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Kultur - 15.03.2019

So weit die Füße tanzen

Florence + the Machine gaben in der ausverkauften Mercedes-Benz-Arena ein energiegeladenes Indie-Pop-Konzert.

Sängerin Florence Welch aus London.

Bei einem Auftritt von Florence + the Machine steht die Crew vor Aufgaben, die sich sonst bei einem Pop-Konzert eher selten stellen. Zum einen gilt es, den Sound einer Mehrzweckhalle so auszusteuern, dass die Harfe auch auf dem zweiten Rang noch gut zu hören ist. Zum anderen muss die Bühne – eine Treppenkonstruktion, die dem Raumschiff von „2001“ entnommen scheint – auch rutschfest sein. So sieht das Publikum vor dem Gig nicht nur Roadies, die Instrumente stimmen, sondern auch solche, die gewissenhaft den Boden schrubben.

Mit Erfolg. Sängerin Florence Welch verliert am Donnerstagabend kein einziges Mal den Halt, und das, obwohl sie die hundertminütige Show barfuß bestreitet. Sie durchmisst die Länge der Bühne im Hopserlauf, stürmt los und springt in die Höhe. Dann dreht Welch Pirouetten, dass alles um sie fliegt: ihre langen roten Haare, die Schöße und weiten Ärmel ihres Hippie-Kleides.

Dringliche Performance im Hippie-Kleid

Die Sängerin und Songschreiberin aus London ist der Grund, warum an diesem Abend in der Mehrzweckarena am Ostbahnhof kein Platz mehr frei bleibt. Dabei funktioniert die Musik ihrer Band, die sie in zehn Jahren auf vier Studioalben veröffentlicht hat, stets nach ähnlichem Muster: Indie-Pop, der verlässlich auf den Überwältigungsmoment zusteuert. Auf ihrer aktuellen Platte „High As Hope“, die Florence + the Machine in Berlin nahezu vollständig spielen, sind die Songs intimer geraten, ihre Struktur bleibt aber letzten Endes doch die gleiche.

So geht es beim Konzert ein bisschen zu wie im Techno-Club: Die Stücke bauen sich langsam auf, ausgehend von einigen (gut zu hörenden) Harfen- oder Klaviertönen. Dann türmen sich die doppelten Trommeln von Schlagzeug und Perkussion auf, bis die übrige Band einsetzt, Florence Welch wieder eine Sprungfigur vollführt und das Publikum jubelt. Der Dringlichkeit ihrer Performance ist es zu verdanken, dass sich dieses Muster live kaum abnutzt. Genauso wenig, wie sie selbst Ermüdungserscheinungen erkennen lässt.

Sie haucht mehr als dass sie spricht

Bei all dem Gewirbel und Gerenne donnert ihre Stimme mühelos durch die Halle. In der Zugabe „Big God“ lässt die Sängerin ihren Mezzosopran mit fast metallischer Kraft verhärten, bevor er zerbröckelt und in ein kehliges Gurgeln zurückkippt. Sie ist die geborene Frontfrau, die die – in der Vergangenheit überwiegend von Männern ausgefüllte – Rolle der Stadionrock-Rampensau lustvoll auslebt. Doch wenn sie ein paar Worte sagt zwischen den Songs, haucht sie mehr als dass sie spricht. Sie hasse es, auf der Bühne zu reden, erklärt sie, all das Singen und Tanzen sei etwas ganz anderes.

Die Stimmung im Saal fühle sich wunderbar an, sehr feminin, sagt sie weiter. Tatsächlich ist ein Großteil des Publikums weiblich, drei Mitglieder der achtköpfigen Band ebenfalls. Wobei die Werte, die Florence Welch in ihren Ansagen beschwört, fast zum Klischee taugen: Empfindsamkeit, Mitgefühl, Nächstenliebe; die Besucherinnen und Besucher sollen einander umarmen und den wildfremden Nebenmännern und -frauen eine Liebeserklärung machen. Doch nach Momenten der Predigt legt Welch wieder jede Behutsamkeit ab und mutiert zum grazilen Derwisch.

Sie ist eine Künstlerin des Sowohl-als- Auch: wuchtig und zugleich zerbrechlich. Auf den Leinwänden links und rechts der Bühne ist der Ernst auf ihren ungeschminkten Zügen zu erkennen, ihre Entschlossenheit. Aber man meint auch die Spuren zu entdecken, die eine überwundene Alkoholsucht dort hinterlassen haben. In Interviews hat sie erzählt, dass sie lange glaubte, dass sie den Rausch braucht für ihre Kunst. Jetzt weiß sie: Sie kann auch ohne. Und wie.

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