Home Politik Die verrückteste Wahl der Welt
Politik - 19.05.2019

Die verrückteste Wahl der Welt

Knapp 900 Mio. Wahlberechtigte ++ Wahl dauert 38 Tage ++ Premier Modi wirbt mit Hass auf Muslime

In Indien hat die letzte Phase der Parlamentswahl begonnen. Die Abstimmung war in sieben Phasen aufgeteilt und hatte am 11. April begonnen. Die Auszählung beginnt am Donnerstag.

Indien ist ein Land der Superlative.
Das zeigt sich auch bei den Parlamentswahlen. Während man im Rest der Welt von einem Wahltag spricht, hat Indien gleich sieben davon – verteilt über sechs Wochen. Knapp 900 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, in einem von gut einer Millionen Wahllokalen ihre Stimme abzugeben.

BILD war in Indien bei der verrücktesten Wahl der Welt!

Vor dem Wahllokal in der Millionenstadt Howrah warten gut 30 Wähler in der prallen Mittagssonne, manche schon seit mehr als einer Stunde. Wegen der hohen Sicherheitsvorkehrungen werden sie vor dem Eintritt ins Gebäude kontrolliert. Mit Maschinengewehr und Schlagstock in der Hand bewachen Polizisten das Wahllokal.

  • Super-Zyklon in Indien

    „Kalkuttas Straßen sind wie leergefegt“

    Tropensturm Fani ist auf Land getroffen! BILD-Reporter Michael Kruse ist in Indien und schildert, wie Kalkutta sich vorbereitet.

  • Wegweisendes Urteil

    Indien stärkt Rechte von Trans- und Intersexuellen

    Der Madras High Court in Ostindien hat am Montag die Rechte von trans- und intersexuellen Menschen im Land gestärkt.

„Doch hier ist alles ruhig“, gibt einer der Polizisten Entwarnung. Doch das ist nicht überall so: An diesem Wahltag gibt es zwei Explosionen vor Wahllokalen im Norden des Landes.

Wegen dieser angespannten Sicherheitslage wurde die Wahl auf gleich sieben Wahltage gestreckt. Die Polizisten, die die Wahl bewachen, reisen dann zum jeweiligen Wahltag durchs Land. Mit 38 Tagen ist diese Wahl somit die längste in der indischen Geschichte.

Volksfest-Stimmung am Wahltag

Gerade weil diese Wahl so besonders ist, sind viele Inder stolz darauf. Auf den Straßen herrscht am Wahltag Volksfest-Stimmung. Überall auf den Straßen zu den Wahllokalen hängen Fahnen mit den Symbolen der Parteien. Dort warten auch Parteimitglieder, um die letzten Anhänger zu mobilisieren.

Auf langen Listen mit Bildern und Adressen sind die Wähler aufgezählt. Jedes Mal, wenn ein Unterstützer der Partei vorbeiläuft, wird die Wahlkarte verglichen und abgestrichen. „Wenn ein Bekannter noch nicht bei uns war, dann besuchen wir ihn auch zuhause und schauen, ob er gewählt hat“, erklärt Debarati Roy (23). Sehen kann man das am Daumen oder Finger. Dieser wird mit einer nicht-abwaschbaren Farbe bemalt, damit keiner seine Stimme mehrfach abgeben kann.

Zusammen mit anderen Parteianhängern sitzt die Studentin seit sechs Uhr am Morgen in der stehenden Hitze der Stadt. Und das bis zum späten Nachmittag, wenn die Sonne schon wieder untergeht: „Wir sitzen hier, bis das letzte Wahllokal geschlossen ist.“ Sie hat ihre Stimme für die Kommunisten abgegeben. Für sie ist klar: Premierminister Narendra Modi (68) spaltet das Land.

„Modi soll aus Indien geworfen werden“

Das sieht auch der Anhänger der Trinamul Kongresspartei auf der anderen Seite der Straße so. Monojit Mukherji (66) hat bis zu seiner Rente für die indische Eisenbahn gearbeitet und findet: „Modi soll aus Indien geworfen werden.“ Seine nationalistische Politik vergifte Indien.

Im Wahlkampf spielt Premier Modi die nationale Karte. Vor allem gegen Muslime hetzt der Politiker. Im Kampf um die Stimmen wird deutlich: Für ihn kann ein echter Inder nur ein Hindu sein. Die über 170 Millionen Muslime im Land macht er für politische Probleme verantwortlich. Bei immer mehr Hindus verfängt diese Argumentation auch. Eine Gefahr für ein Land wie Indien, in dem große religiöse Minderheiten leben.

Nach dem Verlassen des Wahllokals sagt Taraebi Rauth (64), dass sie stolz ist, heute den Premierminister wiedergewählt zu haben. Zusammen mit ihren beiden Töchtern hat sie ihre Stimme abgegeben. Alle drei finden, dass Modi seine gute Arbeit für das Land fortsetzen soll. Das wichtigste Thema für sie ist der Arbeitsmarkt. „Modi schafft Jobs für Inder!“, da ist sich Rauth sicher.

Bei seiner ersten Wahl hat Sayan Chowhung (18) seine Stimme Modi gegeben. Er arbeitet als Kurierfahrer – doch er würde gerne einen besseren Job haben. Er sagt, dass es schwierig für ihn war, sich für die Wahl zu registrieren: „Ich habe Wochen gewartet, bis ich die Wahlkarte bekommen habe.“ Die erste Wahl für ihn war aufregend: „Ich bin stolz, dass ich heute wählen durfte.“

Auch Raj Kumar Awath (56) setzt seine Hoffnung auf die Modi-Partei. Er selbst ist arbeitslos und schleppt sich auf Krücken ins Wahllokal. Für ihn ist die Wahl zugleich auch eine Pflicht. Er hofft, dass Modi wieder die absolute Mehrheit erreicht.

Kopf-an-Kopf-Rennen erwartet

Doch das ist keinesfalls ausgemacht. Für Modi geht es bei dieser Wahl um sein politisches Überleben als Premierminister. Seine hindu-nationalistische BJP hat bei der letzten Wahl die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten. Doch die Umfragen lassen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem Herausforderer Rahul Gandhi (48) von der sozialliberalen Kongresspartei erwarten. Es wird wohl keiner von beiden die absolute Mehrheit erreichen – beide sind auf Koalitionspartner angewiesen.

Insgesamt stehen etwa 8000 Kandidaten von über 450 Parteien zur Wahl. Wie viele Kandidaten es genau gibt, kann keiner sagen: Man kann sich sogar noch am Wahltag aufstellen lassen. Wer gewählt wurde, ist allerdings erst nach dem letzten Wahltag klar. Ausgezählt werden die Stimmen am 23. Mai – dann wird entweder Premier Modi oder Herausforderer Gandhi Grund zum Jubeln haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Kim bettelt um Spenden für Papa und Opa

Die Sanktionen drücken und Kim scheint kaum noch Geld zu haben. Alles fließt in sein Raket…