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Kultur - 16.01.2019

Was nach der Zeit des Malens kam

Konrad und Dorothee Fischer brachten mit ihrer legendären Galerie ab den 60ern die Minimal Art und Konzeptkunst nach Europa. Die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf präsentiert ihren Nachlass.

Drehmomente. Rotierende Tischplatten der Installation „Turntable (My Boyfriend’s Back)“ von Jim Lambie (2004).

„Ich sehe mich als Kunstvermittler“, hat Konrad Fischer einmal erklärt. Das war im Februar 1971. Zweieinhalb Jahre zuvor hatten Fischer und sein Kollege Hans Strelow die Ausstellung „Prospect 68″ in der Städtischen Kunsthalle Düsseldorf ausgerichtet. „Mir ist nicht wichtig, dass ich Dinge verkaufe“, so Fischer, „sondern dass ich Informationen an diejenigen bringe, die interessiert sind, so dass die von mir vertretenen Künstler in einem angemessenen Zeitraum vorankommen und die Leute sagen, ,Fischer hat den richtigen Mann!’“

Konrad Fischer (1939-1996) hatte immer wieder den „richtigen“ Künstler; „richtig“ im Blick auf die Kunstströmung, die er als einer der ersten erkannte und von da an propagierte. In Düsseldorf eröffnete Fischer 1967 eine Galerie, der ihre kommende Bedeutung nicht anzusehen war: eine drei mal elf Meter Grundfläche messende Hofdurchfahrt, die Fischer umgestalten ließ und mit einer großen Glasfront versah, so dass man in den Innenraum im Hause Neubrückstraße 12 hineinsehen konnte. Wenige Schritte entfernt lag die Kunstakademie, in die andere Richtung die im selben Jahr eröffnete Kunsthalle. Unmittelbar benachbart hatte die Musikkneipe „Creamcheese“ eröffnet, eine der ersten Anlaufstellen Düsseldorfer Nachwuchskünstler.

Das klingt lokalig, aber man kann die Eigenart dieser Szene erst verstehen, wenn man sie als Mischung aus Weltläufigkeit und Provinz begreift. In der Nähe hatte der legendäre Alfred Schmela seine Galerie, Stammhaus des Düsseldorfer Übervaters Joseph Beuys. Fischer, eben noch selbst als Künstler tätig, kam zur rechten Zeit. Die hierzulande noch unbekannte Minimal Art und die Konzeptkunst, die sich in den USA gegen die blühende Pop Art zu behaupten begannen, brachte Fischer als einer der ersten nach Europa. Von hier kamen verwandte Positionen hinzu, wie Hanne Darboven oder Bernd und Hilla Becher.

Die Wahrnehmung des Publikums wurde herausgefordert

Wie es so geht mit einer Galerie – die Fischer bis zu seinem frühen Tod betrieb und die anschließend von seiner Frau Dorothee weiter geführt wurde –, kamen Objekte zusammen, die nicht den Weg zu Käufern fanden, weniger Sammlungs- als Erinnerungsstücke, die mit dem allfälligen Papierkram an Korrespondenz und Einladungskarten eben diese Galerietätigkeit abbilden. Was sich dergestalt anhäufte, hat in diesem Jahr für die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen erworben. Nun wird die Erwerbung als „Die Sammlung Dorothee und Konrad Fischer“ ausgestellt, versehen mit der Überschrift „Wolke und Kristall“, die nebenbei der Titel einer Arbeit von Carl Andre ist, die er in einer noch mit Konrad Fischer geplanten Ausstellung zeigte, eröffnet kurz nach dessen Tod.

Im Erdgeschoss der Kunstsammlung NRW ist der schlauchartige Raum der Galerie mehrfach nachgebildet, um den darin jeweils untergebrachten Arbeiten die Aura ihrer Erstpräsentation so gut wie möglich zurückzugeben. Es gibt die hübsche Anekdote, dass Werner Schmalenbach, der prägende Gründungsdirektor der Kunstsammlung und vom Land mit einem respektablen Ankaufsetat versehen, die Galerie betrat und irritiert darüber, an den Wänden keine Kunstwerke vorzufinden, wieder verließ. Die Stahlplatten auf dem Fußboden vermochte er als Kunstwerk nicht zu erkennen.

Die damals gezeigte Arbeit „5 x 20 Altstadt Rectangles“ von Andre ist nicht mehr greifbar. Andere Installationen stellten die Wahrnehmung des Publikums auf noch härtere Proben. So legte Richard Long im Folgejahr Weidestöckchen aus. In der Altbauwohnung der Fischers schob Long in einer Zimmerecke trockene Kiefernnadeln akkurat zusammen, wie sie jetzt ebenso beiläufig kaum minder überraschen. Das soll Kunst sein?

Eine Hinterlassenschaft, keine Sammlung

Ja, das soll Kunst sein. Im Obergeschoss liegt Longs „Circle for Konrad“, ein exakter Kreis aus Schiefersteinen, und Andres „25 Blocks & Stones“ vor der Wand mit Jackson Pollocks Drip-Painting „Number 32“ von 1950, einer der triumphalen Erwerbungen Schmalenbachs. So wird die Kanonisierung, die die nach-malerischen Positionen der Kunst der sechziger und folgenden Jahre längst erfahren hat, nun auch in der Kunstsammlung NRW vollzogen. Dass Künstler mit Arbeiten vertreten sind, die Dorothee Fischer nach dem Tod ihres Mannes betreut hat – Gregor Schneider oder Manfred Pernice –, verdeutlicht die Kontinuität. Doch verhält es sich wie mit jedem Urknall: Im ersten Moment sind die Kräfte am stärksten, sie verringern sich im Zuge ihrer Ausbreitung. Sicherlich braucht es zeitlichen Abstand, um Erscheinungen in der Zeit ihrer verstörenden Entstehung würdigen zu können. Dann erst beginnen auch die unscheinbaren Papiere zu erzählen, die das „Archiv“ der Galerie in Vitrinen der jetzigen Ausstellung darstellen.

Die Bezeichnung der galeristischen Hinterlassenschaft als „Sammlung“ hat zu Irritationen geführt. Um eine Sammlung im Sinne zielgerichteten Aufbaus handelt es sich gerade nicht. Manches blieb im Besitz des Ehepaares, weil es spezifisch auf die Bedingungen der Galerie zugeschnitten war. Etwa Bruce Naumans Geräuschinstallation mit Tonbandgerät, „Six Sound Problems for Konrad Fischer“ von 1968. In ihrer Gesamtheit wurde der Marktpreis der Kollektion mit einer unteren Taxe von 22 Millionen Euro bewertet, von denen die Hälfte als Kaufpreis zuvörderst vom Land NRW mit 7,7 Millionen sowie von verschiedenen Kulturstiftungen aufgebracht wurde, die andere Hälfte als Schenkung der beiden Kinder von Konrad und der im vergangenen Jahr 78-jährig verstorbenen Dorothee Fischer. So wird des Galeristen selbstbewusste Eigenbeschreibung, „Ich sehe mich als Kunstvermittler“, 45 Jahre später erst ganz erfüllt.

Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Grabbeplatz 5, Düsseldorf; bis 8. 1. 2017

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