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Politik - 08.01.2019

Plötzlich wackelt der Brexit-Termin wieder

Totalblockade im Parlament 80 Tage vor dem EU-Austritt + Setzt Theresa May jetzt auf Zermürbungs-Taktik? + Regierungsmitglied bringt Brexit-Verschiebung ins Gespräch

80 Tage vor dem geplanten EU-Austritt ist das Brexit-Kuddelmuddel perfekt. Das einzig sichere schien bislang der Brexit-Termin (29. März 2019). Doch selbst den stellt nun das erste Mitglied aus Theresa Mays Regierung offen in Frage.

Kultur-Staatssekretärin Margot James (61, konservative Tories) sagte der BBC, der Termin für den Austritt könnte verschoben werden, sollte das britische Parlament bis Dienstag keine Kehrtwende vollziehen und Mays Brexit-Plan zustimmen. Damit war die Büchse der Pandora geöffnet, obwohl andere Vertreter der May-Regierung umgehend beteuerten, am 29. März festhalten zu wollen.

Sicher? Laut „Telegraph“-Titelstory, für die sich die Zeitung auf drei unabhängige Quellen beruft, haben britische Unterhändler in Brüssel bereits ihre „Fühler ausgestreckt“ und „das Wasser getestet“, ob die EU-Seite einer Verschiebung zustimmen würde.

The front page of tomorrow's Daily Telegraph 'UK "puts out feelers" to pause Article 50' #tomorrowspaperstoday pic.twitter.com/jBF5eZomuH

— The Telegraph (@Telegraph) January 7, 2019

Bedeutet: Die EU müsste jene „Pausetaste drücken“, die Brexit-Experte Prof. Iain Begg (65) von der London School of Economics bereits im September in BILD ins Spiel gebracht hatte, um einen Chaos-Brexit zu verhindern.

Der Verlängerung des sogenannten Artikels 50, der den Austritt Großbritanniens am 29. März automatisch auslöst, müssten allerdings alle verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten zustimmen.

Sicher wäre die Zustimmung, würde Großbritannien darum bitten, um ausreichend Vorbereitungszeit für ein zweites Referendum zu haben.

Schinden die Brexit-Briten Zeit bis 2. Juli?

Als letzte Deadline dafür wurde in Brüsseler Hinterzimmern bislang der Termin der Europawahl (26. Mai) gehandelt. Der Telegraph spekuliert nun über den 2. Juli, den Tag, an dem das neu gewählte Europäische Parlament erstmals zusammentreten soll.

Aus Irland kamen am Dienstag bereits zustimmende Signale. Deutschlands Außenminister Heiko Maas (52, SPD), der sich derzeit in Dublin aufhält, sagte, er wolle sich derzeit nicht mit der Möglichkeit eines Aufschubs befassen.

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Hintergrund: Am 15. Januar steht im britischen Unterhaus die Abstimmung über Theresa Mays Plan an, auf Basis des mit der EU ausgehandelten Abkommens am 29. März vergleichsweise „weich“ aus der Europäischen Union auszutreten.

Zwar wären die künftigen Handelsbeziehungen noch ungeklärt, stünde der harte Teil der Verhandlungen beiden Seiten erst bevor. Doch dafür würden komfortable Übergangsfristen den Druck aus dem Kessel nehmen – und den von allen Seiten befürchteten Chaos-Brexit mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern.

Mays Problem: Eine Zustimmung im Londoner Unterhaus für ihren Plan gilt nach wie vor als unwahrscheinlich. Knackpunkt bleibt eine Notfall-Klausel für die innerirische Grenze, die Hardliner in Belfast (Mays Koalitionspartner DUP) und London nicht akzeptieren wollen. Damit soll aus EU-Sicht ein Wiederaufflammen des Nordirland-Konflikts (3000 Tote bis zum Jahr 1998) verhindert werden.

Weil sich aber auch für die beiden Alternativen – zweites Referendum zum EU-Verbleib oder Chaos-Brexit ohne Abkommen – keine Mehrheiten abzeichnen, droht nach der Regierungs-Dauerkrise in London eine handfeste Verfassungskrise. Die „Sun“ berichtet am Dienstag über Pläne der oppositionellen Labour-Partei, den ungeordneten Brexit durch Änderungen an Haushaltsgesetzen auszuschließen, die de-facto zu einer Haushaltssperre nach US-Muster führen würde, solange die Parlaments-Blockade andauert.

Hintergrund ist die Hoffnung der Opposition, die in Sachen Brexit ebenso gespalten ist, bei Neuwahlen die Macht zu übernehmen. Auf Seiten der Labour-Wähler wächst laut jüngsten Umfragen die Neigung, den Brexit abzublasen und doch in der EU zu verbleiben. Dies sieht insgesamt die jüngere Generation im Vereinigten Königreich genauso.

Beobachter rätseln, was May im Fall einer Niederlage am Dienstag tun wird. Ein Rücktritt wäre möglich, würde das Land aber nicht weiterbringen. Wahrscheinlicher: Sie könnte auf eine „Und täglich grüßt das Murmeltier“-Taktik setzen – und ihren Antrag wieder und wieder ins Parlament einbringen – bis die Mehrheit erreicht ist.

Ausschließen wollte May ein solches Vorgehen ausdrücklich nicht – obwohl eine demütigende Niederlagenserie die Folge sein könnte.

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Die naheliegende Variante – die Umfrage einfach noch einmal in letzter Sekunde zu verschieben wie im Dezember – gilt als nahezu ausgeschlossen. Erstens würde May bei einem zweiten Kneifen unglaubwürdig. Zweitens sehen britische Verfassungsrechtler in diesem Fall Schlupflöcher für das Parlament, das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen.

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