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Politik - 24.06.2019

Istanbul feiert Sieg über Erdogan wie im Rausch

Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu siegt überraschend klar +++ In der CHP-Hochburg Sisli kam der Verkehr auf der Hauptstraße zum Erliegen

Quelle: Reuters
1:27 Min.

Klarer Sieg für die Opposition in Istanbul: Bei der Wiederholung der Bürgermeisterwahl hat der Kandidat der Republikanischen Volkspartei (CHP), Ekrem Imamoglu, am Sonntag mit 54 Prozent eine deutliche Mehrheit errungen.

Sein Rivale Binali Yildirim von der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) gestand seine Niederlage ein, auch Präsident Recep Tayyip Erdogan gratulierte zur Wahl. Auf den Straßen feierten tausende Menschen.

Volksfest-Stimmung in Istanbul: Diesen Wahlsieg feiern Millionen Menschen die ganze Nacht durch!

In vielen Vierteln strömten die Leute auf die Straßen – feierten wie im Rausch!

In der CHP-Hochburg Sisli kam der Verkehr auf der Hauptstraße zum Erliegen. „Recht, Gesetz, Gerechtigkeit“, riefen die Menschen und forderten die Verleihung der Ernennungsurkunde an Imamoglu. Viele schwenkten türkische Flaggen, andere hielten Poster mit Staatsgründer Atatürk. „Ich war seit Jahren nicht so glücklich“, sagte die 30-jährige Istanbulerin Ilayda.

Die Erdogan-Partei AKP ist nach 25 Jahren Herrschaft am Bosporus vom Thron gestoßen!

„Wer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei“, hatte Recep Tayyip Erdogan im März gesagt. Er selbst hatte bis 1998 die Stadt regiert, bevor er die Macht im ganzen Land übernahm.

Darum wollte der türkische Präsident die knappe Wahlniederlage im März (14 000 Stimmen Rückstand) nicht akzeptieren und klagte mit seiner Partei auf die Wahlwiederholung, die zum Debakel wurde: Eine haushohe Niederlage um knapp 800 000 Stimmen.

Doch jetzt steht fest: Dieser jüngste Anschlagsversuch auf die Demokratie war ein Eigentor! Der machthungrige Staatspräsident hat den Bogen bei den Wählern überspannt.

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Jahrelang war Erdogan immer wieder damit durchgekommen, die demokratischen Spielregeln in der Türkei auszusetzen. Schritt für Schritt konnte er das Amt des Ministerpräsidenten abschaffen, als Staatsoberhaupt die Kontrolle seiner Partei behalten, Richter und Staatsanwälte alleine ernennen, die Befugnisse des Parlaments einschränken und schließlich mit Dekreten durchregieren.

Diese Macht nutzte Erdogan schamlos: Er jagte Bürgermeister in kurdischen Gebieten aus dem Amt und setzte ihre Städte unter Zwangsverwaltung, er steckte Oppositionspolitiker wie Selahattin Demirtas von der pro-kurdischen HDP in den Knast, ließ Lehrer, Professoren, Beamte, Journalisten, Menschenrechtler oder Studenten inhaftieren, die das taten, was in freien Ländern normal ist: Ihre Meinung äußern.

Doch je stärker Erdogan wurde, desto schwächer wurde die Türkei.

Das Land befindet sich heute in einer schlechten Lage. Die Wirtschaft liegt brach: Ausländische Investoren haben kein Vertrauen und die grassierende Inflation frisst den Geldbeutel der Türken auf. Außenpolitisch ist die Türkei isoliert wie nie, verschärfte Konflikte mit den Nachbarländern machen ihr zu schaffen, während die Beziehungen zur EU und zu den USA auf dem Tiefpunkt sind. Erdogan ist auf dem internationalen diplomatischen Parkett ein unerwünschter Gast.

Auch darum wollten ihm viele ehemalige Stammwähler in Istanbul nicht die Macht zugestehen, eine Wahl wiederholen zu lassen, bis ihm das Ergebnis passt.

Diese Wahl hat aber noch mehr gezeigt: Ein geordneter Machtwechsel durch demokratische Wahlen ist in der Türkei immer noch möglich.

Oder doch nicht? Es bleibt zu hoffen, dass Erdogan nicht versuchen wird, Wahlsieger Ekrem Imamoglu unter fadenscheinigen Beschuldigungen strafrechtlich zu verfolgen, um ihm sein Amt noch mal wegnehmen zu können.

Andeutungen in die Richtung machte der Staatschef bereits, als er Imamoglu unterstellte, einen Gouverneur beleidigt zu haben. Ob er sich so einen Putsch aber wirklich noch leisten kann, ist allerdings fraglich. Auch in seiner eigenen Partei wächst der Unmut über Stil und Methoden Erdogans.

Darum gilt: Diese Wahl war der Anfang vom Ende der Ära Erdogan.

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