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Politik - 24.06.2019

Diesmal akzeptiert Erdogan seine Wahl-Klatsche

Oppositions-Kandidat Imamoglu (CHP) gewinnt mit über 777 000 Stimmen Vorsprung Bürgermeisterwahl, nachdem der türkische Präsident seinen knappen Sieg im März hatte annullieren lassen

Quelle: BILD/Reuters
1:29 Min.

Es war eine Schicksalswahl für Recep Tayyip Erdogan und für die Türkei! Und sie endet für den türkischen Präsidenten mit einer Riesen-Klatsche.

Bei der wiederholten Bürgermeisterwahl in Istanbul kommt der Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu von der kemalistischen CHP laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu auf 53,75 Prozent der Stimmen. Binali Yildirim von Erdogans islamisch-konservativen Partei AKP erhält 45,43 Prozent der Stimmen. Fast alle Stimmen sind ausgezählt.

Damit wurde zum ersten Mal seit 25 Jahren die Erdogan-Partei in der Metropole am Bosporus vom Thron gestoßen. In vielen Stadtteilen Istanbuls feiern die Menschen zur Stunde auf der Straße. Imamoglu wurde in Beylikdüzü, dem Stadtteil, in dem er als Bürgermeister regierte und wo er auch wohnt, von jubelnden Massen empfangen.

Beylikdüzü’ndeyiz. #HerŞeyÇokGüzelOlacak #YeniBirBaşlangıç https://t.co/0pWNFq0tli

— Ekrem Ä°mamoğlu (@ekrem_imamoglu) June 23, 2019

Heftig: Imamoglu gewinnt mit einem Vorsprung von mehr als 777 000 Stimmen. Bei der ersten Bürgermeisterwahl am 31. März hatte er nur mit einem knappen Vorsprung von 14 000 Stimmen gewonnen. Doch die Erdogan-Partei AKP wollte den Sieg nicht anerkennen, klagte wegen angeblicher Regelwidrigkeiten auf Wiederholung – und verlor nun haushoch.

Damals hatte Erdogan-Kandidat Binali Yildirim am Wahlabend eine große Balkon-Rede gehalten und den Sieg für sich beansprucht. Diesmal räumte er seine Niederlage schnell ein: „Ich gratuliere meinem Gegenkandidaten und wünsche, dass Ekrem Imamoglu viele gute Sachen für Istanbul machen wird“, sagte er.

Und sogar Erdogan gratulierte dem Gewinner, wenn auch nur auf Twitter: „Der Wille des Volkes hat sich heute erneut gezeigt“, schrieb er. „Ich gratuliere Ekrem Imamoglu, der laut den inoffiziellen Ergebnissen die Wahl gewonnen hat.“

İstanbul Büyükşehir Belediye Başkanlığı yenileme seçimi sonuçlarının İstanbul'umuz için hayırlara vesile olmasını diliyorum. Milli irade bugün bir kez daha tecelli etmiştir. Gayrı resmi sonuçlara göre seçimi kazanan Ekrem İmamoğlu'nu tebrik ediyorum.

— Recep Tayyip Erdoğan (@RTErdogan) June 23, 2019

Ein gutes Zeichen: Denn es zeigt, dass in der Türkei unter Erdogan ein geordneter Machtwechsel durch demokratische Wahlen noch möglich ist.

„Nicht eine einzelne Partei, sondern ganz Istanbul und die Türkei haben diese Wahl gewonnen“, sagte Imamoglu am Wahlabend. Er sprach von einem „neuen Beginn“ für die Türkei.

Für die 31 186 Wahlurnen standen 405 000 Wahlhelfer bereit. Die auszählenden Beamten werden dabei von Beobachtern aller Parteien überwacht, um eine faire Wahl zu garantieren. Wahlberechtigt waren über zehn Millionen Menschen.

Der Bürgermeisterposten in Istanbul gilt als der wichtigste im Land. Die 16-Millionen-Metropole generiert Experten zufolge ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts und rund 40 Prozent aller Steuereinnahmen. Das Budget ist milliardenschwer.

Der Posten kann auch als Sprungbrett für noch größere Ämter dienen. Das weiß Türkei-Präsident Erdogan, von 1994 bis 1998 selbst Bürgermeister der Stadt, am besten: „Wer Istanbul gewinnt, gewinnt die Türkei“, hatte er im Wahlkampf zur ersten Wahlrunde im März gesagt.

  • Wiederholung in Istanbul

    Türkei-Präsident zittert vor Schicksalswahl

    Die Wahl am 31. März hatte der Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu knapp gewonnen. Nach der Annulierung wird jetzt erneut gewählt.

Niels Annen, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, freute sich über das Wahlergebnis auf Twitter, sprach von einem „guten Tag für die türkische Demokratie“:

Herzlichen Glückwunsch @ekrem_imamoglu! Ein guter Tag für die türkische Demokratie https://t.co/ZmvqscIgSs

— Niels Annen 🇪🇺 (@NielsAnnen) June 23, 2019

Auch FDP-Außenexperte Alexander Lambsdorff twitterte erfreut: „Endlich einmal eine gute Nachricht für die beschädigte Demokratie in der Türkei.“

Seit langem endlich einmal eine gute Nachricht für die beschädigte #Demokratie in der #Türkei 🇹🇷 – aus #Istanbul.
Ganz wichtig, dass die ganze @Akparti das Ergebnis akzeptiert, bis hinauf zu #Erdogan.

#Imamoglu #Yildirim #UETD @herkesicinCHP #IstanbulVote #CHP #AKP https://t.co/fDr6KKE8dT

— Alexander Lambsdorff (@Lambsdorff) June 23, 2019

Zehntausende kamen extra aus dem Urlaub zurück

Die Wahl elektrisierte das Land. Meinungsforscher rechneten im Vorfeld mit einer Rekordbeteiligung, angeblich sind Zehntausende Menschen extra für die Istanbul-Wahl aus dem Urlaub zurückgekehrt.

▶︎ Der Geschäftsführer der Fluggesellschaft Turkish Airlines, Bilal Eksi, twitterte am Samstag, wegen des Andrangs habe man 24 zusätzliche Flüge angeboten. Lokale Medien zeigten Luftaufnahmen der großen Busstation im Stadtviertel Esenler, wo es nach Stau auf der Zufahrtsstraße aussah.

Auch inhaltlich hat sich der Wahlkampf in Runde zwei verändert: Im Zentrum stand diesmal die Wirtschaftskrise, die den Bürgern immer mehr zusetzt. Anders als im März drehte sich der aktuelle Wahlkampf daher um mehr Unterstützung für Familien, Studenten und Bedürftige.

Kurden in Istanbul entscheidend für die Wahl

Im März waren es vor allem die kurdischstämmigen Wähler in Istanbul, die die Abstimmung entschieden hatten. Einen sehr wichtigen Anteil daran hatte die prokurdische Partei HDP. Sie hatte in Großstädten im Westen des Landes keine eigenen Kandidaten aufgestellt und stattdessen dazu aufgerufen, den jeweiligen CHP-Kandidaten zu wählen. Die HDP hat in Istanbul etwa 1,2 Millionen Wähler.

HDP-Politiker gaben deshalb schon im Vorfeld Wahl-Empfehlungen ab: Der inhaftierte Ex-HDP-Chef Selahattin Demirtas (46) rief über Twitter zur Unterstützung Imamoglus auf. „Ich glaube fest daran, den Politikstil von Imamoglu zu unterstützen, weil wir gemeinsam stark sind. Ohne die HDP wird nichts schöner und erst recht nicht, wenn man die HDP ausgrenzt“, so Demirtas.

7- Bugün için, Sn Ä°mamoğlu’nun söyleminin desteklenmesi gerektiğine inanıyoruz. Çünkü biz birlikte güzeliz. HDP olmadan, HDP’yi dışlayarak hiçbir şey yeterince güzel olmaz. Birileri de artık anlasın ki, “zorla güzellik" de olmaz. Hepinize özlemle, yürek dolusu selamlar…

— Selahattin Demirtaş (@hdpdemirtas) June 18, 2019

Plötzlich schlug Erdogan versöhnlichere Töne an

Dass die Kurden das Zünglein an der Waage und deshalb als Wählergruppe extrem wichtig sind, hatte wohl auch Erdogan verstanden. Nach der Annullierung der Istanbul-Wahlen machte der türkische Präsident einen unerwarteten Schritt auf die Kurden zu:

Die Anwälte des inhaftierten PKK-Chefs Abdullah Öcalan durften ihren Mandanten das erste Mal seit 2011 wieder besuchen. Öcalan sitzt seit 20 Jahren auf der Insel Imrali in Isolationshaft.

Auch auf einer Veranstaltung am Freitag in Istanbul schlug Erdogan gemäßigtere Töne an: „Auch die Kurden sind meine Brüder. Sie sind auch Menschen, die Dienste von uns bekommen wollen.“

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