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Politik - 22.05.2019

„Schluss mit gekaufter Politik“

Rechnungshof-Chefin fordert gegenüber BILD neue Regeln für die Partei- und Wahlkampffinanzierung

Es war ein Projekt, das SEINEN Namen trug. Die Partei musste zurückstehen – es ging um IHN: um Sebastian Kurz (32). Seine alte, etwas abgewetzte Österreichische Volkspartei (ÖVP) zog im Jahr 2017 hinter IHM, dem jungen Hoffnungsträger, in den Wahlkampf: „Liste Sebastian Kurz – Die neue Volkspartei“ stand auf den Plakaten – nur ein kurzer Zusatz in Klammern informierte über den alten Inhalt: „(ÖVP)“.

Doch der Skandal um das „Ibiza-Video“ von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (49) und dessen rechtspopulistische FPÖ bringt auch Noch-Kanzler Kurz wieder in Erklärungsnot. Denn bis heute, so der Vorwurf etwa der oppositionellen Sozialdemokraten, sei nicht vollständig offengelegt, woher Millionen für seinen Wahlkampf kamen!

Sowohl die „Liste Kurz“ als auch deren späterer Koalitionspartner FPÖ hatten die Wahlkampfkosten brutal überzogen: Statt der gesetzlich in Österreich als Obergrenze erlaubten sieben Millionen Euro, gab die „Liste Kurz“ fast das doppelte aus: satte 13 Millionen Euro! Bei der FPÖ waren es fast 11 Millionen Euro – vier Millionen über der Grenze.

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Am Montag wird sich Kurz nach Lage der Dinge einem Misstrauensantrag im Parlament stellen müssen. Die Opposition schießt sich schon mal ein:

Der Bundesgeschäftsführer der oppositionellen SPÖ, Thomas Drozda (53), greift Kurz gegenüber BILD direkt an – und eröffnet schon mal den Wahlkampf:

►„Unsere Position ist klar: Schluss mit gekaufter Politik! Es kann nicht sein, dass sich Konzerne und reiche Lobbys mit ihren prallen Scheckbüchern Politik kaufen können.“

Drozda bezieht sich gegenüber BILD auf das sogenannte Ibiza-Video, in dem Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache über angebliche Großspender und deren Spenden-Umweg über Vereine berichtet.

Und Drozda wird deutlich: „Bei ÖVP und FPÖ war gekaufte Politik offenbar gängige Praxis, wie die skandalösen Aussagen von Strache in seinem Ibiza-Video nahelegen. Wenn es um illegale Finanzierung und Umgehungskonstruktionen geht, erinnere ich auch an den letzten Nationalratswahlkampf, in dem die ÖVP mit Sebastian Kurz das gesetzliche Wahlkampfkostenlimit um satte 6 Mio. Euro überschritten hat.“

Drozda weiter: „Kurz ist bis heute jede Antwort und jede Aufklärung schuldig geblieben, aus welchen dubiosen Quellen diese Millionen stammen. Die Intransparenz und Verschleierung unter Kurz müsse ein Ende haben. Ich fordere Kurz auf, endlich lückenlos offenzulegen, aus welchen Kanälen der Millionenregen für die ÖVP kommt.“

Drozda bezieht sich bei seinem Angriff auf Äußerungen von Ex-Vizekanzler Strache. Der benennt in dem Ibiza-Video angebliche FPÖ-, aber auch ÖVP-Großspender (die alle dementieren – darunter einer der größten Immobilien-Unternehmer des Landes): „Die zahlen zwischen 500 000 und eineinhalb bis zwei Millionen (…) Die zahlen aber nicht an die Partei, sondern an einen gemeinnützigen Verein.“ Und Strache nennt das angebliche Motiv der reichen Erben und Unternehmer: Diese seien „Idealisten“ und wollten „Steuersenkungen“.

Und darauf zielt SPÖ-Geschäftsführer Drozda mit seinem harten Vorwurf ab: Die ÖVP-FPÖ-Regierung hat Ende April eine große – viel gelobte – Steuerreform beschlossen. Inhalt – neben Erleichterungen auch für Arbeitnehmer und Kleinunternehmer: deutliche Entlastungen auch für große Unternehmen und Immobilien-Konzerne.

Neben umfangreichen Entlastungen für Arbeitnehmer und kleine und mittlere Unternehmer plante die Regierung auch:

▶︎ Entlastungen für Unternehmen bei der gesetzlichen Unfallversicherung um eine halbe Milliarde Euro,
▶︎ die Grunderwerbssteuer für Immobilien-Konzerne zu streichen,
▶︎ Genossenschaftswohnungen schon nach 5 Jahren verkaufen zu können,
▶︎ die Banken- und Finanzaufsicht – nach Auslegung der Opposition – zu schwächen,
▶︎ Kapitalgesellschaften und andere Firmen sollen bei der Körperschaftssteuer um 1,5 Mrd. Euro. entlastet werden

Die Partei-Finanzen für das letzte Wahlkampf-Jahr 2017 werden derzeit vom für Parteigelder zuständigen Rechnungshof Österreichs geprüft. Dessen Präsidentin Margit Kraker (58) fordert gegenüber BILD neue Regeln für die Partei- und Wahlkampffinanzierung: „Das System der Parteienfinanzierung und ihrer Kontrolle ist dringend reformbedürftig. Der Rechnungshof verlangt volle Transparenz.“

Denn wenn es um die Parteienfinanzierung geht, dann fängt der Balkan gleich hinter Bayern an: Wie sich in Österreich selbst Millionen-Spender ganz legal tarnen und verstecken können, das erinnert mehr an eine Balkan- als an die stolze Alpen-Republik. Selbst Millionen-Spender können sich hinter gemeinnützigen Vereinen oder sogenannten Personenkomitees verstecken.

Besonders gern gewählt: die Vereins-Variante, bei der letztendlich ein Verein bei diversen Spendern sammelt und dann selbst als Wahlkampfspender auftritt. Wer an den Verein gespendet hat: Das kann ganz legal geheim gehalten werden!

Die Rechnungsprüfer dürfen nichts wirklich selbst prüfen. Margit Krakers Rechnungshof meldet einen Verdacht auf Verstöße nur an einen „unabhängigen Strafsenat“ – dieses Gremium ist zwar ehrenwert besetzt (u.a. ehemalige Richter), aber ausgerechnet beim Bundeskanzleramt angesiedelt!

Und auch dieses Gremium darf eines nicht: All zu tief in die Spenderlisten der gemeinnützigen Vereine gucken! Ein mit dieser Materie in Wien Betrauter zu BILD. „Es darf zwar geprüft werden, welcher Verein wie viel Geld an welche Partei gespendet hat. Aber es darf nicht nachgeschaut werden, von wem der Verein die Spendengelder für welchen Zweck bekommen oder eingeworben hat. Und spätestens, wenn dieser Verein die Wahlkampfspende an die Partei über einen weiteren Verein laufen lässt, ist nichts mehr nachzuprüfen für uns.“

Bei seiner Prahlerei im Ibiza-Video über angeblich versteckte Zuwendungen von Super-Reichen habe Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eigentlich nur das gängige Österreich-System erklärt“, sagt ein weiterer mit Parteifinanzen befasster Wiener Insider gegenüber BILD.

Rechnungshof-Chefin Kraker will ein Ende dieser Regelung, die ausgerechnet Millionen-Zahlungen an Parteien von wichtigen Transparenz-Regeln ausnimmt. Für die Zukunft fordert sie: „Es darf keine Möglichkeiten geben, Zuwendungen an Parteien zu verschleiern.“

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