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Politik - 11.03.2019

Nordkoreas Gang zur gläsernen Wahlurne

Viele Menschen haben sich schick gemacht, tragen traditionelle Gewänder. Kinder führen Musikstücke und Tänze auf, schwenken Blumensträuße.

Pjöngjang putzt sich raus. Was am Sonntag nach Feiertag aussah, war nichts anderes als der Wahltag zur neuen Zusammensetzung der Obersten Volksversammlung. Wobei, was heißt schon Wahl? Der gläserne Gang zur Wahlurne gilt als Farce, denn es gibt zwar Wahllokale und eine Urne, aber keine Auswahl auf dem Zettel. Für jeden der 687 Sitze im Parlament gibt es genau einen Kandidaten. Wer nicht für diesen stimmt, gilt als verdächtig.

Bei Nordkoreas Wahlen hat niemand eine Wahl – und das gewählte Parlament hat nicht mal wirklich Macht!

Der Wahl-Tag in Bildern

Es gilt als Zeichen des Respekts und der Loyalität, möglichst früh am Tag wählen zu gehen, daher gab es schon morgens lange Schlangen vor den Wahlbüros.

Auch ausländische Diplomaten waren eingeladen, die Wahllokale zu besuchen. „An diesem Nachmittag in Pjöngjang herumgelaufen, ich habe Menschen gesehen, die den Wahltag als Festival behandeln, mit Singen und Tanzen, nachdem die Menschen gewählt haben“, schrieb der britische Botschafter in Nordkorea, Colin Crooks, am Sonntag auf Twitter.

Walking around #Pyongyang this afternoon I found people treating Election Day as a festival with singing and dancing after people had voted. Most polling stations were offices or schools but I found one in a restaurant #NorthKorea pic.twitter.com/ZzLZ99ebTl

— Colin Crooks (@ColinCrooks1) March 10, 2019

So läuft die Wahl ab

Während die verarmte Atommacht international um Nahrungsmittelhilfe bettelt, wird der bedeutungslose Stimmgang als bunte Veranstaltung inszeniert.

Denn eine wirkliche Wahl haben die Bürgerinnen und Bürger nicht:

► Teilnehmen müssen (!) Nordkoreaner ab 17 Jahren! Mit Ausnahme von Bürgern im Ausland und Fischern hätten am Sonntag bis 18.00 Uhr (Ortszeit) alle registrierten Wähler ihre Stimme abgegeben, berichteten die Staatsmedien. 2014 lag die Wahlbeteiligung bei 99,97 Prozent.

► Auf den Wahlzetteln ist jeweils nur ein Name angegeben. Die Nordkoreaner müssen keine Kreuzchen setzen, sondern die Zettel lediglich in eine offen einsehbare Urne werfen. Rein theoretisch haben die Bürger das Recht, den Namen des Kandidaten durchzustreichen – was einer Nein-Stimme entspräche.

► Dafür gibt es Wahlkabinen. Wer dort reingeht, macht sich verdächtig. Angesichts der Arbeitslager in Nordkorea vielleicht keine so gute Idee.

Die Parteizeitung „Rodong Sinmun“ pries das Wahlsystem als „das überlegenste der Welt“. Dagegen ist in den Augen des Westens die Parlamentswahl in Nordkorea eine Farce. Zwar gibt es nominal mehrere Parteien, doch praktisch existiert ein Einparteiensystem. Daher gibt es auch keinen Wahlkampf, die Sieger stehen gewöhnlich vorher fest.

► Die Oberste Volksversammlung ist zwar formal das höchste Staatsorgan. Doch treten die Abgeordneten nur ein- oder zweimal jährlich zusammen, um vorher gefasste Beschlüsse der Führung zu ratifizieren. Die Volksversammlung gilt lediglich als Karrieresprungbrett für die Parteipolitiker.

Beobachter in Südkorea erwarten daher, dass Kim auch heute eigene Gefolgsleute in der neuen Volksversammlung unterbringt.

Seit Wochen versuchte die Führung, Wahlstimmung zu erzeugen. Bunte Propagandaplakate drängten die Menschen zur Stimmabgabe. Im Mittelpunkt standen Beschwörungsformeln vom Zusammenhalt. „Lasst uns dank der Stärke der Einheit weiter den Sozialismus unseres eigenen Stils rühmen“, war auf einem der Wahlposter zu lesen.

Kim Jong-un habe am Sonntag seine Stimme an der Kim Chaek-Universität für Technologie in Pjöngjang abgegeben, hieß es. Er sei vom Lehrpersonal und den Studenten enthusiastisch „mit höchsten Ehren und wärmsten Grüßen“ empfangen worden.

So stellt sich die Staatsführung unter Machthaber Kim Jong-un die alle fünf Jahre stattfindenden Wahlen zur Obersten Volksversammlung vor:

Trotz wirtschaftlicher Misere sollen die Menschen des 25-Millionen-Volks fröhlich sein. Vor den Wahllokalen feiern die Menschen und Kinder führen Tänze auf, preisen den „weisen Führer“ des Landes.

► Überraschungen werden nicht erwartet. Im Gegenteil. Das Ergebnis wird aber erst in wenigen Tagen offiziell verkündet.

Erfahrungswerte von der letzten Wahl 2014: Die 687 handverlesenen Kandidaten erhielten etwa 100 Prozent Zustimmung, verkündeten zumindest die Staatsmedien. Damals ließ sich auch Kim Jong-un für die Volksversammlung wählen. Ihm war nach dem Tod seines Vaters Kim Jong Il bereits 2011 die Verantwortung übertragen worden.

Die Situation in Nordkorea ist kritisch: Sanktionen wegen des Atomprogramms blockieren den wirtschaftlichen Aufbau. Das letzte Treffen zwischen Kim Jong-un und US-Präsident Donald Trump Ende Februar scheiterte. Umso wichtiger ist die innere Einheit. Nicht einfach mit Blick auf die Versorgungssituation. Die Lebensmittelproduktion sei 2018 auf ein Zehn-Jahres-Tief gefallen, schrieb der UN-Landeskoordinator für Nordkorea, Tapan Mishra, am vergangenen Mittwoch.

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