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Kultur - 13.01.2019

Kulturpalast statt Semperoper

Wie die Dresdner Philharmonie mit dem Dirigenten Marek Janowski ihre nationale Bekanntheit steigern will – und in der Elbstadt gegen Christian Thielemanns Staatskapelle antritt.

Prinzip Weinberg. Der Konzertsaal im Kulturpalast wurde vor zwei Jahren umgebaut und passt zur musikalisch offenen und stilistisch…

Die Sächsische Staatskapelle Dresden ist fast so berühmt wie die Semperoper – aber noch älter als das Gebäude, in dem sie auftritt, 470 Jahre nämlich. Darauf sind ihre Mitglieder mächtig stolz, ebenso wie auf ihren unverwechselbaren, tief in der Musikgeschichte verwurzelten Klang. Wenn die Sächsische Staatskapelle mit ihrem Chefdirigenten Christian Thielemann beispielsweise die „Frühlingssinfonie“ von Robert Schumann aufführt, dann stellt sich nicht, wie sonst, der Eindruck ein, dass hier die Sonne durch frisches Grün blinzelt. Eher sieht man vor dem inneren Auge einen Keimling, der sich mühsam durch schwarze, feuchte Erde ans Tageslicht wühlt. Was aber nicht schwerfällig wirkt, sondern ganz organisch, naturnah. Jeder Ton hat eben Gewicht bei diesem Orchester. Ihre klangliche Dichte, die dunkle Färbung des Zusammenspiels gilt den Musikerinnen und Musikern als besonders deutsch.

In einer Klassikwelt, die enorm international ist, wo ganz selbstverständlich Menschen aus unterschiedlichsten Ländern und Kulturkreisen in den Orchestern beisammensitzen, ist das durchaus ein Alleinstellungsmerkmal. Und ein Verkaufsargument. Darum hat es die Dresdner Philharmonie, das andere Orchester der Stadt, zugleich schwer und leicht. Zum einen wirft der Glanz der Staatskapelle natürlich lange Schatten, aus denen die Konkurrenz nur schwer heraustritt. Zum anderen kann das vergangenheitsverliebte Elbflorenz aber durchaus ein Gegengewicht vertragen zur beharrlichen Traditionspflege, also ein Klassikensemble, das inhaltlich offen und stilistisch wendig ist.

Der neue Konzertsaal hat den Dirigenten überzeugt

Von Marek Janowski erhofft sich die Dresdner Philharmonie entscheidende Impulse dafür. Nach 16 erfolgreichen Jahren beim Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin hatte der 1939 geborene Dirigent eigentlich keine Chefposition mehr annehmen wollen. Doch der neue Dresdner Konzertsaal, der vor zwei Jahren in den alten Kulturpalast aus DDR-Zeiten eingefügt wurde, hat ihn umgestimmt. Einen „Wurf“ nennt Janowski das, was nach Plänen des Büros Gerkan, Marg und Partner entstanden ist, als moderne Interpretation des Weinberg-Prinzips der Berliner Philharmonie. „Ich liebe diesen Saal wirklich, auch die Proportionen sind gelungen“, schwärmt der Dirigent. „Zudem wirkt er nicht übergroß – trotz der 1800 Sitzplätze.“

Beim Livekonzert mit Janowski und der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast ist der Klangeindruck verblüffend, das Orchester wirkt akustisch enorm präsent, selbst im Rang hat man das Gefühl, ganz nahe dran zu sein. Und überraschenderweise dringen gerade jene Instrumentengruppen, die weit hinten sitzen, besonders mühelos zum Ohr durch. Die Klarheit, die Durchhörbarkeit des Saales erlaubt dem Dirigenten im Bereich des Leisen feinste Abstufungen. Fortissimo-Ausbrüche wiederum erscheinen nie knallig, sondern angemessen raumfüllend. Spielt die volle Besetzung, hat man geradezu den Eindruck, von den Schallwellen umspült zu werden. Für einen Klangtüftler wie Marek Janowski eröffnen sich da enorme Möglichkeiten.

Ein Mann von strengen Prinzipien

Darum bindet sich der Maestro ab Herbst 2019 nun schon zum zweiten Mal an die Dresdner Philharmonie. Die erste Zusammenarbeit verlief nicht sehr glücklich, was aber ausschließlich an der Stadt lag. Sie finanziert das Orchester, und die zuständigen Politiker hatten Janowski in seinem Vertrag zugesagt, einen neuen, auf die Bedürfnisse der Klassik abgestimmten Saal zu bauen. Doch kaum hatte der Maestro in Dresden angefangen, war davon keine Rede mehr. Weil Marek Janowski aber ein Mann von strengen Prinzipien ist, gab er seinen im Herbst 2001 angetretenen Job zwei Jahre später schon wieder auf. „Es war für mich nicht zu akzeptieren, etwas im Vertrag stehen zu haben, was die Gegenseite dann nicht erfüllt“, kommentiert er die Sache. Für seine Musikerinnen und Musiker allerdings tat es ihm leid. „Darum habe ich ihnen gesagt: Solltet ihr jemals einen neuen Saal bekommen – und ich habe damals nicht daran geglaubt –, dann komme ich gerne als Gast zurück.“

Das tat er dann auch nach der Wiedereröffnung 2017 – und ließ sich sogar überreden, erneut Chef zu werden, dann im Alter von 80 Jahren. Der Vertrag läuft erst einmal drei Jahre, mit Verlägerungsoption. „Das hängt davon ab, wie ich mich gesundheitlich fühle“, betont Janowski. „Wenn ich auch nur den Anflug einer Ahnung habe, dass es nicht mehr geht, dann höre ich auf. Wenn es aber mit dem Orchester eine gute Entwicklung nimmt und ich sehe, dass meine mentalen und physischen Kräfte reichen, warum soll das hier nicht ein bisschen länger gehen?“

Zum Zweiten. Marek Janowski wird im August erneut in Dresden Chefdirigent.

Für acht Doppelprogramme und ein paar Sonderkonzerte pro Spielzeit hat er sich verpflichtet, und er wird dabei das ganze Repertoire abdecken, von der Wiener Klassik bis zu Zeitgenössischem. Da hat er ein hohes Arbeitsethos: „Ich habe mich stets für die Darstellung der zeitgenössischen Musik in meinen Programmen eingesetzt, obwohl ich der Tendenz zur ,Verkopftheit‘ der Musik unserer Zeit sehr reserviert gegenüberstehe“, betont er. „Moderne Musik ist und bleibt ein Problemfall für das große Publikum. Mit der Qualität der Aufführungen müssen, sollen und wollen wir unsere Hörer aber davon überzeugen, dass eine Auseinandersetzung mit dieser Musik wichtig und lohnend ist.“

Legendär ist Janowskis Ruf vor allem als Orchestererzieher. Als ein Maestro, der im Detail nichts durchgehen lässt. „Wenn ich mir einer Sache ziemlich sicher bin, dann, dass ich ein Orchester besser machen kann“, sagt er selbstbewusst. Und zwar durch Probeneffizienz: „Da gehöre ich zur alten Schule – ich quatsche vor dem Orchester nicht herum. Ich gebe spieltechnische Hinweise. Was ich zeigen kann, muss ich nicht verbal erklären, so habe ich es gelernt als junger Kapellmeister in Köln, Düsseldorf und Hamburg.“ Weil der einzelne Musiker ja nur jeweils seine eigene Stimme vor Augen hat, kommt dem Dirigenten gerade bei komplexen Partituren die alleinige Führungsrolle zu: „Das ist dann erst einmal – wenn Sie so wollen – eine Fahrdienstleitung. Da geht es um Präzision, um Klangbalance und vieles mehr. Im Konzert bin ich nur dann frei, spontan etwas anders zu machen, wenn die Präzisionsbasis total sicher ist.“

Die Dresdner Philharmonie will ein deutsches Schwergewicht werden

Was sich die Dresdner Philharmonie neben effektiven Proben und künstlerisch erfüllenden Auftritten von Marek Janowski erhofft, ist auch überregionale Bekanntheit, eine Steigerung der Außenwirkung des Orchesters. „In bestimmten stilistischen Bereichen soll die Philharmonie künftig als ein deutsches Schwergewicht wahrgenommen werden“, definiert der Maestro das gemeinsame Ziel. „Dazu kann ich beitragen. Ganz unbekannt bin ich ja nicht.“ Regelmäßige Gastspiele in den deutschen Musikmetropolen wie Köln, München und Berlin sind fest eingeplant.

Und auch die Voraussetzungen vor Ort stimmen: Da ist der neue Saal, da sind die 116 Planstellen, die Janowski vertraglich garantiert sind. Aus dieser „Luxussituation“ lässt sich die innerstädtische Konkurrenz gut angreifen, also die stolze Sächsische Staatskapelle mit ihrem schillernden Chef Christian Thielemann. Auch wenn Mark Janowski das diplomatischer formuliert. „Es steht mir nicht zu, nach außen Qualitätsvergleiche zu machen. Beide Orchester hatten schon zu DDR-Zeiten ihre treuen Stammhörer. Aber inzwischen ist eine Durchlässigkeit denkbar geworden zwischen den Publikumsgruppen. Und die stellen dann natürlich Vergleiche an.“

Infos zum Orchester unter www.dresdnerphilharmonie.de. Marek Janowski dirigiert vom 30. Januar bis 1. Februar die Berliner Philharmoniker, am 24. Februar kommt er mit dem WDR Sinfonieorchester Köln in die Philharmonie.

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