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Kultur - 11.01.2019

Lenz & Lenz

Erinnerung an einen Schriftsteller, dessen Werk von Dauer ist. Auch wenn viele ihn vergessen haben und er zeitlebens gern mit einem Namensvetter verwechselt wurde.

Hermann Lenz (1913 – 1998), hier auf einem Bild aus dem Jahr 1991. Es hatte fast 30 Jahre gedauert, bis er einer breiteren…

In Teilen der Literaturkritik wird gern mal gefragt und erörtert, ob das jeweilige, zur Besprechung vorliegende Buch denn auch „bleibe“, ob damit ein Autor oder eine Autorin einen weiteren Baustein zu einem „Werk“ vorlege, zu einem, das mindestes ein paar Jahrzehnte „hält“. Der Büchner–Preis, Deutschlands höchste literarische Auszeichnung, gilt dabei in der Regel als offizieller Segen für ein Werk von bleibendem Wert. 1978 hat der Schriftsteller Hermann Lenz diesen Preis bekommen – und sofort meint man fragen zu müssen: Kennt eigentlich noch jemand Hermann Lenz und sein Werk? Liest dessen Bücher jemand? Oder ist dieser 1998 in München im Alter von 85 Jahren verstorbene Schriftsteller nicht komplett vergessen?

So groß waren die Elogen vergangenes Jahr zu Lenz’ 100. Geburtstag jedenfalls nicht, eher klein bis nichtexistent. Nur gut, dass zumindest der Suhrkamp Verlag seines langjährigen Autors gedachte und einen Band aus dem neunteiligen, fast das gesamte 20. Jahrhundert umspannenden Eugen-Rapp-Zyklus neu veröffentlichte, was wiederum die eine oder andere Jubiläumsbesprechung nach sich zog.

Peter Handke sprach 1973 die „Einladung“ aus, Hermann Lenz zu lesen

Andererseits kannte Lenz sich zeit seines Lebens gut aus damit, nicht bemerkt zu werden und im Abseits zu stehen. Das Abseits schien ihn im Gegenteil als einer der sichersten Orte – oder, konkreter: die „Dachstube“, in der er schrieb, erst in seinem Elternhaus in Stuttgart, später im Haus des Schwiegervaters in München. „Für sich sein war am wichtigsten“, notierte Lenz in dem Rapp-Roman „Verlassene Zimmer“. Erst 1973, da war Lenz schon 60 Jahre alt, da hatte er schon etliche Romane geschrieben, da hatte ihm auch das Thomas-Mann-Lob, er sei ein „originelles, träumerisch-kühnes und merkwürdiges Talent“ nicht viel genützt, erst 1973 also wurde eine größere Öffentlichkeit auf ihn aufmerksam: nach Peter Handkes in der „Süddeutschen Zeitung“ ausgesprochener, großformatiger und ultimativer „Einladung, Hermann Lenz zu lesen“. Vom „Zustand einer wachsenden Ungestörtheit“, der bei ihm durch die Bücher von Lenz erzeugt würde, schrieb Handke damals unter anderem. Was seine Wirkung nicht verfehlte.

Lenz bekam einen Vertrag bei Suhrkamp, heimste nach dem Büchner-Preis einige andere Preise ein, wurde zwar kein Bestsellerautor, verkaufte aber deutlich mehr Bücher. In „Herbstlicht“, dem achten Rapp-Roman, 1992 erschienen und die Zeit der Erfolge in den siebziger Jahren in Betracht nehmend, lässt Lenz sein Alter Ego erinnern, wie Siegfried Unseld, dieser „hochgewachsene Mann mit dem kühnen Gesicht und dem starken Nacken“, zu ihm gesagt hatte: „Es war natürlich schon ein Wagnis, Sie zu bringen. Ob die Buchhändler mitmachen, das hab ich nicht gewusst. Aber sie halfen mir.“

Hermann und Siegfried Lenz: Das geht bis zu falschen Honorarüberweisungen

So schön an einem Roman wie „Herbstlicht“ ist: Die Lektüre macht tatsächlich ruhiger, ungestörter. Man fühlt sich als Leser zusammen mit Rapp sofort „nebendraußen“, man möchte sich am liebsten nur noch in den eigenen innersten Bezirken und in Naturbetrachtungen verlieren. Trotzdem lässt Lenz den Betrieb, den Literaturbetrieb, in dem er sich auf einmal doch viel bewegte und bewegen musste, nie außen vor. Lenz ist auch hier drinnen wie draußen. Und wird gern verwechselt: mit einem gewissen Siegfried Rapp, unschwer zu erkennen als der kürzlich verstorbene Siegfried Lenz, der zwar viel erfolgreicher war, dafür genau so wenig ein Lautsprecher.

Das geht bis zu falschen Honorarüberweisungen. Natürlich taucht in den späteren Rapp-Romanen häufig auch ein anderer, viel jüngerer und langhaariger Schriftsteller bei Eugen und seiner Frau, der Treutlein Hanni, auf: Stephan Koval heißt der, Klarname: Handke, Peter. Und der fragt in „Herbstlicht“: „Was haltet ihr von der Dauer? Gibt’ s die eigentlich?“ Rapp denkt nach, kommt auf das „Gefühl, das bestätigt wurde, das war vielleicht die Dauer“, sagt das Koval, beantwortet aber nicht dessen Frage, wann er dieses Gefühl habe: „Nie … wahrscheinlich weil alles vorbeigeht … doch besann er sich. Da war dann etwas in dem Wetter, was wechselte und immer wiederkam, also gleich blieb. Und bei den Silberdisteln am Waldrand hast du’ s auch. Froh bist du, wenn du denkst: Darauf kannst du dich verlassen.“

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