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Kultur - 14.12.2018

Tanztheater Pina Bausch nach Kündigungen am Abgrund

Die Intendantin muss gehen, der Geschäftsführer auch: Das weltberühmte Wuppertaler Tanztheater Pina Bausch zerfällt.

Fristlos gefeuert. Ballett-Chefin Adolphe Binder.

Wer in den letzten Wochen verfolgt hat, wie sich das Tanztheater Wuppertal selbst zerlegte, fühlte sich wie in einem miesen Theaterstück. Die Führungskrise endet nun mit einem Eklat. Die Intendantin Adolphe Binder muss nach nur einem Jahr gehen – der Beirat des Tanztheaters hat in einer Sondersitzung am Freitag ihre fristlose Kündigung beschlossen. „Diese Entscheidung ist leider notwendig geworden, um die Handlungsfähigkeit dieser einzigartigen kulturellen Einrichtung wiederherzustellen“, erklärte das Gremium, dem Vertreter von Stadt, Land, Tanztheater und der Pina-Bausch-Foundation angehören. Binders Gegenspieler, der Geschäftsführer Dirk Hesse, beendet seine Tätigkeit zum Jahresende. Das Tanztheater steht vor einem Scherbenhaufen.

Adolphe Binder, die schwer unter Beschuss stand, hat nun in einem offenen Brief die Kritik an ihrer Arbeit zurückgewiesen. Die von der Geschäftsführung gegen sie erhobenen Vorwürfe seien „unhaltbar und rechtfertigen keine Kündigung“. Der künstlerische und kommerzielle Erfolg des Tanztheaters habe offenbar bei der Entscheidung, sie zu entlassen, keine Rolle gespielt. Binder rechnet in ihrem Schreiben auch mit Hesse ab. Der Geschäftsführer habe sich von Beginn an geweigert, die durch die Berufung einer Intendantin neu geschaffene künstlerische Leitung zu akzeptieren und diese transparent in die Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen.

Nicht nur Adolphe Binder geht beschädigt aus dem Konflikt hervor. Auch wenn der Beirat sich nach außen hin auf seine Seite schlägt, so ist Hesses Ruf doch ruiniert. Er darf nur noch abwickeln in den nächsten Monaten.

Das gesamte Ensemble stellt sich hinter die Intendantin

Der schon lange schwelende Konflikt wurde publik, als Hesse den Beirat des Tanztheaters einberief und die außerordentliche Kündigung der Intendantin forderte. Als dann den Medien ein internes Papier zugespielt wurde, eskalierte der Streit. Sechs Seiten umfasste der Aktenvermerk der Geschäftsführung. Darin wirft Hesse Binder vor, ihre Aufgaben als Intendantin nicht zu erledigen. Der Hauptvorwurf lautete, es fehle ein belastbarer Spielplan für die kommende Saison. Zudem habe sie Stücke eingeplant, die mit dem derzeitigen Ensemble nicht in der erforderlichen Qualität umgesetzt werden könnten. Sogar Mobbing-Vorwürfe standen im Raum.

Die Tänzer waren gerade auf Gastspielreise in Paris, als sie von den Anschuldigungen gegen Binder erfahren haben. Sie haben klargestellt, dass es schon seit längerem einen Spielplan gebe, der mit einem Tänzer-Team erarbeitet wurde. Allerdings sei er von der Geschäftsführung abgelehnt worden. Das gesamte Ensemble hat sich in einem öffentlichen Schreiben hinter seine Intendantin gestellt. Dabei betonten die 35 Tänzerinnen und Tänzer, dass sie selbst zu Arbeit und Verhalten Binders nicht befragt worden seien. Einzelne Tänzer zeigten sich in Interviews entsetzt über die Vorwürfe gegen Binder.

Immer deutlicher wird, dass es sich bei dem Wuppertaler Drama nicht nur um ein Zweipersonenstück handelt. Es ist nicht allein ein Machtkampf zwischen Mann und Frau. Oder ein Konflikt zwischen Geld und Kunst. Letztlich wurde Binder die hierarchische Führungsstruktur zum Verhängnis. Es ist eine fragwürdige Wuppertaler Besonderheit, dass die Intendantin dem Geschäftsführer unterstellt und weisungsgebunden ist. Hesse hat offenkundig seine Macht dazu genutzt, die Arbeit der Intendantin nach Kräften zu behindern. Eine Geschäftsordnung, die die Leitungsaufgaben klarstellt und die es früher auch bei der Tanztheater GmbH gab, habe sie seit Frühjahr 2016 immer wieder gefordert, erklärt Binder, doch es wurde keine erlassen.

Ein nationales Kulturerbe steht auf dem Spiel

Wenn der Beirat nun ankündigt, er wolle auch über eine Neugestaltung der Führungs- und Leitungsstruktur nachdenken, kommt das doch reichlich spät. Es ist nationales Kulturerbe, das hier auf dem Spiel steht: Das Tanztheater wurde 1973 von der großen Choreografin Pina Bausch gegründet und stand bis zu ihrem Tod 2009 unter ihrer Leitung. Die Kompanie mit ihrem einzigartigen Repertoire aus über 40 Bausch-Stücken wird weltweit gefeiert. Die Krise trifft das Tanztheater Wuppertal zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Gerade hat der Bund weitere 2,2 Millionen Euro für das geplante Pina-Bausch-Zentrum bewilligt. Die Baukosten in Höhe von rund 60 Millionen Euro sind bereits gedeckt. Doch es wird noch darum gerungen, ob der Bund sich auch an den Betriebskosten beteiligt. In Berlin dürfte man nicht erfreut sein über die Entwicklung in Wuppertal.

Adolphe Binder, die erfahrene Kulturmanagerin und ausgewiesene Tanzexpertin, hat die Weichen in Richtung Zukunft gestellt. Sie hat neue Tänzer engagiert und zwei Uraufführungen von internationalen Gastchoreografen herausgebracht. Mit „Neues Stück II“ von Alan Lucien Øyen wird das Wuppertaler Tanztheater auch beim Tanz im August in Berlin gastieren. Auch mit neu besetzten Bausch-Stücken fand das Tanztheater großen Zuspruch. Gerade wurde es für die New Yorker Bessie-Awards nominiert. Dass Binder nun gehen muss, ist ein herber Rückschlag. Sie hat schon angekündigt, dass sie gegen ihre fristlose Kündigung arbeitsrechtlich vorgehen wird. Das Drama hat ein Nachspiel.

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