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Politik - 07.01.2019

Deutschland kam ohne NSA gegen Hacker nicht weiter

Geklaute Daten betreffen 1000 Politiker, Promis, Journalisten

Die deutschen Sicherheitsbehörden stehen in der Kritik!

Am Donnerstagabend veröffentlichten Hacker private Informationen von rund 1000 Politikern, Prominenten und Journalisten im Internet. Die Datenpakete enthielten private Handynummern, Adressen, Chatverläufe und sogar Urlaubsfotos. Ein Twitter-Account verbreitete die Download-Links.

Selbst nachdem hochrangige Politiker und Bundesgeschäftsführer von Parteien die Behörden alarmiert hatten, blieben die Download-Adressen noch viele Stunden auf Twitter, wo sie von Tausenden Menschen angeklickt werden konnten.

Wie BILD aus Sicherheitskreisen erfuhr, baten die deutschen Sicherheitsbehörden bereits kurz nach Bekanntwerden der illegalen Daten-Veröffentlichung ihre amerikanischen Kollegen um dringende Hilfe: den US-Auslandsgeheimdienst NSA.

Der Dienst sollte das amerikanische Unternehmen Twitter unter Druck setzen, um die Profile zu entfernen, von denen die Links zu den geklauten Daten verbreitet wurden – ohne die NSA fürchtete man wohl, mit dem Anliegen nicht durchzukommen.

Das Hilfsgesuch an die Amerikaner wurde auch damit begründet, dass US-Bürger von dem Hacker-Angriff betroffen sind: In den Chat-Verläufen der Politiker finden sich Unterhaltungen mit Tausenden Personen aus aller Welt.

Bereits am Freitag hatte BILD bei Twitter angefragt, weshalb ein verdächtiges Nutzer-Profil erst mit einer großen Zeitverzögerung gelöscht wurde – und ob Twitter bereits mit Sicherheitsbehörden in Verbindung stehe. Ein Sprecher sagte zu BILD: „Wir haben auf den Vorgang reagiert, sobald wir darauf aufmerksam gemacht wurden.“

Nach BILD-Informationen ermittelt beim Bundesamt für Verfassungsschutz eine Einheit zum Hacker-Angriff, die bereits nach der Cyber-Attacke auf den Bundestag im Jahr 2015 eingeschaltet wurde und sich seitdem auf die Hackergruppe „APT28“ („Fancy Bear“) des russischen Geheimdienstes spezialisiert hat.

Heftige Kritik am BSI

Vor allem das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) steht seit dem Bekanntwerden des Hacker-Angriffs in der Kritik – und korrigierte sogar Angaben, die Präsident Arne Schönbohm gemacht hatte.

Schönbohm hatte am Freitag mitgeteilt, dass das BSI bereits „sehr frühzeitig, im Dezember auch schon“, mit betroffenen Abgeordneten gesprochen und „entsprechende Gegenmaßnahmen durchgeführt“ habe.

Später ruderte das BSI zurück. Die Behörde sei Anfang Dezember noch von einem Einzelfall ausgegangen, teilte die Behörde am Samstag schriftlich mit. Ein Bundestagsabgeordneter habe das BSI zwar Anfang Dezember wegen merkwürdiger Vorgänge auf seinen privaten Kommunikationskanälen informiert.

Doch einen Zusammenhang mit anderen Fällen sowie der massenhaften Veröffentlichung habe die Behörde erst am 4. Januar festgestellt. „Anfang Dezember 2018 war in keiner Weise absehbar, dass es weitere Fälle gegeben hat“, erklärte die Sicherheitsbehörde.

An der Arbeit des BSI gibt es nun heftige Kritik. „Die Informationspolitik des BSI wirft Fragen auf, wenn das Bundesamt schon im Dezember informiert war“, sagte FDP-Fraktionsvize Frank Sitta. „Wir wollen wissen, wie das BSI genau vorgegangen ist.“

Seehofer wehrt sich gegen Kritik

Auch SPD-Digitalexperte Jens Zimmer hatte sich über Schönbohms Aussagen empört gezeigt, das BSI habe schon seit Anfang Dezember mit Hacker-Opfern in Kontakt gestanden. Er habe mit den am stärksten betroffenen SPD-Abgeordneten gesprochen, „keiner von ihnen ist vom BSI informiert worden vorab“ – oder bislang kontaktiert worden, sagte Zimmer dem Deutschlandfunk. Das sei ein „krasser Widerspruch“ zu den Angaben Schönbohms.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der ebenfalls in der Kritik steht, versprach derweil volle Transparenz nach dem Hacker-Angriff. „Die Öffentlichkeit wird alles erfahren, was ich weiß“, sagte Seehofer der „Süddeutschen Zeitung“ (Montagsausgabe). Auch er habe erst am Freitagmorgen von dem Hack erfahren: „Vorher: Null.“

Forderungen nach Aufklärung aus der SPD wies er zurück. „Das ist eine Selbstverständlichkeit, aber es entspricht auch meinem Amtsverständnis, erst die Erkenntnisse zu sammeln und die Verantwortlichen anzuhören“, so Seehofer. Der Innenminister kündigte an, am Montag mit BSI-Präsident Arne Schönbohm und und BKA-Präsident Holger Münch erneut über den Hack zu beraten. Spätestens Mitte der Woche wolle er die Bevölkerung „nur mit belastbaren Fakten und nicht mit Vermutungen informieren“.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) hatte zu BILD am SONNTAG gesagt, es sei „empörend, dass gestohlene Daten tagelang im Netz präsentiert werden und die zuständige Behörde nichts unternimmt, um die Betroffenen zu informieren und zu schützen“.

Oppermann rief Seehofer (CSU) zum Handeln auf: „Das BSI muss zentrales Cyber-Abwehrzentrum in Deutschland werden und Innenminister Seehofer muss begreifen, dass dies eine der wichtigsten Aufgaben bei der inneren Sicherheit ist und in den kommenden Jahren auch bleiben wird.“

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Wie geht BILD mit den Daten um?

BILD-Chef Julian Reichelt: „Es geht um enorme Mengen von Daten, die offensichtlich mit der Absicht verbreitet werden, Politiker als angreifbar, korrupt oder unanständig darzustellen. Dennoch gehört zu unserem journalisten Auftrag, das Material zu sichten und auszuwerten – nicht in Bezug auf moralische Verfehlungen, sondern mit Blick auf mögliche strafbare Handlungen, illegale Absprachen oder Bestechlichkeit. Das ist unsere Pflicht als freies Medium. Dass wir dabei auch höchst private Daten bis zu Familienfotos oder privaten Chats sichten müssen, gefällt uns selbst nicht. Nutzen werden wir solche sensiblen Daten aber in keinem Fall, nicht jetzt und nicht in Zukunft.“

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