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Kultur - 18.03.2019

Zu Gast in der Vergangenheit

Rembrandt, Monet, Fabergé: Die Maastrichter Tefaf wird auch dieses Jahr wieder ihrem Ruf als beste Antiquitätenmesse Europas gerecht.

Versunken. In der Koje des Bamberger Kunsthandels Senger offenbart sich die Kunst der sakralen Skulptur vergangener Jahrhunderte.

Die neue Einlasspolitik der Maastrichter Tefaf, Europas wichtigster Messe für alte Kunst und Antiquitäten, sollte eine konzentriertere Verkaufsatmosphäre in den engen Gängen schaffen. Doch trotz der Einführung von zwei Preview-Tagen und einem Kontingent von 50 VIP-Einladungen pro Galerie sah man sich mit über 12 000 Besuchern konfrontiert – allein 5000 kamen am exklusiven ersten Tag. Da konnte es nicht ausbleiben, dass erneut Kämpfe um das letzte Gänseleber-Minisandwich ausbrachen. An den mobilen Austern-Ständen kamen gar nur die stärksten Zwei-Meter-Männer zum Zuge.

Für Letztere war die Tefaf lange eine Bastion ihrer Spezies, bei den liquiden Sammlern ebenso wie den Händlern. Nach Jahren der Stagnation kommt die Liste der Aussteller aber nun in Bewegung. Auch wenn Frauen, die unter ihrem eigenen Namen einen Messestand haben, immer noch rar sind. Die 16 Neuzugänge unter den 275 Ausstellern verdanken sich einem neuen Zulassungsverfahren. Inzwischen müssen sich die Aussteller jedes Jahr neu bewerben. Früher genügte es, dem illustren Kreis einmal beizutreten, um danach immer wieder eingeladen zu werden. Von den Neuerungen profitierten vor allem die Sparten Moderne, Nachkriegskunst, Contemporary oder Design. Doch nun tut sich mit der französischen Galerie Chenel und der Safani Gallery aus den USA selbst unter den konservativen Antikespezialisten etwas.

Nostalgiebedürfnisse werden gestillt

Auch die Nummer Eins der gehobenen Qualitätsmessen muss sich hin und wieder häuten, um das Spektrum ihrer Kundschaft auf ein breiteres Fundament zu stellen. Weswegen sich nun zu den kostspieligen Evergreens der Werke von Cranach, Rembrandt, Claude Monet, van Gogh, Gustav Klimt, Alberto Giacometti oder Alexander Calder auch Frauen wie Camille Claudel oder Berthe Morisot gesellen. Nostalgiebedürfnisse werden ebenfalls gestillt. Wer möchte schließlich nicht ein goldenes Kaffee-Service aus dem Haus Fabergé (Wartski) von 1890 erwerben, dem letzten seiner Art, das den Bolschewiki nicht in die Hände gefallen ist? Oder eine aus der Bulgari-Sammlung stammende deutsche Barockuhr aus Elfenbein und Silber (J. Kugel), die schon Christina von Schweden und den Rothschilds gehört hat?

Prestige erlangen lässt sich mit dem Kauf feinster Musikinstrumente (Jean-Michel Renard) oder einer Erstausgabe von „1001 Nacht“ (Stéphane Clavreuil Rare Books) zwar nur unter wirklichen Kennern, aber dafür sind diese zum Glück immer noch liebevoll gepflegten Nebenschauplätze eine Garantie für unerwartete Entdeckungen. Um sie zu erleben, muss man zur Muttermesse anreisen, denn die seit zwei Jahren stattfindenden Ableger in New York bieten nur einen Bruchteil der hier zelebrierten Vielfalt.

Die besten Verkäufe seit 27 Jahren

Dafür ist in Übersee mit der neuen Ausgabe des viel zitierten „Tefaf Art Market Report“ zu rechnen, der zum Start der New Yorker Tefaf im Mai erscheinen soll. Die Ökonomin Clare McAndrew, lange verantwortlich für den Bericht, wechselte vor zwei Jahren zur Art Basel. Rachel Pownall, Professorin für Kunstmarktstudien an der Maastrichter Universität, übernahm 2017 die Recherchen über das Milliarden-Geschäft. Und das läuft in Maastricht weiterhin blendend. Schon am Eröffnungstag wechselten unzählige Kostbarkeiten den Besitzer. Die gute Stimmung animierte Thomas Heneage Art Books gar zu dem Resümee, dass man „zu Beginn der Messe die besten Verkäufe in mehr als 27 Jahren“ getätigt habe.

Am opulenten Stand von Tomasso Brothers Fine Art verkaufte sich eine Marmorgruppe zweier kämpfender Löwen von Giovanni Battista Foggini. Der Preis lag bei 1,75 Millionen Euro. Die Londoner Weiss Gallery, bei der vor allem Liebhaber von majestätischen Porträts aus der Zeit der Tudors und Stuarts zum Zuge kommen, bewies ihre Kompetenz auch bei den niederländischen Meistern des goldenen Zeitalters und meldete den Verkauf des Damenbildnisses „Emerentia de la Kethulle, née van Ravenswaay“ von Paulus Moreelse, der seinen Stil an Caravaggio orientierte. Aus derselben Epoche stammt ein Atlas von Johannes Blaeu, der 1662 mit dem elfbändigen Atlas Major den teuersten europäischen Atlanten des 17. Jahrhunderts schuf. Daniel Crouch Rare Books, eine Fundgrube für kartographische Raritäten, verkaufte sein Exemplar für 730 000 Euro. Bei Ben Janssens Oriental Art trennte man sich allein an den ersten zwei Tagen von über 40 Werken, darunter von einer Pferdefigur aus der Wei-Dynastie (50 000 Euro). Interesse hatten vor allem Institutionen.

Manche kaufen nichts, was älter als ein Jahr ist

Offenbar ist auch das Rijksmuseum in Amsterdam fündig geworden, allerdings am Stand von Benjamin Proust Fine Art Ltd. Das Objekt der Begierde war ein Wachsmodell des Brunnens des Palazzo Pitti, das Bartolomeo Ammannati 1556 schuf. Als kleines Format überzeugte auch die Fettschale aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Donald Ellis in der Abteilung „Tribal“ für 285 000 Euro abgab. Vielleicht war es die Gestalt eines Vogelkükens, das zum Kauf animierte? Die zweifelhaften Wege, auf denen diese Objekte aus Alaska oder Kolumbien von den Urvölkern erworben wurden, können es nicht gewesen sein.

Sie lassen sich kaum noch nachvollziehen, und dass diese nicht immer rechtens waren, liegt in Zeiten einer ausgeprägten Sensibilität für das Stichwort Provenienz auf der Hand. Dass Emmanuel Macron neuerdings den Anschein erweckt, Kunst aus ethnologischen Museen rückerstatten zu wollen, macht die Situation nicht leichter, auch wenn manch ein Stück so doch wieder auf dem Markt auftaucht.

Andere ziehen ihre Konsequenzen daraus und kaufen lieber nichts, was älter als ein Jahr ist. Dass jünger besser ist als jung, bewies die auf Design spezialisierte Galerie Kreo: Die handgewebte Papierarbeit „7.30pm Evening“ hat die niederländische Produktdesignerin Hella Jongerius, die auch für Vitra entwirft, 2017 hergestellt. Ein außereuropäischer Sammler ist jetzt der stolze Besitzer. Und wer weiß schließlich, was das dekorative Schmuckstück in hundert Jahren wert ist?

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