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Kultur - 23.03.2019

Überlasst „Heimat“ nicht den Rechten!

Herkunft und Zukunft: Der Begriff „Heimat“ ist besser, als viele denken. Nur das Heimatland Europa wird uns vor den nationalen Heimbewahrern schützen.

Pro-Europa-Kundgebung auf dem Gendarmenmarkt in Berlin.

Freddy Quinn hätte für seine Suche nach Heimat keine App benötigt, hätte sie ohne Google Earth lokalisiert und ohne Navi gefunden. Er blickte einmal nach Steuerbord, einmal nach Backbord, dann zu den Sternen, und begann zu singen „Heimat, deine Sterne, sie strahlen mir auch am fernen Ort“. Zuhause war für ihn überall dort, wo ein Seemann, dessen Heimatland berufsbedingt nun mal das Meer war, sie ersehnte. Mit der Sehnsucht Millionen Deutscher nach Heimat verkaufte er Millionen von Schallplatten. Als er der Ferne müde ward, bat Freddy Quinn „Wind und Wolken, nehmt mich mit, ich tausche gerne, all die vielen fremden Länder gegen eine Heimfahrt aus“.

Seit der Flüchtlingskrise 2015, als Menschen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak in Deutschland Zuflucht suchten, ist Heimat aus den Niederungen von Schlagern, wo sie einst fürsorglich betreut worden war, aufgestiegen zu Schlagworten in den Programmen aller Parteien. Wenige Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament wird mit ihr Stimmung erzeugt. Sie verspricht sich heimatlos fühlenden Wählern einen sicheren Halt in einer unsicheren Welt, Rettung vor einer ungewissen Zukunft.

Ihre Väter lagen entweder verscharrt in fremder Heimaterde oder waren wund geschlagen an Körper und Seele zurückgekehrt in ihre mittlerweile zerbombte Heimat. Aus der waren deutsche Heerscharen 1939 aufgebrochen mit dem Schlachtgesang „Heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“, um friedlichen Völkern die Heimat zu zerstören, deren Bürger zu ermorden, deren Land zu unterjochen. Der Tod war ein Meister aus Deutschland. Ihm waren sie kriegslüstern in die Ferne gefolgt. Nach Kriegsende 1945 hatte er aus ihnen heimatlose Gesellen gemacht. Gefühlt überlebte nur die Heimat, in der sich die Erinnerung auskannte.

Die Sehnsucht lag im Westen

Ihren Nachgeborenen fehlten Heimatorte wie Königsberg oder Danzig oder Breslau nicht, weil Orte ihrer Sehnsucht im Westen lagen, in Paris, in Rom, in London oder im schmuddeligen Liverpool, Heimat der Beatles. Ihre Sehnsucht war eine Sehsucht, international wie die Musik, zu der sie träumten. Rock me, Baby, woher auch immer du stammen magst und – „If you’re going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair.“

Schlager waren national. Sie rochen wie Mottenkugeln, schmeckten wie Eisbein, klangen wie Borgward und passten zu Filmen, in denen Heimat als Idylle verkitscht, Ursachen für die blutgetränkte Heimaterde verdrängt und die Schuldigen dennoch nicht bestraft wurden. Die saßen statt in Gefängniszellen, wo sie hingehört hätten, bald wieder an ihren Stammtischen.

Über denen hatten sie noch die Lufthoheit und verdrängten ihre finstere Vergangenheit. Konrad Adenauer, für den Heimat an der Elbe endete, denn was danach kam, war ihm fremder deutscher Osten, bot sowohl alten Nazis als auch entnazifizierten Mitläufern in der CDU eine besenreine neue Heimat. Moralisch verwerflich, doch politisch wesentlich für die Stabilität der Nachkriegsrepublik. Statt einer für alle qua Abstammung verbindlichen Heimat wurde dank Wirtschaftswunder Wohlstand für alle die verbindende Identität. Die war frei von Ideologie.

In den Jahren des beginnenden Aufbruchs aus nationalen Grenzen zur grenzenlosen Heimat Europa, zunächst per VW-Völkerwanderung ins Goethe-Sehnsuchtsland Italien, schaffte es die Heimat allenfalls noch zu Pfingsten in die „Tagesschau“. Da trafen sich als Folge nationalsozialistischer Gewaltherrschaft aus deutschen Ostgebieten Vertriebene, sangen die Schlesier „Kehr ich einst zur Heimat wieder“, und die Ostpreußen – „Land der dunklen Wälder“ – forderten ihre Heimat zurück.

Alte und Neue Heimat – beide waren kontaminiert

Die meisten aber, die sich derart einmal im Jahr als Vollwaisen gerierten, weil sie angeblich sowohl Mutterland als auch Vaterland verloren hatten, waren in der bundesdeutschen Wirklichkeit längst heimisch geworden. Viele in den vom DGB erbauten 400 000 Wohnungen. Der Konzern hieß nicht von ungefähr Neue Heimat, sondern bewusst von daher, verkaufte sich als gemeinnütziger Leuchtturm in einem Meer von Immobilienhaien – und brach krachend zusammen, als vom „Spiegel“ enthüllt wurde, wie sich seine Manager insgeheim ihre Privatkonten gefüllt hatten. Nicht nur die alte Heimat war kontaminiert, durch die braunen Volksgenossen, sondern danach durch die roten Genossen auch die neue. Die Heimat zog daraufhin tief getroffen beleidigt aufs Land. Öffnete sich dort dem Volk in heimatkundlichen Museen, ließ sich feiern bei alljährlichen Schützenfesten, sang mit den Alten am Brunnen vor dem Tore, begleitete die dereinst in ihre letzte Heimat Friedhof. In der Gefühlswelt junger Städter war sie nicht mehr ersehnt. Dort lebten mehrheitlich Weltenbummler. Deren Sehnsucht war die weite Welt. Die lasen keine Heimatromane von Ganghofer, Stifter und Raabe. Sondern die von Uwe Johnson, Günter Grass und Heinrich Böll. Lesen in heutigen Zeiten die von Dörte Hansen, von Mariana Leky und Saša Stanišić.

Edgar Reitz, der mit seinem Mehrteiler „Heimat“ 1984 Fernsehgeschichte schrieb, erinnerte sich in der „FAZ“ an jene Zeiten, als Heimat ein „Genre des deutschen Films war, das wir zutiefst verabscheuten“, vergiftet durch die Nazizeit. Setzte damals dagegen in seinen Heimatgeschichten den „Duft des verlorenen Glücks“, gar ein „sehnsüchtiges Verlangen nach Rückkehr in den Mutterleib“, der ersten Heimat eines jeden Menschen.

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