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Politik - 13.06.2019

Jetzt greift Brexit-Boris nach der Macht

Mit 114 Stimmen gewann Johnson die erste Abstimmung mit großem Vorsprung + Noch sieben Kandidaten im Rennen – ausschließlich Männer

Wer wird Nachfolger der scheidenden Premierministerin Theresa May (62) als Chef der konservativen Partei? Von heute an fällt in einem maximal sechswöchigen Auswahlverfahren in London die Entscheidung.

Klarer Favorit ist trotz etlicher Eskapaden und zuletzt Wirbel um seinen angeblichen Kokain-Konsum als Oxford-Student: Der ehemalige Außenminister, May-Widersacher und Brexit-Hardliner Boris Johnson (54). Für ihn hat sich sogar schon US-Präsident Donald Trump (72) öffentlich ausgesprochen.

Doch erstens steht der Sieger des aufwändigen Prozesses wohl erst Ende Juli fest. Und zweitens wissen die zehn Kandidaten aus Erfahrung: Die Partei-Basis, die am Ende das Sagen hat, ist immer für eine Überraschung gut.

Der Start gelang Johnson: In der ersten Runde holte der Favorit 114 von 313 Stimmen, hatte damit satte 71 Stimmen Vorsprung vor Außenminister Jeremy Hunt (43 Stimmen). Nächste Runde: Am Dienstag.

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Wie läuft das Auswahlverfahren?

Zehn Kandidaten konnten beim zuständigen „1922-Komitee“ der Tories nachweisen, dass sie die Unterstützung von mindestens acht Parlamentariern haben.

In der ersten Runde mussten es mindestens doppelt so viele (16) Unterstützer sein. Drei Kandidaten scheiterten an dieser Hürde, sieben verbleiben.

Im Zweiten Wahlgang am Dienstag müssen es dann mindestens schon 32 Unterstützer der 313 Abgeordneten sein. Erreichen alle Bewerber die Mindestzahl, scheidet der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus.

Nach diesem Prinzip wird in den kommenden Wochen jeweils Dienstag und Donnerstag abgestimmt. Ähnlich wie bei einer TV-Casting-Show sollen am Ende zwei Kandidaten übrig bleiben. Dies dürfte Ende Juni soweit sein.

Dann bleiben den beiden Finalisten vier Wochen Zeit, die Parteibasis für sich zu gewinnen. Denn am Ende des innerparteilichen Wahlkampfs entscheiden die 160 000 Mitglieder per Briefwahl über die May-Nachfolge – an der Parteispitze und im Regierungssitz Downing Street, 10.

Der Premierminister wird offiziell von Königin Elizabeth II. ernannt. May will als Regierungschefin so lange im Amt bleiben, bis ihr Nachfolger an der Parteispitze bestimmt ist.

Wer kann „Brexit Boris“ gefährlich werden?

Chancen, den ebenso populären wie umstrittenen Boris Johnson noch abzufangen haben neben Außenminister Jeremy Hunt (43 Stimmen), Umweltminister Michael Gove (37), der ehemalige Brexit-Minister Dominic Raab (27), Innenminister Sajid Javid (23), Gesundheitsminister Matt Hancock (20) und Entwicklungshilfeminister Rory Stewart (19).

Nur zwei Frauen hatten es in den Kreis der zehn Kandidaten geschafft, beide scheiterten in der ersten Runde.

Damit steht bereits fest: Der Nachfolger von Theresa May und nächste Mieter von Downing Street, 10 wird ein Mann.

Noch keine klaren Brexit-Linien

Paradoxerweise halten sie sich allesamt noch bedeckt bei der Frage, wie genau sie den gordischen Knoten beim Brexit durchschlagen wollen, denn nach wie vor ist keine Parlaments-Mehrheit für eine der drei Optionen in Sicht (Brexit abblasen, weicher Brexit, No-Deal-Brexit am 31. Oktober).

Der begnadete Populist Boris Johnson („Verzögerung bedeutet Niederlage“) versprach seinen Anhängern zwar, dass Großbritannien auf jeden Fall am 31. Oktober die EU verlassen werde und dass er besser verhandeln werde als Theresa May. Allerdings hat die EU-Seite ausgeschlossen, dass das Abkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU noch einmal für Nachverhandlungen geöffnet wird.

Laut Johnson sei ein No-Deal-Brexit, also ein ungeregelter Chaos-Austritt, „unwahrscheinlich“, aber auch nicht auszuschließen. Warum Johnson auch ohne erkennbaren Plan als Hoffnungsträger durchgeht, erklärt Brexit-Experte Prof. Iain Begg von der London School Of Economics so: „Die Tories sind zutiefst erschrocken von der Wiedergeburt von Nigel Farage bei der Europawahl.“

Dabei, so der Experte, richte sich der Blick bereits auf die nächste Parlamentswahl (spätestens Mai 2022). Anders als in Deutschland mit seinem Mehrheitswahlrecht könnten Verluste von wenigen Prozentpunkten im Vereinigten Königreich (Relative Mehrheitswahl in 650 Mandatskreisen) die gesamte Machtbasis ins Wanken bringen. Prof. Begg zu BILD: „Johnson gilt als derjenige, der die Verluste am ehesten begrenzen kann.“

Außenseiter profiliert sich als „Anti-Johnson“

Als „Anti-Johnson“ und Stimme der Vernunft bringt sich Entwicklungshilfeminister Rory Stewart (46) in Stellung. Johnsons Darstellung, es gebe einfache Lösungen für den Brexit, nennt er ein „Märchen“.

Angetreten ist Stewart als krasser Außenseiter. Doch der Mann, der zu Fuß durch Afghanistan lief, mausert sich mit seinen Videos #Rorywalks gerade zum Liebling der sozialen Medien.

Johnson bei Wettanbietern vorn

Bei den Wettanbietern liegt dennoch Johnson als Favorit vorn – trotz aller Eskapaden und Ausrutscher, auch auf dem internationalen Parkett. Die Bewohner von Papua-Neuguinea nannte er „Kannibalen“. Muslimische Burka-Trägerinnen verglich er mit „Briefkästen“.

Seine Anhänger legen das als derben Humor aus, haben Londons ehemaligem Bürgermeister bislang noch jeden Fehlritt verziehen – ebenso wie seine Rolle beim Schmutz-Wahlkampf vor dem EU-Referendum 2016, bei dem Geld aus dubiosen Quellen floss.

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Für Brexit-Boris ist es schon der zweite Anlauf zur Macht: 2016 musste er seinen Verzicht auf eine Kandidatur erklären, nachdem sein Parteikollege Michael Gove („Brexit-Brutus“) ihm kurzfristig seine Unterstützung entzog – und lieber selbst antrat.

Auch damals galt Johnson als Favorit. Doch mit einer gewissen Konstanz (John Major, David Cameron, Theresa May …) setzen sich in den Auswahlverfahren der Tories immer wieder Außenseiter durch.

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