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Kultur - 19.05.2019

Wenn Worte zu Waffen werden

Sprechgesang für die Revolution: Jalal Mansur Nuriddin hat mit den Last Poets den Hip-Hop vorweggenommen. Nun ist er mit 73 Jahren gestorben.

Die Last Poets 1994: Abiodun Oyewole, Jalal Mansur Nuriddin und Sulaiman El-Hadi (von links).

Die Uhr tickt, die Zeit drängt. „I understand that time is running out“, ein Sprechgesang, bei dem sich die Silben zum wilden Stakkato formieren. Das Bongo forciert den Rhythmus, im Hintergrund murmelt eine Stimme: „Tick-Tack“. Fürs Reden, Demonstrieren, Lamentieren und Beten wird die Zeit knapp. Weiter warten auf versprochene Veränderungen? Bullshit. „Time, is running out of time / Time is running out on bullshit changes.“ Der Song „Run, Nigger“ ist nur eine Minute und zehn Sekunden lang, ein atemloses Manifest der Dringlichkeit. So beginnt das erste Album der Last Poets, einer Vereinigung von schwarzen Dichtern aus New York, die beschlossen hatten, ihre Gedichte als musikalische Slogans unters Volk zu bringen.

Zuversicht und Stolz reichen nicht

Sam Cooke hatte ein paar Jahre zuvor hoffnungsvoll „A Change Is Gonna Come“ gesungen, bald darauf forderte James Brown schon deutlich kämpferischer: „Say It Loud (I’m Black and I’m Proud)“. Doch den Last Poets reichten Zuversicht und Stolz nicht, sie propagierten den kommenden Aufstand. Ihre Debütplatte, die 1970 herauskam, sollte ein Weckruf sein für die Black Community, die sich bislang als zu phlegmatisch für den Umsturz erwiesen hatte. Zwei Schlüsselsongs heißen „Niggers Are Scared of Revolution“ und „Wake Up, Niggers“. Die Revolution kam nicht, aber die Last Poets wurden legendär. Zusammen mit Gil Scott-Heron, der „The Revolution Will Not Be Televised“ sang, gelten sie als Wegbereiter des Hip-Hop. Jalal Mansur Nuriddin, einer ihrer Anführer, ist jetzt im Alter von 73 Jahren gestorben.

Gegründet zu Ehren von Malcolm X

Die Last Poets entstammten dem Harlem Writers’ Workshop, sie gründeten sich 1968 am Geburtstag von Malcolm X. Ihr Name geht auf den südafrikanischen Dichter und Aktivisten Keorapetse Kgositsile zurück. Als Poeten, davon waren sie überzeugt, gehörten sie zu einer aussterbenden Art. Denn in der Revolution würden Bomben und Gewehre an die Stelle von Gedichten und Essays treten. Die Besetzung wechselte, es gab Grabenkämpfe und Rauswürfe. Nuriddin, der 1969 zur Band gestoßen war und sich anfangs noch Alafia Pudim nannte, gehörte neben Abiodun Oyewole und Umar Bin Hassan zu den Konstanten.
Agitprop hat viele Waffen. Subtilität zählt nicht dazu. Auf dem Cover des Albums „Chastisment“ von 1973 prangt ein grob gezeichnetes Goldenes Kalb über dem Sternenbanner, das von Teufeln und Schakalen angebetet wird. Aus der rechten oberen Bildecke stoßen wie auf einem Heiligenbild afroamerikanische Engel herab, um sie mit Schwertern zurückzuschlagen. Chastisment bedeutet Züchtigung. Musikalisch steht die Platte für einen Aufbruch, hin zum kosmischen Jazz von Sun Ra und afrikanischer Polyrhythmik.

Angeben ist nicht relevant

Bald darauf erzählte Nuriddin unter seinem Pseudonym Lightnin’ Rod von der kriminellen Karriere zweier fiktiver Brüder, Sport und Spoon, im Ghetto von Harlem. Das Album „Hustlers Convention“, kommerziell erfolglos, nahm den Gangster Rap vorweg und wurde später von den Beastie Boys und dem Wu-Tang Clan gesampelt.
Jalal Mansur Nuriddin, 1944 geboren, war in Brooklyn aufgewachsen. Aus der Armee wurde er entlassen, weil er sich geweigert hatte, vor der US-Flagge zu salutieren. Eine Zeit lang jobbte er in einer Bank an der Wall Street, eine Erfahrung, die er im Song „E-Pluribus Unum“ verarbeitete. Seine Versuche, Gedichte mit Musik zu verschmelzen, nannte er „spoagraphics“ oder „spoken pictures“.
Von Hip-Hop hat er nicht viel gehalten. „Mit einem übergroßen Ego, mit Frauen, Drogen und Geld anzugeben ist für die Befreiung der Herzen und des Geistes nicht relevant.“ Nuriddin blieb ein Revolutionär und versicherte: „Ich denke nicht einmal an Rap.“

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