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Kultur - 09.07.2019

Königin der Leica

Eine Meisterin der Komposition: Die Charlottenburger Galerie Berinson zeigt Fotografien von Ilse Bing aus den 1930er- bis 50er-Jahren.

„Drei Männer auf der Treppe an der Seine“ von Ilse Bing, 1931.

Konzentriert und neugierig blickt sie, ein Auge hinter der Kamera versteckt, auf den Betrachter. Im Spiegel neben ihr sieht man die Szene verdoppelt und sie im Profil. So raffiniert inszenierte sich Ilse Bing 1931 auf ihrem berühmten Selbstporträt. Ein Jahr zuvor war die gebürtige Frankfurterin mit einer kleinen Leica im Gepäck nach Paris gekommen.

In Frankfurt, vor allem im Bereich des Neuen Bauens ein Brennpunkt der Moderne, hatte Ilse Bing zunächst Mathematik und Physik studiert, sich dann aber der Kunstgeschichte oder genauer: der Architekturgeschichte verschrieben. Für den Dokumentationsteil ihrer Abschlussarbeit kaufte sie sich eine Plattenkamera. Als sie 1929 im Frankfurter Kunstverein eine Ausstellung mit Arbeiten der französischen Fotografin Florence Henri sah, für sie der Inbegriff der avancierten Avantgardefotografie, beschloss sie, sich in Paris ganz der Fotografie zu widmen. „Ich bin nicht Fotografin geworden, sondern ich war es einfach“, sollte sie sich später erinnern. Viele der in Paris entstandenen Bilder sind als Vintage-Abzüge nun der Ausstellung „Ilse Bing (1899-1998): Fotografien“ in der Galerie Berinson zu sehen (Schlüterstraße 28, Charlottenburg, Tel. 28 36 79 90. Bis 3. August, Di-Sa 11-18 Uhr.). Häuserfassaden wie Gemälde in Grisaille-Technik, Clochards an der Seine, ein Puppenspiel in einem Pariser Park oder einfach nur Straßenmüll – Ilse Bing, die sich das Fotografien selbst beigebracht hat, ist eine Meisterin der Komposition. Das Neue Sehen hat sie förmlich inhaliert.

Prominente Bilder sind zu sehen, wie „Drei Männer auf der Treppe an der Seine“ von 1931, bei dem die wie auf einer Perlenschnur an einer Diagonalen aufgefädelten Figuren den Rhythmus des Bildes bestimmen. Oder „Pferdeschlachterei“ von 1933, ein Bild in starker Untersicht auf drei surreal und leicht unheimlich anmutende Pferdekopfskulpturen. Das Spiel mit den Strukturen unterschiedlicher Bodenbeläge und eine sich in einer Pfütze spiegelnden Häuserreihe in einer Fotografie von 1932 zeigt Ilse Bings exzellentes Gespür für ihr Metier.

Eine kühl-sachliche Strenge zeichnet ihre Bilder aus

In rund zwanzig Jahren hat Hendrik Berinson diese Bilder zusammengesammelt (Preise 15 000 bis 30 000 Euro). Sogar Abzüge aus der ehemaligen Sammlung des Museum of Modern Art sind dabei, darunter auch ein weniger bekanntes Selbstporträt von Ilse Bing von 1934. In ihrem Blick sieht man die kühl-sachliche Strenge, die auch ihre Bilder auszeichnet. Die Qualität ihrer Aufnahmen, vor allem auch die der Abzüge, die sie nach getaner Arbeit selbstbewusst signierte, brachten ihr Aufträge bei den renommiertesten Magazinen und Ausstellungen mit Größen ihrer Zunft wie André Kértesz, Brassaï und Man Ray ein. Bald galt sie als „Königin der Leica“.

1936 reiste Bing erstmals nach New York. Auf der Flucht vor den Nationalsozialisten emigrierte sie 1941 mit ihrem Mann endgültig dorthin. Viele der New Yorker Bilder sind ebenfalls bei Berinson zu sehen. An ihre Pariser Glanzzeit, vor allem an die lukrativen Aufträge dort, konnte Ilse Bing in den USA jedoch nicht mehr anknüpfen. Ende der 50er Jahre gab sie ihr Metier schließlich auf.

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