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Politik - 21.05.2019

FPÖ verlässt dieRegierung von Kanzler Kurz

++ FPÖ-Sprecher: Alle Minister werden abgezogen ++ Experten sollten Minister-Posten übernehmen ++ SPÖ fordert Rücktritt der gesamten Regierung ++

Quelle: Reuters
1:31 Min.

Jetzt ist die Regierungskrise in Wien perfekt, die rechts-konservative Koalition steht im Zuge der Video-Affäre um den zurückgetretenen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) vor dem Aus!

Die FPÖ kündigte am Abend an, alle Minister aus der Regierung abzuziehen. Die Partei reagierte damit auf die Entscheidung von Bundeskanzler Kurz, den FPÖ-Innenminister Herbert Kickl aus dem Kabinett zu kicken.

„Ich habe dem Bundespräsidenten heute vorgeschlagen, Innenminister Kickl zu entlassen“, sagte Kurz am Montag in einem Statement. Kurz hatte Kickl zuvor zum Rücktritt aufgefordert, der klammerte sich jedoch an sein Amt.

Nach dem Skandal-Video von Ibiza brauche es nun „vollständige Transparenz“ und „lückenlose Aufklärung“, sagte Kurz am Montagabend in Wien. Kickl war zum Zeitpunkt des Videos Generalsekretär seiner Partei und damit an entscheidender Stelle, was die Finanzierung betrifft, um die es in dem heimlichen Gespräch auch ging.

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▶︎ An dem Rauswurf von Innenminister Kickl hängt unter Umständen der Fortbestand des Kabinetts. Die FPÖ hatte angekündigt, sich aus allen Ministerien zurückzuziehen und sogar ein Misstrauensvotum gegen Kurz zu unterstützen, sollte dieser von Kickl den Rücktritt fordern. Kurz sagte in der Pressekonferenz: „Wenn dem so ist, habe ich mit dem Bundespräsidenten besprochen: Experten und Spitzenbeamte werden die Ministerämter übernehmen.“ So soll bis zur Neuwahl der Regierung Stabilität im Land gewährleistet werden.

Eine knappe Stunde nach der Kurz-Rede dann die Reaktion der FPÖ: Ein Sprecher teilte mit, dass die Partei alle Minister abziehen und die Regierung verlassen würde.

Schon am Montagmittag war ein Statement von Kurz nach seinem Treffen mit dem Bundesparteivorstand der ÖVP mit Spannung erwartet worden. Doch darin blieb letztlich unklar, wie es mit den FPÖ-Ministern in Kurz’ Kabinett weitergehen wird und wie eine mögliche Übergangsregierung bis zur Neuwahl im September aussehen könnte.

Der österreichische Bundeskanzler handelt als „Erster unter Gleichen“. Um einen Minister wie Kickl zu feuern, müsste Kurz ihn Bundespräsident Van der Bellen zur Abberufung vorschlagen.

Die SPÖ forderte als Reaktion auf die Kurz-Rede den Rücktritt der kompletten Regierung! Nur ein solcher Schritt wäre eine „gute und tragfähige Lösung“ sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nach einem Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Kurz’ Statement am Montagmittag

Kurz äußerte sich dagegen vor allem zum ehemaligen Koalitionspartner FPÖ und attackierte die Partei. Das Skandal-Video und die Reaktionen der Rechtspopulisten darauf hätten die gesamte ÖVP „sehr erschüttert“ und haben „dem Ansehen unseres Landes in aller Welt geschadet“.

Die Geschehnisse der vergangenen Tage offenbaren, so Kurz, „einen falschen Zugang zur Politik, der nicht unserer ist“. Sie hätten wiederum „die Zusammenarbeit der Regierung zerstört.“ Zuvor habe die Regierung allerdings gute Arbeit geleistet, darüber war sich die ÖVP-Spitze bei ihrer Sitzung einig.

In Reaktion auf den Skandal versprach Kurz: „Es muss alles getan werden, um alle Verdachtsmomente vollkommen aufzuklären.“ Der FPÖ warf er dagegen vor, dass es dort noch immer „kein notwendiges Bewusstsein“ für den Umfang und die Aufarbeitung mit dem Skandal gebe. In Zukunft wolle man außerdem die inhaltliche Arbeit der Regierung stärken „ohne den Hemmschuh, den wir hier erleben mussten“.

Misstrauensvotum gegen Kanzler Kurz?

Die FPÖ hatte schon im Vorfeld angekündigt, dass im Fall einer Entlassung Kickls alle ihre Regierungsmitglieder das Kabinett verlassen würden.

▶︎ Der österreichische Fernsehsender oe24 meldete unter Berufung auf einen FPÖ-Insider am Montagmittag, dass die FPÖ unter Umständen sogar bereit wäre einen Misstrauensantrag gegen Kanzler Kurz zu unterstützen, sollte eine andere Partei diesen einbringen.

Designierter FPÖ-Chef Hofer rechnet mit Strache ab

Vor Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP, 32) rechnet auch der designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer (48) mit Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache ab: Auf seiner ersten Pressekonferenz als designierter Partei-Chef betonte Hofer das Skandal-Video und dessen Inhalt sei „unentschuldbar“. „Wir wissen, dass das, was dort gesagt wurde, viele Menschen verletzt hat und dafür wollen wir uns entschuldigen“, sagte Hofer weiter.

Hinsichtlich der angeblichen illegalen Parteispenden, die Strache in dem Skandal-Video erwähnt hatte, versprach Hofer außerdem Aufklärung: Er habe bereits in die internen Spendenlisten geschaut und dort überwiegend kleine Spenden gefunden. Die größte in den vergangenen Jahren habe 10 000 Euro betragen.

Gleichzeitig wolle er die Listen – in geschwärzter Form zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Spender – zur Verfügung stellen und externe Wirtschaftsprüfer zur Untersuchung der Vorwürfe einsetzen.

Zum Ende der Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ gab sich Hofer versöhnlich: „Mir tut es sehr Leid, dass dieses großartige Projekt so zu Ende gehen muss.“ Anschließend betonte Hofer die Leistungen der FPÖ und der bisherigen Regierung – womöglich ein Signal an Kanzler Kurz und die ÖVP, dass es noch eine Chance für ein Bündnis mit der FPÖ gebe.

▶︎Innenminister Kickl, der nach Hofer sprach, war gegenüber der ÖVP und Kanzler Kurz weniger versöhnlich: Kickl kritisierte Kurz‘ Versuch, ihn zu entlassen und einen neuen Innenminister, der kein FPÖ-Mann sei, einzusetzen. Mit ihm hätte Kurz trotz mehrerer Gespräche nicht über die Entlassung gesprochen.

„Das war nicht der Versuch, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen“ sondern „der Versuch, die eigene Macht innerhalb der Regierung auszubauen“ und „die Absicht, einen Regierungspartner zu knebeln“. Das Vorgehen der ÖVP sei eine „kalte und nüchterne Machtbesoffenheit“ warf Kickl der Partei vor.

Auch den Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen kritisierte Kickl: Er hätte „die wahre Absicht hinter einem jungen und freundlichen Gesicht“ (nämlich dem von Kanzler Kurz) erkennen sollen.

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Im Interview mit BILD hatte Kurz bereits ordentlich gegen Strache ausgeteilt und sich explizit zu den Inhalten des Skandal-Videos geäußert. Darin hatte Strache einer vermeintlichen russischen Millionärin Regierungsaufträge als Gegenleistung für Wahlkampfhilfen in Aussicht gestellt.

„Was wir auf dem Video sehen, ist erschütternd. Mich widern solche Aussagen an“, sagte Kurz über die Aufnahmen. Strache habe in dem 2017 aufgenommenen Video „offene Angebote der Korruption“ gemacht und „Attacken gegen die freie Presse“ geplant, kritisierte Kurz.

Das Skandal-Video

Ibiza-Affäre um FPÖ-Chef Strache

Quelle: SPIEGEL/Süddeutsche Zeitung
6:11 Min.

Im Fall der angeblichen indirekten Parteispenden, die über einen gemeinnützigen Verein in die Tasche der FPÖ fließen und damit an der Öffentlichkeit und dem Bundesrechnungshof vorbeigeschleust würden, hätte die Staatsanwaltschaft allerdings einen Ansatz für Ermittlungen.

Allerdings sind die Behörden in der Nachweispflicht – und sind dafür auf die Angaben der FPÖ zu möglichen Spenden angewiesen. Sowohl die FPÖ als auch die angeblichen geheimen Geldgeber aus dem Strache-Video dementieren aber jegliche finanzielle Unterstützung der Partei.

Österreichische Medien berichten mittlerweile, dass der FPÖ-nahe Verein „Austria in Motion“, der Verein aus dem Strache-Video sein könnte. Grund ist die Aussage eines anonymen österreichischen Unternehmers, Strache und Innenminister Kickl hätten ihn im Frühling 2017 aufgefordert, über den Verein „Austria in Motion“ für die FPÖ zu spenden. Das hatte der Unternehmer der ORF-Nachrichtensendung „ZiB2“ mitgeteilt. Dagegen spricht allerdings, dass der Verein nicht als gemeinnützig eingetragen ist.

Ein ö. Unternehmer, der anonym bleiben will, berichtet der #ZiB2, dass er im Frühling 2017 von FPÖ-Chef Strache & GS Kickl aufgefordert wurde, für die FPÖ zu spenden. Über den Verein „Austria in Motion“.

— Armin Wolf (@ArminWolf) May 19, 2019

Nicht nur Strache und Gudenus geraten in den Fokus der Ermittler, sondern auch die Urheber des Videos: Denn die heimliche Videoaufnahme verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht. Die FPÖ hat bereits Strafanzeige angekündigt – bislang gegen Unbekannt. Nach österreichischem Recht droht bei Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte bis zu ein Jahr Haft. Allerdings könnte sich das öffentliche und politische Interesse an den Aufnahmen von Strache mildernd auf ein mögliches Urteil auswirken.

Kurz will FPÖ-Innenminister entlassen

Die österreichische Regierung verspricht eine umfassende Aufarbeitung der Affäre. Der Opposition zufolge steht dabei Innenminister und FPÖ-Mann Herbert Kickl im Weg. Österreichische Medien spekulierten deshalb schon am Wochenende, ob der FPÖ-Minister seinen Hut nehmen müsse.

Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) zählte Kickl in der ORF-Nachrichtensendung „ZiB2“ öffentlich an, erklärte: „Ich gehe davon aus, dass der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten auch vorschlagen wird, den Innenminister aus der Regierungsverantwortung zu entlassen.“

Nach Straches Rücktritt wurde Verkehrsminister Norbert Hofer zum neuen Mann an der FPÖ-Spitze gewählt. Bei der nächsten Sitzung des Bundesparteivorstandes, die nach der Europawahl stattfinden wird, solle diese Entscheidung formal bestätigt werden. Strache selbst könnte nach Berichten der österreichischen Kronen-Zeitung planen, für das Wiener Rathaus kandidieren.

Experte: Ibiza-Affäre hat keinen Einfluss auf Europawahl

Während das Skandal-Video die österreichische Politik erheblich erschüttert hat, soll der Effekt des Videos auf die bevorstehende Europawahl eher gering sein, erwarten Experten. „Einen gravierenden Einfluss auf das Wahlverhalten der Deutschen beim Votum für das EU-Parlament werden die Vorgänge in Wien nicht haben“, sagte der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

90 Prozent der Deutschen würden die Wahl des deutschen Rechtspopulisten AfD ablehnen und dabei bliebe es. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch der Politikwissenschaftler Frank Decker. „Man sollte den Effekt der FPÖ-Affäre nicht überschätzen“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Rechtspopulistische Protestparteien werden vor allem als Dagegen-Parteien gewählt und nicht, weil sie ein überzeugendes Erscheinungsbild bieten oder eine bessere Regierungsalternative versprechen.“

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