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Politik - 10.05.2019

Putin-Kritiker stirbt nach Motorrad-Unfall

Schon wieder ist ein kritischer russischer Journalist eines plötzlichen Todes gestorben – kurz nachdem er die Politik von Russen-Präsident Wladimir Putins (66) scharf kritisierte.

Sergej Dorenko (†59) war Chefredakteur des Moskauer Radiosenders „Goworit Moskwa“, Motorrad-Enthusiast und einer der letzten Journalisten des Landes, der offen sagte, was er von der russischen Politik im In- und Ausland hielt.

Am frühen Donnerstagabend war er mit seiner Maschine auf einer Hauptstraße Moskaus unterwegs. Plötzlich scherte er nach links aus, fiel vom Motorrad und geriet in den Gegenverkehr. Die Szene wurde von mehreren Überwachungskameras gefilmt.

Schon kurz darauf berichteten die russischen Staatsnachrichten unter Berufung auf eine „Quelle aus medizinischen Kreisen“: „Nach Angaben des Gesprächspartners war der Tod natürlich. Der Grund ist nicht der Unfall, obwohl er Motorrad gefahren ist“. Ein Herzinfarkt habe den Journalisten getötet, meldete die staatliche Agentur „Interfax“ kurz darauf. Auffällig: die Meldung kam noch vor der Autopsie des Putin-Kritikers.

Sowohl der Bürgermeister Moskaus als auch Putins Chefpropagandist Dmitri Kisseljow drückten ihr Beileid aus.

Auffällig: Noch kurz vor seinem Tod hatte Dorenko die Politik des Kreml scharf kritisiert. Unter Berufung auf die fehlgeschlagene Notlandung einer Suchoi-Maschine am letzten Sonntag in Moskau (41 Tote) schrieb er beim Nachrichtendienst „Telegram“:

Vergebens bauen wir, natürlich, Flugzeuge. Wir müssen tun, was uns fehlerfrei gelingt: So viele Kirchen wie möglich bauen, religiöse Abteilungen an Universitäten einrichten, Homosexualität bekämpfen, Amerikaner hassen, Ukrainer verachten und so weiter. Wie Sie sehen, gibt es ein großes Feld, auf dem uns niemand schlagen kann. Warum verlieren wir dann Zeit für Luftfahrt und Astronautik?

In weiteren Nachrichten kritisierte er die Behörden des Landes scharf dafür, dass der „Superjet“ von Suchoi, trotz bekannter Probleme, weiter fliegen durfte und darf. Vier Tage später ist der Journalist tot.

Am Freitag durchsuchte die russische Polizei die Redaktionsräume der Online-Nachrichtenplattform „Mash“ in Moskau, konfiszierte Computer und Telefone. Ein Journalist wurde am Morgen am Moskauer Flughafen Scheremetjewo während seiner Arbeit verhaftet und anschließend in Gefängmnis gesperrt.

Auch er und „Mash“ hatten, wie Sergej Dorenko, zum Absturz des „Superjet“ am vergangenen Sonntag recherchiert!

Я в 15: мама забирает провод от монитора, чтобы я не играл в доту

Я в 25: дядя в форме забирает комп, чтобы я не писал новости pic.twitter.com/8flwnn38O2

— Breaking Mash (@BreakingMash) May 10, 2019

Die Kritik am Kreml hatte Sergej Dorenko bereits im Jahr 2000 den Job gekostet: Damals wurde er vom staatlichen „Ersten Kanal“ gefeuert, nachdem er Präsident Putin für seinen Umgang mit dem Untergang des russischen U-Boots „Kursk“ mit 118 Toten kritisiert hatte. Die führenden russischen Medien hatten damals gefordert, die vielleicht noch lebenden Seeleute aus dem Wrack des U-Boots zu befreien, doch der neue Präsident schickte keine Rettungsmission. Stattdessen warf Putin den damals noch teils unabhängigen Medien vor, den Unfall politisch zu nutzen, um ihn zu schwächen.

Der Journalist Sergej Dorenko hinterlässt eine Ehefrau und zwei Töchter im Schulalter.

Nicht der erste Unfall mit Todesfolge

► Nach einem Hubschrauber-Absturz im vergangenen Jahr, bei dem ein russischer Staatsanwalt ums Leben kam, der an der Kreml-Kampagne gegen US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton beteiligt gewesen sein soll, bezweifelte Dorenko dessen offizielle Todesursache.

Seine These dazu: Der Hubschrauber sei nicht mit Bäumen zusammengestoßen und dann abgestürzt, sondern der Pilot sei erschossen worden. Möglicherweise sollte so ein lästiger Mitwisser ausgeschaltet werden.

Auch zahlreiche weitere Kreml-Kritiker sind in den letzten Jahren auf vielfältige Weise plötzlich und unerwartet ums Leben gekommen.

Nachdem Maxim Borodin über den Einsatz russischer Söldner in Syrien berichtet hatte, wurde der russische Journalist Opfer eines mutmaßlichen Anschlags auf sein Leben im russischen Jekaterinburg. Borodin überlebte nicht.

Am 16. April dieses Jahres „fiel“ Borodin aus dem Fenster seiner Wohnung im fünften Stockwerk eines Hauses. Russische Behörden halten es für unwahrscheinlich, dass Fremdeinwirken im Spiel war. Doch Borodin selbst hatte Angst um sein Leben. Am Abend seines Sturzes rief er einen Freund an und erklärte ihm, dass er russische Sicherheitskräfte in der Straße vor seinem Haus gesehen habe. Nur wenige Stunden später folgte der tödliche Sturz.

'Serious concern' about death of Russian journalist Maxim Borodin https://t.co/4IajDokwU9 pic.twitter.com/bKRd7lo2f8

— Alan McGee (@AlanMcGeeSay) April 17, 2018

► Iwan Skripnitschenko war ebenfalls ein Putin-kritischer Aktivist, der das Vor-WM-Jahr in Russland nicht überlebte. Am 15. August 2017 wurde er von Unbekannten zusammengeschlagen, als er die Gedenkstätte des Kreml-Kritikers Boris Nemzow wenige Hundert Meter entfernt vom Kreml in Moskau bewachte. Zunächst wurde er mit einer gebrochenen Nase ins Krankenhaus eingeliefert. Gut eine Woche später starb er aufgrund eines Blutgerinnsels, so die offizielle Version der Behörden.

"So, U don't like Putin, huh?" – 🇷🇺 activist Ivan Skripnichenko beaten to death. In front of the Kremlin. Right where #Nemtsov was killed. pic.twitter.com/aeHwL5CWMu

— olexander scherba (@olex_scherba) August 25, 2017

► Im März 2018 wurde der Exil-Russe Nikolai Glushkov (68) tot in London aufgefunden. Glushkovs Tochter Natalia fand ihren Vater in seinem Haus im Londoner Stadtteil New Malden. Die russische Zeitung „Kommersant“ berichtete, der Leichnam weise „Strangulierungs-Spuren“ auf. Dies hätten Familienangehörige von Gluschkov mitgeteilt. Es sei „noch nicht klar, ob es sich um einen Mord oder Selbstmord handelt“.

► Der russische Medienmogul Boris Berezowski hatte Wladimir Putin erst unterstützt, dann ist er mit ihm in Streit geraten. 2013 kam er unter mysteriösen Umständen ums Leben. Offiziell hieß es damals „Selbstmord durch Erhängen“. Seine Familie hält das für absolut unrealistisch.

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