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Kultur - 14.07.2019

Und die Helikopter fliegen wieder

Nur an diesem Montag ist „Apocalypse Now – Final Cut“ in den Kinos zu sehen. Es soll die finale Version des Klassikers sein. Doch die technische Entwicklung erzwingt ständig neue Fassungen.

Robert Duvall (Mitte) als Lieutenant Colonel Bill Kilgore in Francis Ford Coppolas Meisterwerk.

Wer am heutigen Montag ins Kino geht, um „Apocalypse Now – Final Cut“ zu sehen, wird erst mal nicht den legendären establishing shot des nicht minder legendären Films sehen: den Blick auf den Dschungel, zu dem sich die Geräusche der Rotorblätter von Helikoptern und die Klänge des The Doors-Song „The End“ gesellen, ehe am Ende dieses Auftakts der Wald in Flammen stehen wird. Vielmehr grüßt ein freundlicher, älterer Herr aus einer Videobotschaft, die wie im heimischen Blumengarten aufgenommen wirkt: „I’m Francis Coppola.“

Der kurze Film ist ein Akzent, der die Vorführung des langen Films danach verstehen helfen soll, der als sogenanntes Kino-Event nur am heutigen Montag auf mehr als 160 deutschen Leinwänden vorgeführt wird (und damit Werbung macht für die kommende Bluray-Veröffentlichung im August). Denn „Apocalypse Now“ ist nicht neu, sondern ein Klassiker des Kriegsfilms seit 40 Jahren. Neu ist die Version, die nun zu sehen ist und „Final Cut“ heißt. Es ist die dritte (genau genommen: vierte), nachdem Coppola den Film noch unfertig, als „work in progress“, bei den Filmfestspielen von Cannes 1979 präsentierte (und gemeinsam mit Volker Schlöndorffs „Die Blechtrommel“ dafür die Goldene Palme gewann).

Der Wahnsinn des Krieges

Später im Jahr kam die zweieinhalbstündige erste Kinofassung heraus, die den Wahnsinn des (Vietnam-)Krieges durch Motive von Joseph Conrads Roman „Das Herz der Finsternis“ literarisierte: Der kaputte, von Martin Sheen gespielte Captain Willard bekommt den Auftrag, einen einst hoch dekorierten Soldaten namens Colonel Kurtz (Marlon Brando im wohl größten Auftritt, den die Filmgeschichte einem Star je ermöglicht hat) unschädlich zu machen, der verrückt und für die Befehle der Armeeführung unempfänglich geworden, im tiefsten Dschungel als guruhafter Philosophen-Gott inszeniert. 2001 erschien die zweite Publikumsfassung, die anders als der Titel „Apocalypse Now Redux“ nahelegte, um 50 Minuten länger war als die von 1979. Die Reise durch die Flussarme des philippinischen Urwalds wurde um Szenen ergänzt, die seinerzeit dem Schnitt zum Opfer gefallen waren: einem rasch eskalierenden Playmate-Auftritt zur Truppenunterhaltung etwa. Oder dem Besuch auf einer französischen Kolonie, die gefangen im Gestern ihrer Indochina-Vorstellungen dem um sie herum tobenden Befreiungskampf nur mit Ignoranz begegnen konnten.

Wenn nun mit „Apocalypse Now – Final Cut“ die dritte öffentliche Version erscheint, braucht es eine Begründung. An der versucht sich Coppola in der Videobotschaft, in der er erklärt, von den beiden existierenden Fassungen sei die eine zu kurz und die andere zu lang, weshalb es eine dritte, „richtige“ gebraucht habe. Ein Bonmot, das man getrost als PR betrachten sollte. Denn die neue Version dürfte sich vor allem der Verlängerung kommerzieller Auswertungszyklen durch die Möglichkeiten technischen Fortschritts verdanken. Auf dem „Cinema Ritrovato“ in Bologna Ende Juni fand zur Europa-Premiere von „Final Cut“ vor Hunderten Menschen auf der Piazza Maggiore auch ein Fachgespräch über die Restaurierungsarbeit an dem Film statt. Da kamen die akustischen und visuellen Neuerungen zur Sprache, die Version wurde mit 4K und neuem Dolby-Atmos-Mix visuell und akustisch auf den digitalen Stand der Zeit gebracht. Nebenbei erzählte ein Mitarbeiter Coppolas, den Regisseur habe man für diese technische Arbeit dadurch gewinnen können, dass er selbst noch einmal Hand an den Schnitt legen durfte.

Bildbearbeitung als positivistische Evolutionserzählung

Dass Filmemacher tendenziell endlos an ihren Werken arbeiten können, ist nichts Neues. Von Claude Sautet („Die Dinge des Lebens“, 1970, „Das Mädchen und der Kommissar“, 1971) ist bekannt, dass er jede sich bietende Möglichkeit nutzte, spätere, vermeintlich bessere Fassungen seiner Filme zu erstellen. Dieses Feld der Möglichkeiten hat sich durch den immer weiter verfeinernden Heimmedien-Markt erweitert. Als Intro zu dem Fachgespräch in Bologna wurde ein mediengeschichtlicher Zusammenschnitt der sich stets technisch überholenden „Apocalypse Now“-Heimkino-Varianten gezeigt, angefangen bei der VHS von 1981. Die Präsentation brachte auf den Punkt, was die eigentliche Motivation hinter dem „Final Cut“ gewesen sein dürfte: der Beweis, das jede technische Neuanpassung zu einem immer noch klareren Bild, zu einer immer noch komplexeren Tonspur führt. Bildbearbeitung als positivistische Evolutionserzählung.

[ nur an diesem Montag, 15. Juli, in 21 Berliner Kinos]

Dabei war es beredet, dass den Ursprung dieser Reihe nicht der Kinofilm von 1979 markierte, sondern eben die erste VHS-Version mit ihren sumpfig-groben Bildern. Für die Industrie ist das ein Geschäft, das sich mittlerweile eher an äußeren Anlässen denn innerer Notwendigkeit orientiert. In einem anderen Fachgespräch in Bologna bemerkte Grover Crisp, Filmrestaurator bei Columbia Pictures, dass es aus seiner Sicht keine Neubearbeitung von „Easy Rider“ gebraucht hätte. Die gibt es aber, weil es ein Jubiläum gibt: den 50. Jahrestag der Premiere.

In diesem Sinne verweist der mit Aplomb veröffentlichte „Final Cut“ zum 40. Jahrestag der „Apocalpyse Now“-Veröffentlichung auch auf ein Problem, das der stete Medienwandel verursacht und das auch die Diskussionen um die Bewahrung des sogenannten Filmerbes begleitet: Um Filme für den Markt der wechselnden Heimmedien verfügbar zu halten, muss laufend technisch nachjustiert werden. Wer hat heute noch einen VHS- Rekorder? So zeigt „Apocalypse Now – Final Cut“ auch, wie sich der Blick aufs Kino ändert. Denn jeder neubearbeitete Film, darauf wollte Grover Crisp hinaus, ist die Entscheidung gegen die Restaurierung eines anderen. Das führt zu Verengung: Während ein scheinbar unbedeutenderer Teil der Filmgeschichte auf seine digitalisierte Heimkino-Variante wartet, bekommen sogenannte Meisterwerke wie „Apocalypse Now“ bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Pixel geputzt. „Final“ ist da nichts: Auch der aktuelle Digitalstandard 4K wird in ein paar Jahren alt aussehen.

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