei Stuttgart: „Wir haben unseren Sohn 2017 verloren. Er war 20 Jahre alt und wurde Opfer einer Geisterfahrerin. In Österreich gibt es schon länger Warnschilder, die Falschfahrer abhalten sollen. Jährlich sterben in Deutschland im Schnitt sieben Menschen durch Geisterfahrer, in Österreich sind es nur zwei.“

Scheuer: „In Deutschland haben wir diese Schilder auch…“

Sabrina Trautwein: „Wo denn? Am Unfallort meines Sohnes stehen jetzt zwei solcher Schilder, aber wo denn sonst?“

Scheuer: „Der Tod Ihres Sohnes ist dramatisch und sehr traurig, ich kann Ihnen nur meine aufrichtige Anteilnahme ausdrücken. In meinem Wahlkreis in Passau haben wir genau solche Schilder nach österreichischem Modell aufgestellt. Das wurde wissenschaftlich ausgewertet. Ich wurde nach einer gewissen Zeit kritisiert, warum ich so viel Geld ausgebe für so viele Schilder…“

Sabrina Trautwein: „… um Menschenleben zu retten …“

Scheuer: „… genau! Wir haben alles getestet. Wir haben sogar Zapfen getestet, die hochschnellen und die Reifen zerstechen, wenn ein Wagen in die falsche Richtung fährt. Doch dann sind die Rettungs- und Abschleppdienste auf die Barrikaden gegangen, weil diese unter Umständen bei Totalsperrungen falsch auffahren müssen, um an eine Unfallstelle zu gelangen.

Selbst akustische Warnsignale und Lampen und vieles mehr wurden ausprobiert. Bislang fehlt aber leider die Unterstützung, solche Systeme in Deutschland zu implementieren. Der Widerstand ist zu groß. Und wissenschaftliche Auswertungen der entsprechend ausgestatteten Straßenabschnitte in Bayern haben ergeben, dass die Zahl der Geisterfahrer dadurch leider nicht gesunken ist. Es gibt schließlich auch Geisterfahrer, die bewusst falsch auffahren oder eine Mutprobe machen wollen. Die erreicht kein einziges Warnsignal.“

Sabrina Trautwein: „Warum gibt es ab einem bestimmen Alter – etwa ab 65 – keine Pflicht-Fahrtüchtigkeitsprüfungen?“

Scheuer: „LKW- und Busfahrer müssen diese Prüfungen ablegen. Es wurde bereits ein Bonusmodell bei der Versicherung für ältere PKW-Fahrzeugführer angeboten, die freiwillig einen Gesundheitscheck machen. Aber der Aufschrei der älteren Bürger war gigantisch – aus Angst, den Führerschein zu verlieren. Und alle Unfall-Statistiken zeigen: Die älteren Verkehrsteilnehmer fahren nicht schlechter Auto als die jüngeren. Meine Einschätzung: Eine Pflicht-Führerscheinprüfung für Ältere wird niemals durchzusetzen sein.“

Fahrrad

Arne Behrensen (44), Politologe aus Berlin, betreibt die Website cargobike.jetzt: „Sind Sie bereit, das Fahrradfahren auch zulasten des Autoverkehrs zu fördern, um den Verkehr in den Städten endlich klimafreundlicher zu machen?“

Scheuer: „Ich will die Autofahrer nicht einschränken, sondern neue Mobilitätsangebote schaffen. Dazu habe ich das größte Reformpaket für den Fahrradverkehr in Deutschland vorgelegt. Umfang insgesamt: 200 Millionen Euro für Investitionen in Radwege, Modellprojekte und vieles mehr.

Wir wollen Fahrradschnellwege schaffen, also im Grunde Autobahnen für Fahrradfahrer. Doch über Planungen ist das vielerorts leider noch nicht hinaus gekommen, die Mittel wurden bislang kaum verwendet. Es gibt jetzt gerade mal ein Förderprojekt zwischen Mannheim und Heidelberg und eines in NRW, das ist zu wenig.

  • Ungleiche Verteilung

    Neuer Ärger um E-Scooter

    E-Scooter sollen die Städte grüner machen, von Autos befreien und Lücken im Nahverkehr füllen. Aber die meisten stehen in der Innenstadt.

Die Schwierigkeit ist: Die Stadt- und Verkehrsplaner müssen völlig neu denken. Ziel ist es: die Verkehre besser voneinander trennen und Unfälle vermeiden. Wir müssen einen sicheren Fahrradverkehr ermöglichen und brauchen ein besseres Miteinander auf den Straßen. Denn Fakt ist: Wenn es die vielen Menschen in den Städten nicht gäbe, die bereits vom Auto aufs Rad umgestiegen sind, dann wäre der Verkehrskollaps in den Innenstädten noch viel schlimmer.

Andererseits müssen auch die Radfahrer sicherheitsbewusster werden. Wenn nur acht Prozent der 17- bis 30-jährigen Radfahrer einen Helm tragen, dann ist das viel zu wenig.“

E-Roller

Torsten Salaw (57), Busfahrer aus Berlin: „Ich war mit meiner Frau Unter den Linden unterwegs. Da sind uns zig E-Roller entgegen gefahren, bei 20 haben wir aufgehört, zu zählen. Oft standen zwei Leute auf einem Roller. Ihre E-Roller-Erlaubnis wird schamlos ausgenutzt, die Unfallgefahr ist enorm!“

Scheuer: „Deutschland war spät dran mit den E-Rollern. In Städten wie Barcelona, Wien, Paris sind sie längst selbstverständlich. Das ist neue Mobilität. Wir haben das Fahren auf Gehwegen aber verboten und ein Bußgeld vorgesehen. Leider wird aber etwa in der deutschen Hauptstadt zu wenig kontrolliert. Jede Kommune hat dazu die Möglichkeit.

In bestimmten Zonen können Städte zum Beispiel auch E-Roller ganz ausschließen. Das wäre alles möglich. Da muss sich noch einiges zusammenruckeln. Es steht auch jeder Stadt frei, bestimmte Stationen aufzubauen, an denen die Scooter abgestellt werden müssen.

Den Verordnungsrahmen dafür haben wir vorgelegt. Berlin hat sich anders entschieden und gesagt, es ist egal, wo die stehen.“

Bahn

Susanne Hahnkamm (51), Assistentin aus Berlin: „Ich fahre jeden Morgen zum Frühdienst mit der Bahn zum Büro. Ständig sind Gleise gesperrt, Strecken nicht nutzbar, es gibt keine Durchsagen, und selbst im Urlaubsverkehr sind Strecken durch Baustellen gelähmt wie die nach Sylt. Gleichzeitig sind die Fahrpreise der Bahn oft so teuer, dass man sich die Tickets ohne Bahncard nicht mehr leisten kann. Flugtickets sind oft billiger, obwohl Fliegen schlecht für die C02-Bilanz ist.“


Scheuer:
„Ich verstehe Ihren Ärger. Aber: Wir lassen jetzt die Mittel für die Gemeindeverkehrsfinanzierung, also Bauprojekte zur Verbesserung von Verbindungen im kommunalen Bereich, auf eine Milliarde aufwachsen.

Der Bund fördert den Nahverkehr mit über neun Milliarden Euro, wir sorgen für Weichenheizungen und neue digitale Stellwerke. Wir sind da dran. Aber wie das vor Ort organisiert wird, ist die Sache der Kommunen und der Bahn. Was die Ticketpreise betrifft, so ist es ja meine Idee, die Mehrwertsteuer auf Bahntickets zu senken.

  • Bayerns Verkehrsminister

    „Wir warten, was die Tiroler wirklich wollen“

    Österreich hat die Fahrverbote abseits der Autobahn ausgeweitet. Das Interview mit Bayerns Verkehrsminister Hans Reichhart (37, CSU).

Die Preispolitik ist grundsätzlich in Ordnung. Aber wir müssen darüber reden, auf welchen bestimmten Strecken die Bahn ihre Preise senken muss, um hier noch konkurrenzfähiger zum Flugzeug zu sein. Was die von Ihnen angesprochenen Probleme auf der Strecke Niebüll-Klanxbüll nach Sylt betrifft.

Da wollen Verkäufer, Arbeiter, Urlauber hin. Aber es ist nicht zu ändern: Diese Strecke ist eine Achillesferse, alle Beteiligten müssen hier durch ein Maßnahmenpaket eine höhere Leistungsfähigkeit auf der Strecke erreichen. Bei allen Debatten um Fliegen und Bahnfahren sollten wir übrigens darauf achten, dass wir nicht übertreiben. Ich warne auch davor, jetzt Flugscham zu fördern. Es ist in Ordnung, einen Flieger zu nehmen, wenn man anders nicht vernünftig an sein Wunschziel kommt.“

Taxi und UBER

Hasan-Ali Yildirim (28), Taxifahrer aus Berlin: „Sie erlauben private Mietwagenunternehmen zum Personentransport wie UBER in Deutschland. Wie wollen Sie verhindern, dass der Taxi-Markt durch Preisunterbietung vernichtet wird?“


Scheuer:
„Neben Taxis sind Mietwagen wie UBER in einigen Städten Realität. Ich freue mich, dass das Taxigewerbe sich zunehmend digitalisiert und Taxis selbstverständlich per App bestellt werden können. Taxis gehören zur Daseinsfürsorge. Mit den neuen Anbietern wie UBER aus den USA darf es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung kommen, die am Ende die Taxibranche kaputtmacht und zu Sozialdumping führt.

Doch ich kann und will das Rad nicht zurückdrehen, UBER wird bleiben. Die Taxis müssen sich deshalb auch weiter modernisieren, um konkurrenzfähig zu bleiben. Den Rahmen für eine moderne Personenbeförderung werden wir setzen. Ich will keine Zustände wie in San Francisco, wo es kaum ein Taxi mehr gibt. Ich will kein UBER à la USA.“

Lkw-Chaos

Wolfgang Persky (73), LKW-Fahrer in Rente aus Potsdam: „Es gibt viel zu wenig Parkmöglichkeiten für LKW an den Autobahnen, obwohl den Fahrern Ruhezeiten vorgeschrieben sind. Die Fahrer riskieren ihren Führerschein, wenn sie einfach weiterfahren. Das ist ein großes Problem. Unser Berufsbedingungen werden immer schlechter. Früher war ich stolz, LKW-Fahrer zu sein, heute kann ich es keinem mehr empfehlen.“


Scheuer:
„Die Brummifahrer leisten einen unschätzbaren Dienst. Ohne sie ließe sich Deutschlands Wirtschaft nicht am Laufen halten. Seit 2008 sind rund 17 300 zusätzliche Lkw-Parkmöglichkeiten entstanden. Und wir arbeiten weiter daran, mehr zu bauen.“

Pkw-Maut

Stefan Krabbes (31), Student aus Halle (Saale), arbeitet für die Grünen im Bundestag: „Niemand in Deutschland versteht, warum Sie die Verträge mit den Pkw-Maut-Betreibern unterschrieben haben, bevor das Urteil aus Straßburg da war. Wieso haben Sie die Steuerzahler da so reingeritten?“


Scheuer:
„Der Bundestag hatte die Bundesregierung beauftragt, die Maut umzusetzen. Das war meine Aufgabe, ich musste das machen. Wäre das Urteil positiv ausgefallen und ich hätte keinen Vertrag gehabt, keine Vergabe und keinen Mautbetreiber, dann hätten wir erhebliche Einnahmeausfälle und einen Zeitverlust gehabt.“

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