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Kultur - 20.01.2019

Jenseits des Trubels

Das Mandelring Quartett wird dafür gerühmt, zu den besten Quartetten der Welt zu gehören. Im Radialsystem haben sie jetzt an zwei Tagen Brahms‘ Streichquartette, -quintette und sextette aufgeführt. Sauber, bestechend klar und temporeich.

Von links nach rechts, die Mitglieder des Mandelring Quartetts: Sebastian Schmidt an der Violine, Andreas Willwohl an der Viola,…

Zwei Tage nichts als Brahms, erst die drei Streichquartette, dann die Quint- und Sextette: ein Programm, in seinem enzyklopädischen und zugleich heiter-unverkrampften Charakter wie geschaffen fürs Radialsystem. Und fürs Mandelring Quartett, das sich gern dem Gesamtwerk eines Komponisten widmet und dafür gerühmt wird, zu den besten Quartetten der Welt zu gehören. Weil sie Feldforschung betreiben und nie aufhören, nach dem Kern der Musik zu suchen.

Am Feiertag wummern die Bässe an der Spree, rast auch mal ein Blaulicht die Holzmarktstraße runter. Am anderen Ufer, nicht weit entfernt, tummeln sich Tausende beim Myfest. Drinnen im Saal dagegen sind Sammlung und Konzentration angesagt. Für die beiden Streichsextette in B-Dur und G-Dur haben sich die Geschwister Sebastian, Nanette und Bernhard Schmidt und Andreas Willwohl Verstärkung geholt: Roland Glassl, bis 2015 Bratscher des Quartetts, sowie den Cellisten Wolfgang Emanuel Schmidt.

Atmende Crescendobögen und Bernsteinfarben schimmerndes Timbre

So ist nun jede Stimme doppelt besetzt, eine Ahnung von symphonischer Klangfülle durchzieht den Saal. Vor allem die beiden Celli machen doch einen enormen Unterschied zu einem „normalen“ Streichquartett. Sextette hat es vor Brahms eigentlich gar nicht richtig gegeben, sieht man mal von Boccherini und Spohr ab. Brahms schrieb seine Stücke 1859 und 1864, da war er um die dreißig Jahre alt. Es sind also – für seine Verhältnisse – Frühwerke, deutlich an Franz Schubert und seinen „himmlischen Längen“ orientiert, unbekümmerter, weniger verkopft und kontrapunktlastig geschrieben als später die Quartette.

Die strömende Melodik von Opus 18 setzen die Mandelrings mit einem in Bernsteinfarben schimmernden, klassisch ausgewogenen Timbre um, und dennoch lebendig durchpulst. Sebastian Schmidt an der Primgeige führt entschlossen-unaufdringlich, und wüsste man nicht, dass hier zwei Gäste dabei sind, könnte man denken, die sechs träten schon seit Jahrzehnten zusammen auf, so sauber, bestechend klar und homogen ist das Klangbild – bis hin zur temporeichen Schlusscoda.

Atmende Crescendobögen dann auch bei Opus 36, mit dem herrlich lyrischen Hauptthema im Eingangs-Allegro, das wiederum sehr an Schubert erinnert und auch im letzten Satz, einer raffinierten Kombination von Rondo und Sonatensatz, wiederkehrt. Eine irrwitzig schnelle Stretta setzt auch hier den Schlusspunkt hinter einem inspirierenden Kammermusik-Nachmittag als Kontrapunkt zum ausgelassenen Trubel in Kreuzberg. Großer Jubel.

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