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Politik - 17.01.2019

May will liefern

Rede der Premierministerin: „Es ist meine Pflicht, den Brexit umzusetzen“ ++
Jetzt beginnt der Poker um einen möglichen Plan B

Quelle: Reuters
1:00 Min.

Theresa May hat die Zitterpartie überstanden!

Das Misstrauensvotum gegen die britische Premierministerin ist gescheitert. Um 20.16 Uhr gab es die Entscheidung: 325 Abgeordnete stellten sich hinter May, 306 sprachen ihr das Misstrauen aus – machen nur 19 Stimmen Unterschied.

Das heißt: May bleibt im Amt. Sie muss nun bis Montag einen neuen Plan zum Brexit vorlegen. Noch am späten Mittwochabend erklärte sie in einer 3-Minuten-Rede: Gespräche mit allen Parteien sollen jetzt dazu führen, dass der nächste Brexit-Plan nicht im Parlament scheitert. May wörtlich: „Es ist meine Pflicht, den Brexit umzusetzen.“

Hintergrund: Das Unterhaus hatte am Dienstagabend mit großer Mehrheit gegen den zwischen der britischen Regierung und der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag gestimmt, Oppositionsführer Jeremy Corbyn beantragte daraufhin das Misstrauensvotum.

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    Die Abstimmung über den Brexit-Deal hatte sie verloren, das Misstrauensvotum überstand sie. Jetzt will May den Brexit angehen.

▶︎ Corbyn forderte, vor solchen Gesprächen müsse May erst mal einen No-Deal-Brexit ausschließen. Auch der Chef der Liberalen wollte von der Premierministerin die Zusicherung, dass kein ungeordneter Brexit kommt.

Der Vertreter der schottischen Partei SNP ging noch weiter: Er wolle nur mit May reden, wenn ein zweites Referendum und eine Verzögerung des Austrittsdatums zur Debatte stünden, das gemäß Artikel 50 der EU-Verfassung für den 29. März festgelegt wurde.

So reagieren die Medien

Theresa May sei mit einem blauen Auge davongekommen, so der Grundtenor der meisten Medien.

Die Verhandlungen im Unterhaus hätten einer Komödie geglichen, schreibt die britische Zeitung „The Sun“. Dass May da durchhalten konnte bringt ihr bei „Spiegel Online“ den Titel „die Unkaputtbare“ ein. Für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ist May noch „knapp davongekommen“. Ansonsten heißt es im deutschsprachigen Raum May habe das Misstrauensvotum „überstanden“, der britische „Guardian“ spricht sogar von „überlebt“.

Wer wollte was beim Misstrauensvotum

Die Kampfansage von Corbyn war klar: Er wollte den Rücktritt der Premierministerin und Neuwahlen. Einen Brexit-Masterplan hat aber auch er nicht in der Tasche.

Trotzdem wetterte Corbyn: Die heftige Niederlage bei der Abstimmung über den Brexit-Deal am Dienstagabend habe gezeigt, dass May nicht in der Lage sei weiterzumachen. „Diese Regierung hat unser Land im Stich gelassen, sie kann nicht regieren“, sagte Corbyn. Und weiter: „Die Regierung hat die Kontrolle verloren. Der Frankenstein-Deal ist tot.“

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    Liebe Theresa May,

    in einem einzigen Interview ­ließen Sie sich in Ihr Herz schauen. „Mein Mann und ich sehen Familien mit ­Kindern, die wir nicht haben.“

▶︎ May konterte, eine Neuwahl sei „das Schlechteste, was wir machen können“. Sie würde die Spaltung im Land vertiefen, Chaos und Stillstand bringen.

Wie geht es weiter?

May will nach dem Vertrauensbeweis nun mit allen Parteien das weitere Vorgehen besprechen. Am Mittwochabend hätten bereits „sehr konstruktive Gespräche begonnen“, erklärte sie.

Am Montag will sie dann einen Plan B vorlegen, um einen chaotischen EU-Austritt doch noch zu verhindern. Wenn ein „No Deal“-Austritt ohne Abkommen vermieden werden soll, muss es innerhalb weniger Wochen eine Einigung geben.

Am 29. März ist der offizielle Austrittstermin Großbritanniens aus der EU.

Wie es mit jetzt wirklich mit dem Brexit weitergeht, ist völlig unklar.

Im Brexit-Wirrwarr sind viele Szenarien möglich. Doch welche Optionen bleiben jetzt eigentlich noch?

Erneute Abstimmung

Die britische Regierung hindert nichts daran, den Austrittsvertrag im Parlament erneut zur Abstimmung zu stellen.

▶︎ Sie bräuchte dafür aber wohl neue Zugeständnisse der EU. Diese lehnt allerdings Nachverhandlungen über den Vertrag selbst ab. Zu ihm gehört auch die von den Brexit-Hardlinern kritisierte Auffanglösung für die Grenze zur britischen Provinz Nordirland (Backstop).

Demnach würde das Vereinigte Königreich ohne andere Vereinbarung in einer Zollunion mit der EU bleiben, was eigene britische Handelsabkommen verhindern würde.

„Halbe“ Mitgliedschaft nach Norwegen-Modell

Pro-europäische britische Politiker liebäugeln schon länger mit der „Norwegen-Option“, die eine Art „halbe“ EU-Mitgliedschaft ermöglichen würde. Großbritannien bliebe dabei im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und im EU-Binnenmarkt.

▶︎ Dann müssten die Brexit-Befürworter aber auf ihre Forderung verzichten, die Arbeits- und Niederlassungsfreiheit für EU-Bürger zu beschränken. Zudem müsste Großbritannien weiter EU-Mitgliedsbeiträge zahlen, hätte aber kein Stimmrecht mehr bei Entscheidungen zur Weiterentwicklung des Binnenmarktes.

Zweites Referendum

In Großbritannien gibt es quer durch die Parteien Rufe nach einem zweiten Referendum, das auch den Verbleib in der EU ermöglichen könnte. Am Mittwoch unterzeichneten mehr als 70 Labour-Abgeordnete ein Schreiben mit der Forderung nach einer neuen Volksabstimmung.

Das Problem: Die Zeit ist knapp. Experten schätzen den nötigen Vorlauf auf fünf Monate. Ob Großbritannien am Ende in der EU bleiben würde, ist offen, auch wenn Umfragen zuletzt eine knappe Mehrheit für die Austrittsgegner sahen. Anders als viele in seiner Partei zieht Labour-Chef Jeremy Corbyn ein neu ausgehandeltes Brexit-Abkommen einem Referendum vor.

Verschiebung des Austritt-Termins

Angesichts der chaotischen Lage in Großbritannien sind Neuwahlen nicht ausgeschlossen, die vor dem Brexit-Stichtag im März aber nicht mehr organisiert werden können.

Um Zeit für einen Urnengang, ein zweites Referendum oder Nachverhandlungen zu schaffen, wäre die Verschiebung des Austrittstermins möglich.

Dem müssten die anderen EU-Staaten einstimmig zustimmen. Viel Spielraum ist allerdings nicht, denn schon Ende Mai finden Wahlen zum Europaparlament statt, an denen Großbritannien bisher nicht teilnehmen sollte.

Rücknahme des Austritts

Für London besteht bis zum Austrittsdatum auch die Möglichkeit, den Brexit-Antrag ohne Zustimmung der EU einseitig zurückzunehmen. Dies bestätigte der Europäische Gerichtshof im Dezember.

May warnt aber vor „katastrophalen“ Folgen für die britische Demokratie, wenn das Ergebnis des Brexit-Referendums von 2016 missachtet würde.

Harter Brexit

Bekommt die britische Regierung den Brexit-Vertrag trotz aller Versuche nicht durchs Parlament und zieht nicht die Austrittsnotbremse, droht ein chaotischer Austritt ohne Abkommen. Beziehungen aus 45 Jahren EU-Mitgliedschaft würden schlagartig gekappt. Sollte das passieren, könnten beide Seiten bloß Notvereinbarungen schließen.

Nicht ausgeschlossen also, dass das Land quasi aus Versehen oder aus Zeitnot über die Klippe schlittert.

Für Wirtschaft, Arbeitnehmer und Bürger brächte dies dramatische Unsicherheit und wohl einen Konjunktureinbruch.

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