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Politik - 20.05.2019

Schadet der „Straxit“ den Rechtspopulisten?

Was die Video-Affäre für die Europawahl am nächsten Wochenende bedeuten könnte

Nur eine Woche vor der Europawahl schlägt das Strache-Video ein wie eine politische Bombe.

Der rechtspopulistische FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache hatte einer vermeintlichen russischen Oligarchin 2017 auf Ibiza öffentliche Aufträge in Aussicht gestellt, wenn sie seiner Partei zum Wahlerfolg verhelfe. Nachdem das Video öffentlich wurde, trat Strache von seinen Ämtern zurück, Österreichs Bundeskanzler kündigte vorgezogene Neuwahlen und ein Ende der Zusammenarbeit seiner konservativen ÖVP mit den Rechtspopulisten an.

Die Europawahl am Sonntag könnte wie eine Art „Testwahl“ für die vermutlich im September anstehende Nationalratswahl sein, vermuten nun österreichische Medien.

Bislang lag die FPÖ in Umfragen mit knapp 20 Prozent auf dem dritten Platz. Nun ist die Frage, wohin sich die FPÖ-Wähler bewegen. Gelingt es der ÖVP, sie abzuholen? Oder bleiben sie frustriert zu Hause?

Die FPÖ versucht nach dem Skandal, eine „Jetzt erst recht“-Stimmung zu erzeugen, um die Wähler zu mobilisieren. Österreichische Medien und Meinungsforscher zweifeln aber daran, dass der Skandal nun die Rechten weiter stärken werde. Im Gegenteil:

Der Chefredakteur von „oe24“, Niki Fellner, konstatierte in einem Kommentar, dass die FPÖ „zerstört“ sei: „Bei der EU-Wahl am kommenden Sonntag droht ihr ein Debakel, bei einer Neuwahl würde sie wohl unter 20 % rutschen“, schreibt Fellner. Zudem sei das generelle Vertrauen in die Politik durch diesen Auftritt auf Jahre beschädigt. „Nie zuvor hat ein Politiker so offen über Korruption, Dirty Campaigning und grausliche Polit-Deals gesprochen.“

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Der Österreichische Rundfunk ORF befragte Meinungsforscher über die Auswirkungen des Skandals auf die Europawahl. Der Konsens nach dem Polit-Beben: Man könne alle bisherigen Umfragen wegwerfen … Und die Zeit reiche nicht mehr für seriöse Umfragen, weil man zwei, drei Tage warten müsse, „bis alles gesickert ist“, sagte Meinungsforscher Peter Hajek dem Rundfunk.

Die Wahlbeteiligung der Europawahl könnte sowohl steigen, weil es die erste Wahl nach dem Skandal ist, als auch sinken, aus Frust darüber, sagte Wolfgang Bachmayer, Chef der Österreichischen Gesellschaft für Marketing (OGM).

Er bezweifelt aber, dass die ohnehin schon wahlfaulen FPÖ-Wähler in „Jetzt erst recht“-Stimmung kommen werden und rechnet eher der ÖVP kurzfristig deutliche Chancen auf ein besseres Abschneiden aus, so Bachmayer zum ORF.

Neue rechte Allianz angeschlagen?

Die FPÖ ist eine der erfolgreichsten rechtspopulistischen Parteien in Europa und schmiedet gemeinsam mit der AfD, der italienischen Lega, der französischen Sammelbewegung Rassemblement National (RN) und anderen an einer neuen rechtsnationalen Allianz im Europaparlament, Arbeitstitel: „Europa des gesunden Menschenverstandes“.

Ein Programm gibt es allerdings nicht, und das dürfte auch nicht einfach werden, weil die Einstellungen etwa zur Unterbringung von Flüchtlingen, Staatsschulden und der künftigen Beziehung zu Russland zu unterschiedlich sind. Das Bündnis könnte dennoch auf bis zu ein Viertel der Sitze im Straßburger Parlament kommen, so die Prognose vor dem Strache-Skandal. Wie die Rechten jetzt allerdings abschneiden werden, ist unklar.

Die Geschichte, mit der Strache sich nun zum Opfer machen will, lautet, dass die Medien illegal gehandelt hätten. Er behauptete sogar, dass gegen den „Ehrencodex der Presse“ und die „journalistische Sorgfaltspflicht“ und Berufsethik verstoßen worden sei.

Kurioserweise sprang ihm in der Medienschelte ausgerechnet des Landesbeautragte für Datenschutz aus Baden-Württemberg bei. „Wenn wir politische Gegner hintergehen, ihre Privatsphäre verletzen und sogar kriminelles Unrecht begehen, schaden wir letzten Endes unserer politischen Kultur und damit uns allen. Kein Ruhmesblatt @DerSPIEGEL @SZ“, twitterte Stefan Brink.

Es folgte ein regelrechter Shitstorm. Der Berliner Journalist Arnd Henze wies darauf hin, dass es sicher „nicht zur Privatsphäre eines Politikers“ gehöre, „die feindliche Übernahme der freien Presse sowie illegale Parteispenden im Gegenzug zu exklusiven Staatsaufträgen auszuhandeln“.

Selbst die Piratenpartei widersprach „ausnahmsweise“ dem Datenschutz-Chef und wies darauf hin, dass die Aufklärung im Vordergrund stehe, „gerade bei einer Person öffentlichen Interesses, der der Geheimdienst eines Landes untersteht“.

Pressefreiheit und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegen in diesem Fall eindeutig, sagt auch Medienanwalt Thorsten Feldmann von der Berliner Kanzlei JBB* zu BILD.

„Es steht zwar außer Zweifel, dass diese Aufnahmen nach deutschem Recht illegal erstellt wurden, weil mit diesem Mitschnitt die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes verletzt wurde. Allerdings ist das strikt zu trennen von der Frage, ob diese Aufnahmen dann journalistisch verwertet werden dürfen.“

Hier müsse von der Redaktion abgewogen werden, welche Interessen der Betroffene hat, ob diese schutzwürdig sind und inwiefern die Aufdeckung im Interesse der Öffentlichkeit ist.

„Wer sich als parteiführender Politiker so verhält wie Heinz-Christian Strache und in die Wohnung eines vermeintlichen russischen Oligarchen geht, nach allem was über politische Einflussnahme von Oligarchen bekannt ist, und sich dann so brisant und demokratiefeindlich äußert, kann sich nicht erfolgreich auf seine Privatsphäre berufen, wenn Medien dies später aufdecken“, sagt Feldmann weiter.

Wie wichtig diese Aufdeckung war, sehe man an den politischen Folgen: „Ich habe selten einen Fall gesehen, bei dem das öffentliche Interesse so eindeutig war. Die Medien haben hier mit legalen Mitteln gearbeitet und nicht gegen ihre Sorgfaltspflicht verstoßen.“

* Die Kanzlei hat in presserechtlichen Fragen auch schon den „Spiegel“ vertreten.

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