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Kultur - 09.05.2019

Vom Fake zur Literatur und zurück

Der ehemalige Interviewfälscher und Buchautor Tom Kummer ist einer von 14 Autor*innen beim diesjährigen Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Lesen.

Tom Kummer 2017 bei der Buchmesse in Leipzig, als sein Buch „Nina und Tom“ herauskam.

Beim Blick auf die Teilnehmerinnen- Liste des diesjährigen, Ende Juni stattfindenden Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Lesens bekommt man den Eindruck, es dieses Mal wirklich mit einem Nachwuchswettbewerb, einem literarischen Kräftemessen sehr unbekannter Talente zu tun zu haben. In alphabetischer Reihenfolge stehen da Martin Beyer, Ines Birkan, Birgit Birnbacher, geboren 1985, Yannic Han Biao Federer, geboren 1986, Leander Fischer, geboren 1992, Andrea Gerster, Daniel Heitzler, geboren 1996, Julia Jost, und dann…, ja, und dann ein nur zu bekannter Name des zweitältesten Autor dieses Klagenfurter Jahrgangs: Tom Kummer.

Tom Kummer? Genau, jener Reporter, der im Jahr 2000 mit seinen gefakten Interviews mit Hollywood-Stars für einen veritablen Medienskandal sorgte, der unter anderem den beiden Chefs des „SZ“-Magazins den Job kostete, einer von ihnen ist der heutige Chefredakteur der „Welt“, Ulf Poschardt. Als „Konzeptjournalismus“ verstand Kummer das im Nachhinein, überhaupt den Journalismus als einziges „Experimentierfeld“, womöglich als Kunst. Obwohl er später hie und da nochmal in Zeitungen schreiben durfte (was sich wieder als mitunter gefakt und gesamplet herausstellte), ist er inzwischen vor allem Buchautor und vermutlich immer noch Paddle-Tennistrainer.

Beim Schreiben verlässt Kummer die Ebene des Bewusstseins

2007 erschien von ihm „Blow Up“, eine Mischung aus Autobiografie und aufrichtiger Erzählung darüber, wie es zu den gefälschten Interviews kommen konnte. Und vor zwei Jahren veröffentlichte Kummer ein Buch über den Krebstod seiner Frau, „Nina und Tom“. Das wurde vom Verlag als Roman etikettiert, ist aber autobiografisch und erzählt die Geschichte der Liebe zu seiner Frau – und auch ziemlich offen, schonungslos und mitunter anrührend die ihres Sterbens. Doch Kummer erwies sich auch hier als Wiederholungstäter. Er bediente sich bei anderen Schriftstellern und Schriftstellerinnen, bei Richard Ford und seinen Erzählungen „Rock Springs“, bei Kathy Acker und ihrem Buch „Harte Mädchen weinen nicht“ oder bei Frédéric Beigbeders Roman „39,90“. Das veranlasste den damaligen Aufbau-Verleger Gunnar Cynybulk zu dem Statement, dass Tom Kummer gar nicht anders kreativ arbeiten könne, „als er es tut“, nämlich sich immer wieder bei anderen zu bedienen, „und das ist nicht einmal auf der Ebene des Bewusstseins.“

Was für ein Text dem Klagenfurt-Juror Michael Wiederstein, der Kummer eingeladen hat, da wohl vorgelegt worden ist? Es dürfte sich um einen Auszug aus Kummers neuem, bestimmt wieder autobiografischen, wenigstens autofiktionalen Roman handeln, der im Frühjahr 2020 beim Tropen Verlag erscheinen soll. Ob die Jury bei Kummer nun noch genauer hinschaut, um ihn womöglich des erneuten Plagiats zu überführen? Oder sie den Text rein literaturkritisch betrachtet? Zumindest ein kleiner glamouröser Aufschlag ist ihr mit dieser Einladung gelungen. Die im übrigen, Kummers Vorgeschichte hin oder her, in einer Reihe steht mit früheren Auftritten von Joachim Lottmann, Ronja von Rönne, Stefanie Sargnagel oder Peter Licht. Ein wenig Pop hat man selbst in Klagenfurt gern. Und vielleicht hat Kummers Auftritt gar therapeutischen Charakter. Denn womöglich wird sein junger Bruder im Fake- Geiste, Claas Relotius, im Jahr 2025 oder so auch einmal nach Klagenfurt eingeladen.

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