Home Politik Mays wirrer Plan B
Politik - 22.01.2019

Mays wirrer Plan B

Kein zweites Referendum ++ EU-Austritt soll nicht verschoben werden

Quelle: Reuters
2:14 Min.

Kein Brexit-Durchbruch zur „Teatime“. Nur ein wirrer Plan B, der mehr Fragen offen lässt als beantwortet.

Aber immerhin: Ein Funken neue Hoffnung für die Briten auf einen kompromissfähigen EU-Austrittsvertrag! Die britische Premierministerin Theresa May (62) stellte ihren „Plan B“ im Parlament vor, nachdem ihr mit Brüssel ausgehandelter „Deal“ am vergangenen Dienstag von einer klaren Mehrheit der Abgeordneten – auch aus ihrer eigenen konservativen Partei – abgeschmettert worden war.

Seitdem droht am 29. März ein Chaos-Brexit, eine schmutzige Scheidung mit weitreichenden Folgen für die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs.

  • Er sorgt im Parlament für Ruhe

    Über diesen Brüll-Briten amüsiert sich die Welt

    „ORRR-DUHHH! ORRR-DUHHH!“ Er behält immer den Durchblick, selbst im größten Brexit-Wirrwarr – John Bercow schafft Ordnung im Parlament.

Mays klare Absage an zweites Referendum

May sagte, die EU werde Artikel 50 (die Frist für den Brexit am 29. März) zeitlich nicht verlängern, wenn kein konkreter Plan von britischer Seite vorliege. Eine Fristverlängerung würde zudem gegen den Geist des Referendums verstoßen.

Mehrfach ablehnend äußerte sie sich zu dem Vorschlag, ein zweites Referendum über den EU-Austritt abzuhalten: Dafür gebe es „keine Mehrheit“ im Parlament, sagte sie.

Stattdessen will May nun herausfinden, was die Abgeordneten in Bezug auf die umstrittene Notfall-Klausel („Backstop“) für die irische Grenze fordern. Um dann mit der EU in Nachverhandlungen einzusteigen – die Brüssel bislang ausschließt.

Ihr Ziel bleibt ein geordneter Brexit. Ihr Problem bleibt: Labour-Chef Jeremy Corbyn will nicht mit ihr verhandeln, weil er sie durch Neuwahlen aus Downing Street 10 vertreiben möchte.

May betonte, sie wolle das Belfast-Abkommen zur Befriedung Nordirlands („Karfreitags-Abkommen“ von 1998) nicht neu verhandeln. Die Vereinbarung müsse während des Brexit-Prozesses vollständig eingehalten werden.

Was Mays wirrem Plan fehlte: Ein konkreter neuer Ansatz, wie die verhärteten Fronten sich zu einem Kompromiss zusammenraufen könnten.

Einziger klarer Fortschritt: Sie kündigte an, die unsägliche Gebühr für EU-Bürger (74 Euro), die weiter im Vereinigten Königreich leben wollen, ersatzlos abzuschaffen.

Ein Polen-Minister machte May Hoffnung

In den letzten Stunden vor ihrem Auftritt im Parlament ereilten May zwei schlechte Nachrichten und eine gute:

► Ihr neuer Verhandlungsversuch mit Irland in Bezug auf die umstrittene „Backstop“-Klausel zur Grenzfrage entpuppte sich als Verzweiflungstat bzw. Nebelkerze: Irlands Europaministerin Helen McEntee bestätigte, dass ihr Land NICHT in bilaterale Verhandlungen mit Großbritannien über den Brexit eintrete.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) stellte klar: Ein mögliches „Zusatzabkommen“ werde „keine Auswirkungen auf das haben, was mit der EU-Kommission verabredet worden ist“.

  • BILD-Talk „Die Richtigen Fragen“

    Bezahlen WIR IHR Brexit-Chaos?

    67 Tage bis zum Brexit – und noch immer droht das Chaos. Theresa May will heute „Plan“ vorlegen, doch neue Verbündete hat sie nicht

  • Nach AKKs „Liebesbrief“

    Brexit-Briten spucken Gift und Galle

    Die gehässigen Reaktionen lassen ahnen, wie der nahende Brexit an den Nerven zehrt. Aber auch: Wie verhärtet die Fronten sind.

► Dann bekam May noch einmal offiziell zu hören, dass die EU-Seite nicht gewillt ist, neue Angebote vorzulegen, ehe sie nicht endlich eine britische Position zustande bringt (oder die Konsequenz aus dem Nichtzustandebringen zieht …): „Sucht die Antwort nicht in Brüssel. Dies ist der Moment, da London sprechen sollte, nicht wir“, ließ EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittag seinen Sprecher ausrichten.

Doch dann kam der Hoffnungsstreif am Horizont für May DOCH wieder vom so ungeliebten Festland-Europa: Laut eines BBC-Reporters schlug Polens Außenminister eine Begrenzung der Notfall-Lösung für den Handel zwischen Irland und Nordirland (Backstop) auf fünf Jahre vor. Irland reagierte darauf klar ablehnend, ähnlich negativ äußerte sich Maas.

Hintergrund: Beobachter befürchten, dass eine feste Grenze zwischen Irland und Nordirland den 1998 festgeschriebenen Friedensprozess stoppen und neue Gewalt in der früheren Bürgerkriegsregion anfachen könnte. Nahrung erhielten die Sorgen nach der Explosion einer Autobombe im nordirischen Londonderry am Samstag. Als Verdächtige wurden fünf Männer festgenommen, die der militanten Gruppierung Neue IRA angehören sollen. Derartige Vorfälle könnten sich häufen, warnte der Nordirland-Mediator Michael Doherty: „Der Brexit wird zweifellos als Ausrede für Republikaner angesehen werden, um den britischen Staat mit Gewalt von der irischen Insel zu vertreiben“.

Oppositionschef blockt Gesprächsangebote ab

Beobachter halten es für möglich, dass es die letzte Chance für May ist, doch noch beim EU-Austritt „zu liefern“, die „Ziellinie zu erreichen“, wie sie in Endlosschleife den Sinn ihrer Amtszeit beschreibt. Dass es keinen Plan C geben wird.

Denn dass May die Zügel in der Hand behält, scheint inzwischen fraglich: Abgeordnete im Unterhaus wollen der Premierministerin laut Medienberichten teilweise die Kontrolle beim Brexit-Prozess entziehen. Eine parteiübergreifende Initiative will May zwingen, den Austrittsprozess zu stoppen, falls bis Ende Februar keine Einigung gelingt.

Ungerührt blieb davon Labour-Chef Jeremy Corbyn (69): Der Oppositionsführer verweigert sich weiterer einem Angebot von Theresa May, den Alternativ-Plan fraktionsübergreifend vorzubereiten. Er setzt auf Neuwahlen.

Was genau Mays neuer Brexit-Plan vorsieht, blieb bis zur letzten Sekunde geheim. Experten rechneten mit einer Art Fahrplan für einen Last-Minute-Konsens. Auch Nachverhandlungen mit Brüssel zählen dazu.

Am 29. Januar soll im Unterhaus über den Fahrplan debattiert und abgestimmt werden. Die Abgeordneten haben dabei die Möglichkeit, die Beschlussvorlage abzuändern – falls Mays Plan B bis dahin Bestand hat.

  • Das skurrilste Parlament der Welt

    Bei Brexit-Debatten bitte 2 Schwertlängen Abstand halten

    Das britische Unterhaus ist mindestens seltsam, eher skurril – und in jedem Fall Fall verdammt verwirrend. BILD klärt auf!

Corbyn und May ignorieren Wählerwillen

Wie gespalten die britische Öffentlichkeit ist, zeigt eine neue Umfrage für die Zeitung „Guardian“ (Institut ICM), die direkt nach Mays Abstimmungsschlappe im Parlament erhoben wurde. Demnach wollen nur noch acht Prozent der Briten, dass May ihr Abkommen mit der EU vorantreibt.

Doch auch für die anderen Optionen zeichnet sich bei Weitem keine Mehrheit ab: Entweder befürworten die Briten einen Brexit ohne Abkommen (28 Prozent), eine neue Bürgerbefragung (24 Prozent) oder Neuwahlen (elf Prozent), wie von Labour-Chef Corbyn gefordert.

Das zeigt den ganzen Brexit-Irrsinn: Die Parteichefs Corbyn und May vertreten zusammen noch den Willen von etwa jedem fünften Wähler. Ihre Abgeordneten stellen aber 572 von 650 Abgeordneten im britischen Unterhaus (88 Prozent).

Praktisch keine Stimme im Parlament haben dagegen jene 56 Prozent der Briten, die laut neuesten Umfragen in einem neuen Referendum für einen Verbleib in der EU stimmen würden.

Brexit-Briten bunkern Gold

Die Sorge der Nordiren vor einem harten Brexit verhilft einer privaten Tresorfirma in Irland zu goldenen Zeiten: Allein im vergangenen Jahr verzeichnete der Schließfachbetreiber Merrion Vaults einen 70-prozentigen Anstieg von Kunden aus Nordirland, die in der Filiale in Dublin ihr Gold bunkern.

Grund laut Nachrichtenagentur AFP: Angst vor einer Abwertung des Pfunds durch das drohende Brexit-Chaos. Das Edelmetall gilt in Krisenzeiten als sichere Bank, in Belfast gibt es ein Unterangebot an Lager-Möglichkeiten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Kim bettelt um Spenden für Papa und Opa

Die Sanktionen drücken und Kim scheint kaum noch Geld zu haben. Alles fließt in sein Raket…