Home Politik Beinharter Machtkampf hinter DIESEM Lächeln
Politik - 21.06.2019

Beinharter Machtkampf hinter DIESEM Lächeln

Einigung zwischen Merkel und Macron immer unwahrscheinlicher + Fronten nach Sechs-Augen-Gespräch mit Donald Tusk verhärtet

Kracht es heute Abend zwischen Frankreichs Präsident Emmanuel Macon und Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sachen Juncker-Nachfolge?

Das echte Gewitter erlebte Brüssel schon gestern am Vorabend des EU-Gipfels. Politisch wächst dort zur Stunde das Risiko, dass sich beim Abendessen der Staats- und Regierungschefs deutsch-französische Spannungen entladen.

Denn obwohl es zwischen Paris und Berlin zuletzt einen Schulterschluss in Sachen Klimazielen (Treibhausgas-Neutralität bis 2050) gegeben hat, liegen die beiden größten Mitgliedsstaaten in Personalfragen heillos über Kreuz. Trotz freundlicher Gesten zum Gipfel-Auftakt: Die Frage, wer neuer EU-Boss wird, entwickelt sich zum beinharten Machtkampf.

„Es kann sein, dass es heute noch kein Ergebnis gibt“, sagte die Kanzlerin am Nachmittag diplomatisch. „Wie immer muss man Schritt für Schritt vorgehen.“ Finde man beim Abendessen (Menü: Grüner Spargel mit Räucherlachs, Gebratenes Rinderfilet mit Rucola und Kartoffelkuchen, Erdbeeren mit Limette) keine Einigung, sei das aus ihrer Sicht „nicht so sehr bedrohlich“, weil noch einige Tage Zeit bleiben.

Irlands Regierungschef Leo Varadkar sagte in Anbetracht der verfahrenen Lage, er rechne mit der Einberufung eines zusätzlichen Gipfels Ende des Monats: „Es geht oft schneller, einen Papst auszuwählen als sich auf diese Positionen zu verständigen.“

Ratspräsident Donald Tusk versuchte in einem Sechs-Augen-Gespräch mit Macron und Merkel die verhärteten Fronten noch vor dem offiziellen Gipfel-Beginn aufzuweichen. Über Inhalte des Gesprächs wurde zunächst nichts bekannt.

Doch Tusk dämpfte im Anschluss an das Gespräch Hoffnungen auf eine schnelle Einigung: „Gestern war ich vorsichtig optimistisch. Heute bin ich eher vorsichtig als optimistisch“, schrieb er auf Twitter.

  • Gipfel-Pleite in Brüssel

    EU-Klimaziel 2050 scheitert an Ost-Europäern

    Die 28 EU-Staaten konnten sich auf dem Gipfel nicht auf einen Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft innerhalb von 30 Jahren einigen

Galgenfrist bis 2. Juli

Es gilt, neue Chefs für den Europäischen Rat, das EU-Parlament, die Europäische Zentralbank und für das Amt des oder der EU-Außenbeauftragten zu finden. Vor allem aber geht es um das politische Erbe von EU-Boss Jean-Claude Juncker, der mit kleiner Verspätung beim Gipfel eintraf und zunächst kein Statement abgab.

„Wir brauchen eine gemeinsame Lösung!“

Kanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel

Quelle: Reuters
1:42 Min.

Überraschung: Am Abend sickerte durch, dass man sich im Élysée-Palast auch ein Spitzenamt für die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović vorstellen kann, die alle Welt von ihren Knutsch-Attacken nach dem verloren Fußball-WM-Finale von Moskau kennt.

Merkel hält zu Manfred Weber

Zuvor hatte der Franzose Merkel unter Zugzwang gesetzt, indem er sie selbst (per Interview mit dem Schweizer Sender RTS) als Alternative für die Juncker-Nachfolge ins Spiel brachte. Auf dass niemand auf die Idee kommen könnte, er hätte per se ein Problem damit, wenn ein halbes Jahrhundert nach Walter Hallstein (CDU, †1982) mal wieder ein Deutscher Europas wichtigste Behörde führt.

Der Haken an dem Vorschlag: Die Kanzlerin hat einen Wechsel nach Brüssel mehrfach kategorisch ausgeschlossen. Sie beharrt auf dem EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber, auch wenn sie weiß, dass dies zu einer offenen Machtprobe führen kann.

Für ein Einlenken Macrons spricht, dass er innenpolitisch nicht mehr unter Druck steht, den Hardliner markieren zu müssen, wie er es zuletzt auch beim Streit um den Brexit-Termin getan hatte: Die Gelbwesten-Proteste sind praktisch zum Erliegen gekommen, seine persönlichen Beliebtheitswerte haben gerade wieder ein Neun-Monats-Hoch erreicht, die Arbeitslosigkeit sinkt.

Motto: Beide oder keiner

Außerdem schielt man in Paris ebenso wie in Berlin auf den frei werdenden Posten von EZB-Chef Mario Draghi. In Brüssel wird spekuliert, dass Deutschland und Frankreich sich entweder beide einen der fünf Top-Jobs sichern können – oder dass beide leer ausgehen müssen, weil keiner die Bevorzugung des anderen akzeptieren könnte. „Vergleiche mit einem Kindergarten sind da durchaus legitim“, sagt ein deutscher EU-Abgeordneter zu BILD.

Kaum vorstellbar ist, dass das Parlament eine Kommissionspräsidentin Vestager bestätigen würde, vertritt dort doch eine Mehrheit die Ansicht, dass nur ein Spitzenkandidat der Europawahl (Weber oder der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans) für den Job infrage kommt. Einigt man sich beim Abendessen auf die Dänin oder auf den als Kompromisskandidaten gehandelten Michel Barnier (EVP), dürften die EU-Parlamentarier das als Affront begreifen. Will Macron genau das?

„Der Angriff gilt in Wahrheit nicht der Person Manfred Weber“, heißt es in EVP-Kreisen. „Sondern dem Parlament und dem Prinzip des Spitzenkandidaten.“

Macron hofft auf Revolution bei EU-Wahlrecht

Macron wiederholte beim Gipfel sein Mantra: Dass er vom Spitzenkandidaten-Konzept nichts hält, weil diese über die nationalen Listen nur in ihren jeweiligen Heimatländern gewählt werden konnten. Die Kanzlerin konterte zuletzt: Nach ihrer Einschätzung habe das Spitzenkandidaten-Konzept „Zukunft“, der Ansatz lasse sich nicht mehr „zurückdrehen“.

Dann aber folgte ein Nachsatz, der aufhorchen ließ: Besser wäre das Modell, wenn es länderübergreifende Kandidatenlisten bei der Europawahl gebe, sagte Merkel.

BILD erfuhr: Die Pläne, Macron in diesem Punkt entgegenzukommen, sind weit gediehen. Der ambitionierte Franzose sieht seine „En Marche!“-Bewegung, die sich in Brüssel mit den Liberalen zusammengetan hat (neuer Fraktionsname: „Renew Europe“), durchaus als EU-weit taugliches Modell. Und mit den 21 Abgeordneten seiner Bewegung im neuen Parlament (zum Vergleich: die deutsche CDU/CSU hat 29) dürfte er nicht glücklich sein.

Konsenslösung oder „Rote Hochzeit“?

Ist die vonseiten der Bundesregierung angestrebte „Konsenslösung“ also doch möglich? Mindestens 21 Mitgliedsstaaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, müssten zustimmen. Kurz vor dem Beginn der Beratungen gab es am Abend noch einmal ein informelles Vierergespräch zwischen Tusk, Merkel, Macron und Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez.

.@eucopresident discussing with @sanchezcastejon, Merkel, @EmmanuelMacron to unblock the stalemate #EUCO pic.twitter.com/MgdfYmpI4L

— Jorge Valero (@europressos) June 20, 2019

„Alle Puzzleteile liegen auf dem Tisch. Die Zusammensetzung wird aber wohl noch dauern“, sagte ein Insider.

Ein Grund: In einem Parallel-Prozess loten die vier größten Fraktionen im Parlament gerade eine Art Koalitionsvereinbarung aus. Und dort knirscht es – auch, weil die Sozialdemokraten und die Liberalen erst ihre eigenen Machtstrukturen klären mussten.

Nach jetzigem Stand bringt Weber keine Mehrheit hinter sich, obwohl die EVP mit großem, inhaltlichem Entgegenkommen lockt. Bei einem Treffen der Fraktionsvorsitzenden am Donnerstagmorgen erklärten Liberale und Sozialdemokraten, Weber derzeit nicht zu unterstützen.

Letztlich liegt die Entscheidung, ob noch am Abend über Namen abgestimmt wird (und Kandidaten möglicherweise „verbrannt werden“), um dem Parlament einen Vorschlag machen zu können, in den Händen von Ratspräsident Donald Tusk.

Die ärgsten Pessimisten in Brüssel ließen sich vom Magazin „Politico“ mit den Worten zitieren, sie rechneten heute mit einer „Roten Hochzeit“ – in Anspielung auf ein fiktives Blutbad in der HBO-Serie „Game Of Thrones“.

Machtkampf würde EU blockieren

Ein deutscher Regierungsvertreter wollte auf die Frage, wie hoch er die Einigungschancen sieht, keine Zahl nennen, betonte aber: Zu „100 Prozent“ werde eine Einigung bis zum 2. Juli erreicht, der ersten Sitzung des neuen Europäischen Parlaments.

Und wenn es doch schiefgeht? Dann droht ein Machtkampf der Institutionen, der Europas Entwicklung über Monate blockieren könnte – die größte EU-Krise seit dem Brexit-Referendum.

Top-Thema Klimaschutz

Auf der Gipfel-Tagesordnung stehen weitere explosive Themen – das Eurozonen-Budget, der künftige EU-Finanzrahmen ab 2021 (davon abhängig: die „Beiträge“ der Mitgliedsstaaten …), Klimaschutz, die Verlängerung der Russland-Sanktionen wegen Missachtung des Minsker Abkommens (für sechs Monate beschlossen), Cybersicherheit sowie die mögliche Erweiterung.

Außerdem wollten die Staats- und Regierungschefs für die kommenden fünf Jahre eine strategische Agenda beschließen, an der sich die Arbeit der neuen Kommission ausrichten soll.

Keine Rolle spielt hingegen die erfolgreiche Klage Österreichs gegen die deutsche Pkw-Maut vor dem EuGH. Die Begrüßung der beiden Bundeskanzlerinnen – Österreichs Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein feierte Gipfel-Premiere – fiel allem Anschein nach herzlich aus.

Zum ersten Mal zwei Bundeskanzlerinnen: Angela #Merkel im Gespräch mit Brigitte #Bierlein am Rande des Europäischen Rats. #EUCO @RegSprecher_AT pic.twitter.com/L0juQXt45V

— Steffen Seibert (@RegSprecher) June 20, 2019

Beim Klimaschutz gab es trotz stundenlanger Verhandlung keinen Durchbruch: Polen verhinderte, dass in der Schlusserklärung das Ziel genannt wird, Treibhausgasneutralität bis 2050 zu erreichen. Allgemein heißt es darin: „Wir müssen unsere Maßnahmen zur Bewältigung dieser existenziellen Bedrohung dringend verstärken. Die EU kann und muss eine Vorreiterrolle übernehmen, durch einen tief greifenden Wandel ihrer Wirtschaft und Gesellschaft Klimaneutralität erreichen“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Check Also

Kim bettelt um Spenden für Papa und Opa

Die Sanktionen drücken und Kim scheint kaum noch Geld zu haben. Alles fließt in sein Raket…