Home Politik Briten-Parlament schließt Chaos-Brexit aus
Politik - 14.03.2019

Briten-Parlament schließt Chaos-Brexit aus

Britisches Pfund legt nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses zu + Brexit-Termin am 29. März auf der Kippe + Warum Gegner des EU-Austritts neue Hoffnung schöpfen

Quelle: Reuters
0:47 Min.

Zweiter von drei Akten im Brexit-Drama dieser Woche: Das britische Parlament schließt erwartungsgemäß einen Chaos-Brexit aus.

Der erste von zwei Änderungsanträgen war knapp erfolgreich (312 zu 308 Stimmen): Ein ungeordneter Austritt soll unter allen Umständen ausgeschlossen werden. Die zweite Abstimmung über einen Gegenantrag der Brexit-Hardliner, der in eine Fristverlängerung für neue Verhandlungen mit der EU münden sollte, fiel deutlich durch (164 zu 374 Stimmen).

Der Hauptantrag in der geänderten Fassung bekam eine noch größere Zustimmung als der Änderungsantrag: 321 Ja-Stimmen gegen 278 Neins. Ein Ausweg aus der Sackgasse ist dadurch allerdings noch immer nicht in Sicht.

Erst gestern hatte es einen Brexit auf Basis des von Theresa May mit Brüssel ausgehandelten Abkommens erneut mit starker Mehrheit abgelehnt. Folge: Der befürchtete Chaos-Brexit wäre damit ein Stück weit wahrscheinlicher geworden.

Chaos-Brexit birgt schwer kalkulierbare Risiken

Doch eine hauchdünne Mehrheit der Abgeordneten fordert die Regierung nun auf, ein solches No-Deal-Szenario auszuschließen. Bekannt war schon vorher: Eine Mehrheit der Mitglieder im Unterhaus betrachtet einen No-Deal-Ausstieg als Horror-Szenario, drohen doch Milliardenverluste für die Wirtschaft, Währungsturbulenzen, Job-Verluste und ein Zusammenbruch des Versorgungssystems von Lebensmitteln und Medikamenten.

Das Pfund legte nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses prompt zu.

Mit dem Votum ist die gefürchtete „schmutzige Scheidung“ aber noch nicht ganz vom Tisch: Der Beschluss ist rechtlich nicht bindend, hat aber politisches Gewicht als Handlungsanweisung für die Regierung.

Da die Entscheidung über den Antrag der Regierung hinausgeht, einen ungeordneten Brexit nur vorläufig auszuschließen, ist das Votum im Unterhaus erneut eine Niederlage für die angezählte Theresa May. Beobachter werten das Ergebnis als Hinweis, dass May die Kontrolle über die Entscheidungsfindung beim Bexit zu weiten Teilen verloren hat.

Mit erneut heiserer Stimme sagte May, es gebe nun die Möglichkeit der Verschiebung, aber man müsse sich auf ein Abkommen einigen, das man der EU vorlegt. Als Frist setzte ihre Regierung den nächsten Mittwoch, den Tag vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Im Fall einer längeren Blockade müsse Großbritannien eine längere Frist beantragen und sich an den Europa-Wahlen im Mai beteiligen.

May will bis 20. März erneut über Brexit-Abkommen abstimmen lassen

Theresa May will das Parlament in London ein drittes Mal über das von ihr ausgehandelte Abkommen mit der EU zum Brexit abstimmen lassen.

Einen entsprechenden Antrag für ein solches Votum bis zum 20. März will May den Abgeordneten am Donnerstag vorlegen, wie die Regierung am Mittwochabend mitteilte.

Das Abkommen war bereits zwei Mal im britischen Unterhaus gescheitert.

Sollte das Abkommen diesmal angenommen werden, würde May die EU-Staats- und Regierungschefs um einen kurzen Aufschub für den Brexit bis zum 30. Juni bitten.

Sollte das Abkommen erneut abgelehnt werden, müsste der bisher für den 29. März vorgesehene Brexit über den 30. Juni hinaus verschoben werden und dies hätte die Beteiligung Großbritanniens an den Europawahlen zur Folge, wie aus dem Antrag hervorgeht.

Wahrscheinlich ist zudem nun, dass das Parlament am Donnerstag beschließt, bei der EU eine Verschiebung des Austrittsdatums (29. März) zu beantragen.

Die EU-Kommission nahm das Ergebnis zurückhaltend zur Kenntnis. Sie weist darauf hin, dass es juristisch gesehen nicht ausreicht, gegen einen Austritt ohne Abkommen zu stimmen, um diesen abzuwenden: Man müsse dafür eine Vereinbarung annehmen.

Die EU sei auf beide Möglichkeiten vorbereitet, ein Brexit mit einem Abkommen oder ohne.

  • Heute nächste Kampfabstimmung

    Was, wenn der Chaos-Brexit wirklich kommt?

    Am Abend könnte das britische Parlament den Weg für einen ungeordneten EU-Austritt frei machen. Experten warnen vor drastischen Folgen

  • Die nächsten Schritte

    So geht es im Brexit-Krimi weiter

    Am Mittwoch stimmt das britische Parlament über den No-Deal-Brexit ab, am Donnerstag über die Verschiebung des EU-Austritts-Datums.

Kann Theresa May damit wenigstens einen Teil-Erfolg für sich beanspruchen? Mitnichten.

Denn viele Abgeordnete stimmen nur deshalb mit ihr gegen den No-Deal-Brexit, weil sie den EU-Ausstieg Großbritanniens an sich verhindern wollen. Sie sind gegen den No-Deal-Brexit, aber auch gegen jeden anderen Brexit.

Sie haben May am Vortag eine historische Klatsche beschert, weil sie auf ein zweites Referendum hoffen.

Einen nochmals verbesserten Vertrag kriegt Großbritannien nicht mehr geboten: Die EU lehnte am Mittwoch weitere Verhandlungen kategorisch ab. „Wenn das Vereinigte Königreich die EU weiter in geordneter Weise verlassen will, ist – und bleibt – dieser Vertrag der einzig mögliche Vertrag“, sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Kommissionschef Jean-Claude Juncker: „Eine dritte Chance wird es nicht geben“.

Am Donnerstag soll das Parlament darüber abstimmen, das Austrittsdatum der Briten zu verschieben. Denn nur so viel scheint im Brexit-Schlamassel bisher klar: Bis zum 29. März, dem offiziellen Ausstiegstermin, gibt es für keine Austrittslösung eine parlamentarische Mehrheit. Auch nicht für die Linie der Labour-Opposition, die Großbritannien in der Zollunion mit Brüssel halten möchte.

Für die harten Brexit-Befürworter würde allein schon der Aufschub Verrat am Wählerwillen bedeuten. Sie werden wutschäumend beklagen, dass damit das Votum des Brexit-Referendums 2016 nicht respektiert werde.

Doch auch in der EU geht dann neuer Streit los: Wie lange darf Großbritannien eigentlich noch Mitglied bleiben, ohne Wahlen fürs EU-Parlament zu organisieren? Und vor allem: Wie will Großbritannien die Verlängerung KONKRET nutzen, um mehr Klarheit zu schaffen?

„Das Vereinigte Königreich muss uns sagen, was es will“, sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Mittwoch vor dem Europaparlament in Straßburg. Die EU erwarte eine „klare Linie, bevor wir überhaupt über eine mögliche Verlängerung entscheiden“.

Bundesaußenminister Heiko Maas hat das Votum des britischen Unterhauses gegen einen ungeregelten Brexit als Zeichen der Vernunft begrüßt.

Ein EU-Austritt ohne Vertrag liege in niemandes Interesse, erklärte der SPD-Politiker am Mittwochabend auf Twitter.

„Aber es ist nun an der Zeit, dass die Briten genau sagen, was sie wollen, um den Brexit-Vertrag wirklich erfolgreich abzuschließen. Denn die Zeit läuft davon.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Kim bettelt um Spenden für Papa und Opa

Die Sanktionen drücken und Kim scheint kaum noch Geld zu haben. Alles fließt in sein Raket…