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Kultur - 07.06.2019

„Meine Triolen sind der Hammer“

Mit dem Saft des amerikanischen Südens: zum Tod der Rock’n’Roll-Ikone Fats Domino.

Showman am Klavier. Fats Domino 1993.

Er warf sich mit seiner ganzen Leibesfülle und Boogie-Woogie-Kraft in die Tasten, bevor der Begriff Rock’n’Roll so richtig erfunden war. Und nicht nur das: Antoine „Fats“ Dominos Name galt in seiner Heimatstadt New Orleans als Versprechen, bevor er 1950 mit seiner ersten Single „The Fat Man“ die Top Ten der Rhythm’n’Blues-Charts erreichte. Der Song war die kreolisierte Version des „Junker Blues“ von Champion Jack Dupree, einem Pianisten, dessen ungeschliffene Rauheit Domino mindestens ebenso imponierte wie der Mardi-Gras-Überschwang des gleichfalls in New Orleans ansässigen Professor Longhair.

Der Rest war Auftrag: Denn auch Louis Armstrong stammte aus dem Big Easy, und seinen Spitznamen hatte Domino von dem buchstäblich nicht weniger gewichtigen, 1943 gestorbenen Swingpianisten Fats Waller übernommen. So wurde Antoine „Fats“ Domino, geboren am 26. Februar 1928, zum schwarzen Urgestein einer Musik, die zwischen weißem Rockabilly und schwarzem Chicago-Sound, wie ihn Bo Diddley pflegte, bei ihm besonders saftig klang. Mit hämmernden Triolen, die zu seinem Markenzeichen wurden, bezeugte er die Vitalität eines Stils, der schnell die schwarze Unterschicht verließ und die weiße Mittelschicht eroberte. Aus Rhythm’n’Blues wurde Rock’n’Roll.

Die Grundzüge des Klavierspiels hatte Fats Domino bei seinem Schwager, dem Gitarristen Harrison Verrett, erlernt. Es dauerte nicht lange, und aus dem 12-Jährigen, der, wie er sich gerne erinnerte, in seinem Viertel Blockeis auslieferte und bei dieser Gelegenheit auch auf den in fast jedem Haushalt vorhandenen Klavieren spielen durfte, wurde ein Semiprofi. Mit 15 Jahren trat er dreimal pro Woche in kleinen Nightclubs auf. Es folgte ein Engagement im Hideaway, dem Club, in dem ihm Lew Chudd, der Präsident von Imperial Records, zum ersten Mal hörte und sofort unter Vertrag nahm.

1955 war der Rock’n’Roller dann ein Popstar. „Ain’t That a Shame“ hieß die zusammen mit Chudds Talentscout Dave Bartholomew geschriebene Nummer, die ihn landesweit berühmt machte. Dominos einzige Demütigung bestand darin, dass sich eine Coverversion des weißen Schnulziers Pat Boone noch besser verkaufte. Sie hielt ihn nicht davon ab, zu zeigen, was Erfolg wirklich ist: Bis 1960 kam er mit fast 20 Singles in die Top 20, darunter Klassiker wie „I’m Walking“ oder „Blueberry Hill“, die zeitgenössisch aufgemotzten Version eines Songs, den Satchmo 1949 populär gemacht hatte und der wiederum aus einem 1941 gedrehten Western namens „The Singing Hill“ mit dem singenden Cowboy Gene Autrey stammte.

Fats Domino fürchtete sich nie vor einem Mainstream-Repertoire: Country-Songs wie Hank Williams’ „Jambalaya“ bastelte er sich so selbstverständlich zurecht wie den Broadway-Ohrwurm „Red Sails in the Sunset“ aus dem Jahr 1935. Das Ergebnis war nie peinlich, und hatten sich nicht auch Louis Armstrong und Nat King Cole daran versucht? Vielleicht war Domino trotzdem zu sehr in seine Karriere und deren Annehmlichkeiten verliebt, als dass er über seine Rolle als familiengerechter Gute-Laune-Entertainer hinauswachsen wollte. Schon Mitte der sechziger Jahre trat er als Bewahrer des eigenen Erbes auf, tourte mit seinen alten Hits durch Europa und nahm in Las Vegas eine legendäre Live-Platte auf, während seine neuen Aufnahmen für das Label ABC nur noch die treuesten Fans begeisterten.

Der Lohn für seine frühen Leistungen blieb dennoch nicht aus: 1996 wurde er in die Rock and Roll Hall of Fame gewählt, im Jahr darauf folgte die Anerkennung seines Lebenswerks bei den Grammys. Trotz zahlreicher, auch selbstverschuldeter finanzieller Krisen, war das bitterste Erlebnis seines Lebens wohl 2005 der Hurrikan Katrina, in dessen Gefolge auch sein Haus im Stadtteil Lower Ninth Ward überflutet wurde – unweit des Ortes, an dem er aufgewachsen war.

Er selbst galt damals als vermisst, doch er kehrte zurück und spielte eine Vielzahl von Benefizkonzerten für die verwüstete Stadt. Ein Klavier, das in den Wassermassen zu Schaden kam, steht heute in einer Dauerausstellung des Louisiana State Museum zur Naturkatastrophe. Jetzt ist der Mann, von dem Elvis Presley glaubte, er werden dessen sängerische Qualitäten nie erreichen, im Alter von 89 Jahren gestorben.

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