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Politik - 06.06.2019

Veteranen erinnern sich an den längsten Tag des Krieges

„Wir mussten zu schnell erwachsen werden“ – US-Präsident Trump kommt zur D-Day-Feier nach Nordfrankreich – Zeremonie mit Frankreichs Präsident Macron

Quelle: BILD
6:41 Min.

Heute vor 75 Jahren landeten mehr als 150 000 alliierte Soldaten in Nordfrankreich. Der Angriff bei stürmischer Wetterlage überrumpelte die Nazis. Der blutige D-Day am 6. Juni 1944 brachte die endgültige Wende im Zweiten Weltkrieg.

▶︎In der Normandie wird heute mit einer Zeremonie an den D-Day erinnert. US-Präsident Donald Trump wird um 11 Uhr vor Ort erwartet. Er will auf dem US-Militärfriedhof Colleville-sur-Mer bei Bayeux gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Emmanuel Macron an einer Gedenkfeier teilnehmen.

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In BILD erinnern sich US-Veteranen an den historischen Tag, an dem Europas Rettung begann.

Vincent Unger (96, US-Navy Amphibs)

Vor 75 Jahren brachte Vincent Unger die Soldaten der 4. Division auf einem der Infanterie-Landungsboote nach Utah Beach.

„Ich war damals 18 Jahre alt, wir waren alle noch Kinder. Das Wasser war rostfarben vom Blut, überall lagen Leichen“, erinnert sich Unger. „Wir hatten zwar monatelang trainiert, aber darauf waren wir nicht vorbereitet. So viel Feuer, so viel Tod.“

Mehr als 2000 Soldaten sind an diesem Strand gestorben. Die Beerdigungskommandos versuchten vor jeder neuen Invasionswelle, die Strände von den Leichen zu räumen. Aber vor allem im Wasser war es kaum möglich. „Sie waren zu schwer. Viele Leichen wurden von der Meeresströmung in Richtung der Klippen von Point Du Hoc gespült, einige wurden nie gefunden. Ist das nicht schrecklich?“

„Die Deutschen hatten jahrelang ihre Befestigungsanlagen aufbauen können. Wir hatten nur einen Helm und ein Gewehr, als wir landeten.“

„Ich habe in den 75 Jahren nie darüber gesprochen, aber immer davon geträumt. Jeden Morgen hatte ich die Bilder des Kriegs vor Augen.“

Die Strände jetzt in Frieden zu sehen, sei wie ein Wunder für ihn.

Joseph Scida (93, US Navy Amphibs)

Joseph Scida (93, US Navy Amphibs) war Bootsführer eines Landungsbootes vor Omaha Beach für die 29. Division. „D-Day sollte eigentlich einen Tag eher, am 5. Juni stattfinden. Wir waren am 4. Juni auf den Booten, und ich dachte, was für eine verrückte Idee das ist, ich bin auf einem Landungsschiff, es ist eine schlimme Nacht mit hohen Wellen. Aber endlich haben sie gesagt, wir blasen es ab, zurück in die Häfen, alle Schiffe. Wie die Deutschen diese Aktion nicht mitbekommen konnten, ich habe keine Ahnung.“

Am D-Day selbst brachte er Soldaten an den Strand und holte die Verwundeten zurück zum Mutterschiff. „Es waren so viele Körper“, erinnert er sich. „Ich bin zu schnell erwachsen geworden am 6. Juni. Zu viel ist zu schnell passiert.“

Jahrelang sprach er nicht über den Krieg, wollte nur vergessen. Wegen einer Kriegsverletzung findet er erst keine Arbeit, später arbeitet er in einem Schuhgeschäft. „Eigentlich wollte ich Geschichtslehrer werden. Aber ich hatte es gut, hatte ein Auskommen und eine nette Familie, ja, das Leben war gut zu mir. Der Typ da oben denkt sich wohl, ‚Jo du bleibst noch da unten‘.“

Jahrzehntelang will er nicht an den Krieg denken. Erst 2011 kehrt er erstmals in die Normandie zurück.

„Ich wollte unbedingt wissen, wie der Strand jetzt aussieht, und ich war so glücklich, als ich es sah: kein Draht, kein Holz, kein Chaos, nur ein friedliches Bild von Menschen, die spazieren gehen. Das war so eine Freude.“

George F. Mills (97), 28. Infanteriedivision

George F. Mills trat 1942 in die Armee ein, zuvor hatte er Klaviere und Orgeln verkauft.

„Gemeinsam mit zwei Freunden meldete ich mich bei der Army an, ich habe beide nie wieder gesehen.“ In Luxemburg wurde Mills während der Ardennenoffensive gefangengenommen und kam als Zwangsarbeiter für fünf Monate ins KZ.

„Ich fürchtete um mein Leben, wir bekamen kein Essen und Wasser, mussten klauen, um zu überleben. Viele Mitgefangene starben an Ruhr.“ Nach seiner Befreiung ging Mills zurück in die USA und verkaufte wieder Klaviere.

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Steven Melnikoff (99), 29. Infanteriedivision

„Ich war 24, als ich am Strand ankam. Verglichen mit den anderen war ich alt, die meisten Jungs waren 18 oder 19. Wir konnten bereits vom Schiff aus die Kämpfe am Omaha Beach sehen“, erinnert sich Melnikoff.

„Ich bin sicher, dass ich besorgt war, vielleicht hatte ich auch Angst, aber ich war gut ausgebildet. Wir wussten, dass der Krieg zu uns kommen würde, aber wir waren gut trainiert und wir wussten, dass wir einen Job zu erledigen hatten.“

Melnikoff wurde zweimal verwundet, er kämpfte von der Normandie bis nach Torgau an der Elbe, wo die US-Truppen auf die Rote Armee stießen.

D-Day

Der längste Tag des Krieges

Quelle: Histoclips
8:12 Min.

Irvin „Buck“ Price (94), US Navy

Irvin „Buck“ Price (94, US-Navy, Landing Craft Tank 285) war erst 17 Jahre alt, als er am 6. Juni 1944 um 6 Uhr früh in Omaha landete. „Die ersten Schiffe wurden in Stücke zerfetzt, überall waren Körper und Trümmer“, erinnert er sich. „Ich sah den Körper eines Soldaten im Wasser treiben und versuchte, ihn an den Strand zu ziehen. Aber er war so schwer, ich konnte ihn nicht ziehen.“

Die Schiffs-Armada und Massen an Soldaten waren überwältigend. „So viele wurden getötet an diesem Strand an diesem Tag. Ich hätte es mir nicht vorstellen können.“

Nach der Landung stand er mit anderen Soldaten am Strand, einer schaute hoch und sah ein Flugzeug, erinnert er sich. „Das deutsche Flugzeug warf zwei Bomben ab. Eine fiel links neben unserem Landungsboot, eine fiel rechts. Das Boot hat keinen Kratzer abbekommen. Hätte der Flieger ein Maschinengewehr gehabt, hätte er 25 oder 30 von uns dort einfach töten können. Das ist mir immer im Gedächtnis, daran denke ich fast jeden Tag. Ich bin dankbar, dass ich heute noch hier bin.“

Nach dem Krieg wurde er mit der „Ehrenlegion“, dem höchsten Orden Frankreichs ausgezeichnet. Aber er wollte nur noch vergessen.

„Ich habe meiner Familie nie davon erzählt. Jetzt habe ich schon mehr erzählt, als meine Familie überhaupt weiß. Selbst meinem Sohn habe ich nicht davon erzählt. Es macht ja doch keinen Unterschied, und ich wollte nicht, dass er es weiß, ich wollte einfach nicht daran denken. Aber ich war stolz darauf, was ich getan habe, keine Frage.“

Die Feierlichkeiten in der Normandie tun ihm gut. „Es fühlt sich gut an, hier zu sein. Die Menschen geben mir ein sehr gutes Gefühl, wenn sie mir auf den Rücken klopfen und solche Sachen. Aber zu viele Männer wurden einfach vergessen. “

Loren Kissick (94), 83. Infanterie Division

Loren Kissick (94, 83. Infanterie Division) war 19 Jahre alt bei der Landung in der Normandie. Sein Weg führte ihn bis nach Torgau an der Elbe, wo sich US-Streitkräfte und Rote Armee am 25. April 1945 begegneten. Während er spricht und Witzchen macht, blitzen seine freundlichen Augen.

„Wir wussten nicht, dass so viele Deutsche an dem Strand sind, hatten mit einem Bataillon gerechnet. Später hörte ich, dass es wohl sieben waren. Und sie haben uns durch die Hölle geschickt“, erinnert sich Kissick.

„An Land stieß ich auf einen Sherman Tank mit kaputtem Motor. Der Junge, der das Maschinengewehr bediente, feuerte in eine Richtung, den Berg hoch. Ich dachte, der wird wohl wissen, was er tut und schoss mit ihm mit, im Dauerfeuer, bis mein Lauf heiß wurde. Mein Platoonchef kam wütend angelaufen“, erzählt er lachend. „Sowas ist vermutlich der Grund, warum ich als Private in den Krieg ging und als Private wieder rauskam!“

„Wir sind dann später zwei bis drei Meilen gelaufen, alles war ruhig, die Franzosen kamen freudig aus den Häusern gelaufen, gaben uns Wein und wir küssten alle Mädchen. Das hielt etwa eine halbe Stunde. Danach begann der Krieg wieder von Neuem.“

Als die Ardennen-Offensive begann, war Kissick gerade in Luxemburg. „Wir hörten Panzer und dachten, es wären Sherman-Panzer. Kein Grund zur Sorge also. Aber kurze Zeit später, als es dämmerte, kam ein Soldat den Berg hinaufgelaufen, ohne seinen Helm, und rief ‚Ich bin Amerikaner, nicht schießen!‘ Er sagte uns dann, dass es keine Sherman-Panzer, sondern German Panzer sind. Wir dachten, wir sind umzingelt. Wohin läufst du dann? Nach oben? Oder gräbst ein tieferes Loch? Am nächsten Tag wurden wir glücklicherweise dort rausgeholt.“

„Ich habe später gelesen, dass es wohl fünf große Schlachten gegeben habe – in der Normandie, in den Ardennen, in Südfrankreich, im Hürtgen-Wald und an der Elbe. Ich war wohl bei allen fünf dabei“, sagt Kissick und lacht. „Aber es war alles sehr verwirrend damals.“

Nach dem Krieg wollte er nicht mehr daran denken, nicht darüber sprechen.
Als er gefragt wird, warum er bisher nicht über das Erlebte mit seiner Familie gesprochen hat, beginnt er zu weinen. „Ich habe so viele Freunde verloren“, sagt Kissick und trocknet sich die Tränen.

„But time marches on. Ich hatte ein sehr gutes Leben. Wurde nie verletzt, war nie krank. Hatte höchstens mal einen Kater! Meine Kinder passen auf mich auf. Darüber bin ich sehr froh.“

Major Wooten (102), 764th Railway Shop Battalion

Als siebtes von zwölf Kindern, während der Weltwirtschaftskrise aufgewachsen, musste Major Wooten früh erwachsen werden. Als der Vater starb, brach er die Schule ab und musste im Alter von 13 Jahren Baumwolle pflücken, um die Familie zu ernähren.

Im Juni 1943 ging Wooten zur Armee, vier seiner Brüder dienten ebenfalls in den US-Streitkräften: Felton kämpfte unter anderem in Deutschland, Earl im Pazifik. Sein jüngster Bruder Jack fiel 1944 in Italien.

Major Wooten traf nach der Invasion am Utah Beach ein, wo bereits ein provisorischer Hafen errichtet war. Als Eisenbahner war es seine Aufgabe, die Front mit Nachschub zu versorgen und Verwundete abzutransportieren. Nach der Rückkehr habe sein Vater nicht über die Kriegserlebnisse gesprochen, erzählt sein Sohn. Lediglich Fotos und ein kleines Parfümfläschchen hätten verraten, wo Major Wooten während des Krieges stationiert war: in Paris.

„Ich bin sehr dankbar, dass ich heute hier sein kann, so viele können heute nicht hier sein,“ sagt Wooten, als er zum 75. Jahrestag an den Strand der Normandie zurückkehrt.

Stiftungen bringen Veteranen nach Europa

Stiftungen wie „Forever Young Senior Veterans“ und „The Greatest Generation Foundation“ bringen Weltkriegsveteranen zurück an ihre alten Schlachtfelder. „Es hat eine heilende Wirkung“, sagt Diane Hight, Gründerin von „Forever Young Veterans“ und Tochter eines Weltkriegsveteranen zu BILD.

„Vor einer Reise sind sie oft sehr nervös, weil sie nur Kriegserinnerungen an diese Orte haben. Wenn die Veteranen dann sehen, wie gut und frei die Menschen jetzt dort leben können, auch dank der Opfer, die sie gebracht haben, ist es, als wenn sich etwas in ihnen lösen würde“, sagt Hight.

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